Die Festtags-Pfunde lagern sich nicht nur auf den Hüften, sondern auch auf der DNA ab. Das ist das Ergebnis einer großen internationalen Studie unter Federführung des Helmholtz Zentrums München, Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung, die nun in ‚Nature‘ veröffentlicht wurde. Sie zeigt, dass ein erhöhter BMI zu epigenetischen Veränderungen an fast 200 Stellen des Erbguts führt – mit Auswirkungen auf die Gene.
Während sich unsere Gene im Laufe des Lebens kaum verändern, kann unser Lebensstil direkten Einfluss auf deren Umgebung ausüben. Wissenschaftler sprechen hier vom Epigenom (griechisch epi: auf, an, bei), also alles, was auf und um die Gene geschieht. Bisher kaum untersucht wurde, wie sich das Epigenom durch Übergewicht verändert. „Dabei ist die Frage bei schätzungsweise eineinhalb Milliarden übergewichtigen Menschen weltweit durchaus relevant“, so die Erstautorin der Studie Dr. Simone Wahl von der Abteilung Molekulare Epidemiologie (AME) am Helmholtz Zentrum München. „Vor allem wenn man weiß, dass Übergewicht zu Folgeerscheinungen wie Diabetes, Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen führen kann.“
Weltweit größte Studie zu BMI und Epigenetik
Das internationale Forscherteam unter der Leitung von Dr. Christian Gieger und Dr. Harald Grallert aus der AME (sowie Jaspal Kooner und John Chambers vom Imperial College London) überprüfte daher mögliche Zusammenhänge zwischen dem Body Mass Index (BMI) und epigenetischen Veränderungen*. Durch die immer besser werdenden technologischen Möglichkeiten realisierten sie so die bisher weltweit größte Studie zu diesem Thema.
Dazu untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Blutproben von über 10.000 Frauen und Männern aus Europa. Ein größerer Teil darunter waren Bewohner Londons mit indischer Abstammung, die laut den Autoren ein hohes Risiko für Fettleibigkeit und Stoffwechselkrankheiten haben. In einem ersten Schritt mit 5.387 Proben** ermittelte das Forscherteam 207 Genorte, die abhängig vom BMI epigenetisch verändert waren. Diese Kandidaten testeten sie dann an Blutproben von weiteren 4.874 Probanden und konnten 187 davon bestätigen***. Weitere Untersuchungen und Langzeitbeobachtungen wiesen zudem darauf hin, dass ein Großteil der Veränderungen eine Folge des Übergewichts war und nicht dessen Ursache.
Signifikante Änderungen auch an Entzündungsgenen
„Signifikante Veränderungen fanden vor allem an Genen statt, die für den Fettstoffwechsel sowie für Stofftransport zuständig sind, aber auch Entzündungsgene waren betroffen“, erklärt Gruppenleiter Harald Grallert. Weiterhin konnte das Team aus den Daten epigenetische Marker identifizieren, anhand derer sich das Risiko für einen Typ-2-Diabetes vorhersagen ließ.
„Unsere Ergebnisse erlauben neue Einblicke, welche Signalwege durch Fettleibigkeit beeinflusst werden“, so Christian Gieger, Leiter der AME. „Wir hoffen, dass daraus neue Strategien entstehen, wie man Typ-2-Diabetes und andere Folgen des Übergewichts vorhersagen und bestenfalls verhindern kann.“ Künftig wollen die Forscher auch im Rahmen der translationalen Forschungsarbeiten im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung untersuchen, wie sich die epigenetischen Veränderungen im Einzelnen auf die Aktivität der darunter liegenden Gene auswirkt.
Weitere Informationen
* Konkret untersuchte das Team die Methylierungsmuster, also das vorhanden oder abwesend sein von Methylgruppen an der DNA. Durch sogenannte Hochdurchsatzmessungen können diese Methylierungsmuster heute relativ schnell und im großen Umfang untersucht werden.
** unter anderem aus der Augsburger KORA-Studie, der Londoner LOLIPOP-Studie und einem Teil der EPICOR Studie aus Italien
*** Einige davon konnten in der Folge auch in Fettgewebe bestätigt werden, wodurch gezeigt wurde, dass Veränderungen der Genregulation in krankheitsrelevanten Geweben auch im Blut sichtbar sind.
Original-Publikation:
Wahl, S. et al. (2016): Epigenome-wide association study of body mass index, and the adverse outcomes of adiposity. Nature, doi:10.1038/nature20784
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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