Herzrhythmusstörungen: Ionen ermöglichen Behandlung ohne Medikamente oder Katheter
Herzrhythmusstörungen sind ein weit verbreitetes Beschwerdebild, das nicht selten die dauerhafte Einnahme von Medikamenten und manchmal sogar einen operativen Eingriff erforderlich macht. Nun haben Forscher der Universität Heidelberg, des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung, der Universität Erlangen-Nürnberg, des Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrums, der Universität Trento (Italien) und der Mayo Clinic (USA) jedoch eine neue Behandlungsmethode entwickelt, die ohne Medikamente oder operativen Eingriff auskommt.
Die Forscher setzten Ionen gegen die Herzrhythmusstörungen ein – mit Erfolg. Das Verfahren könnte in Zukunft eine Behandlung der Herzrhythmusstörungen ohne Medikamente oder einen operativen Eingriff ermöglichen, berichten die Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Scientific Reports“ Sie „konnten zeigen, dass mit den hochenergetischen Kohlenstoffionen von außen gezielt Veränderungen am Herzgewebe erzeugt werden können, die die Weiterleitung des elektrischen Signals verhindern“, so die Mitteilung des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung.
Bestrahlung mit Kohlenstoffionen
Die Biophysiker des GSI haben gemeinsam mit Medizinern der Universität Heidelberg und der Mayo Clinic ein Verfahren entwickelt, bei dem eine Bestrahlung mit Kohlenstoffionen zur Behandlung der Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird. Bekannt war die Methode bereits aus der Tumorbehandlung. Sie kann jedoch offenbar auch bei Herzrhythmusstörungen angewandt werden. und stellt eine nicht-invasive Alternative zu der bisherigen Behandlung mit Herzkathetern oder Medikamenten dar, berichten die Wissenschaftler.
Medikamente oder Katheter-Eingriff bislang üblich
Den Angaben der Forscher zufolge leiden allein in Deutschland rund 350.000 Patienten unter verschiedenen Herzrhythmusstörungen, welche beispielsweise zu einem Schlaganfall oder einem plötzlichen Herztod führen können. Bei Herzrhythmusstörungen wie dem Vorhofflimmern oder der Herzkammertachykardie gerate das Herz aus seinem regulären Takt, welcher durch den Sinusknoten als Impulsgeber vorgegeben wird. Die Normalisierung des Herzschlages könne dann mit Medikamenten erfolgen oder aber auch durch eine sogenannte Katheterablation. Bei letzterer wird ein Katheter durch die Blutgefäße bis zum Herzen geführt und dort entsprechendes Gewebe verödet, erläutern die Forscher.
Machbarkeitsstudie mit überzeugendem Ergebnis
Basierend auf dem Prinzip der Katheterablation könnte auch mit Ionen aus dem Teilchenbeschleuniger eine Behandlung ohne Katheter durchgeführt werden, so der Ansatz der Forscher. In einer Machbarkeitsstudie haben sie daher den Einsatz der Methode mit Kohlenstoffionen überprüft. „Nach vorangehenden Tests an Herz-Zellkulturen und an schlagenden Herz-Präparaten mit vielversprechenden Ergebnissen hatten die Wissenschaftler eine Tierstudie ausgearbeitet“, so die Mitteilung des GSI. Die Studienergebnisse waren dabei so überzeugend, dass die Forscher nun auf eine zeitnahe Anwendung beim Menschen hoffen.
Zielgerichtete Behandlung ohne Katheter möglich
„Die Studie hat gezeigt, dass die Methode erfolgreich dazu genutzt werden kann, Herzgewebe so zu verändern, dass die Ausbreitung störender Impulse dauerhaft unterbrochen wird“, berichtet Dr. Christian Graeff, Leiter der Arbeitsgruppe Medizinische Physik am GSI. „Die neue Methode ist ein großer Schritt in die Zukunft, da sie uns erlaubt, diese Behandlung erstmals komplett ohne Katheter und dennoch zielgerichtet durchzuführen,“ betont Dr. H. Immo Lehmann von der Mayo Clinic.
Deutliche Verbesserung der Behandlung
Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass die Bestrahlung des Gewebes mit Kohlenstoffionen schonender und potentiell auch wirksamer als die Behandlung per Katheter sein könne „Sobald die Methode technisch ausgereift ist, wird ein Eingriff nur wenige Minuten dauern, im Vergleich zu den teilweise stundenlangen Kathetereingriffen“, berichten die Forscher. Sie biete auch den wesentlichen Vorteil, dass die Eindringtiefe der Ionen nicht limitiert ist. Insbesondere die linke Kammerwand des Herzens, welche besonders dick ist, bereite hier bei der Verödung mit Kathetern oft Schwierigkeiten. Doch gerade an dieser Stelle müssen besonders schwer betroffene Patienten mit sogenannter Ventrikulärer Tachykardie dringend behandelt werden, erläutern die Mediziner.
Weitere Studien in Vorbereitung
Laut Mitteilung des Helmholtzzentrums konnten die Wissenschaftler bei ihrer Studie auf viele Technologien zurückgreifen, die ursprünglich für die Krebstherapie mit Ionen entwickelt wurden. Mit dieser mittlerweile etablierten Therapie seien in der Krebstherapie weltweit schon viele tausend Patienten behandelt worden. Nun seien jedoch zunächst weitere detaillierte Studien nötig, bis die Methode erstmals bei Patienten zur Anwendung kommen kann, betonen die Wissenschaftler. (fp)
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