OLG München: Postmortales Persönlichkeitsrecht würde verletzt
München (jur). Eine Samenbank muss einer Witwe nicht die tiefgekühlten Spermaproben ihres verstorbenen Ehemannes herausgeben. Das postmortale Persönlichkeitsrecht des Toten würde im Falle einer künstlichen Befruchtung verletzt, urteilte am Mittwoch, 22. Februar 2017, das Oberlandesgericht (OLG) München (Az.: 3 U 4080/16). Außerdem stehe dem das Embryonenschutzgesetz entgegen, das das Kindeswohl schützen wolle.
Dieses sieht eine bis zu dreijährige Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe vor, wenn jemand „wissentlich eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tode künstlich befruchtet“.
Im jetzt entschiedenen Fall hatte eine Witwe aus Oberbayern eine Samenbank auf Herausgabe von 13 Spermaproben ihres verstorbenen Ehemannes verklagt. Der Mann hatte zu Lebzeiten das Sperma dort für eine spätere mögliche künstliche Befruchtung kryokonservieren lassen. Laut Vertrag war der Mann der „alleinige Eigentümer“ des Spermas. Mit dem Tod sollte das Vertragsverhältnis enden.
Dieser kam dann tatsächlich unerwartet. Der Mann starb am 31. Juli 2015 an den Folgen einer Herztransplantation. Die Witwe wollte dennoch von ihrem Mann schwanger werden. Sie begann im Juni 2014 in einem „Kinderwunschzentrum“ eine Behandlung, um schwanger werden zu können. Von der Samenbank verlangte sie die Herausgabe der Spermaproben ihres Mannes.
Die Samenbank lehnte dies ab und verwies auf die Strafbestimmungen im Embryonenschutzgesetz. Man würde sich sonst der Beihilfe schuldig machen, so die Samenbank.
Die Witwe zog vor Gericht und pochte auf ihr Persönlichkeitsrecht und das darin enthaltene Recht auf Fortpflanzung. Die Bestimmung im Embryonenschutzgesetz sei verfassungswidrig. Sie wolle die Gene ihres verstorbenen Mannes und ihre eigenen im und am Kind sehen und erleben. Dies überwiege auch die Aspekte, dass das Kind ohne Vater aufwachse und es später erfahre, wie es gezeugt wurde. Das Kindeswohl sei hier nachrangig zu sehen.
Das OLG urteilte, dass die Witwe nicht die Herausgabe der Samenproben verlangen kann. Auch wenn sie auf ihr „Recht auf Fortpflanzung“ verweise, bedeute dies nicht, dass jeder Mensch einen Anspruch darauf hat, sich fortzupflanzen.
Hier bestehe die Möglichkeit, dass sich die Samenbank der Beihilfe wegen Verstoßes gegen das Embryonenschutzgesetz strafbar macht. Das dortige Verbot einer künstlichen Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen sei auch verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe dabei die einzelnen Interessen von Mann, Frau und Kind angemessen berücksichtigt.
So habe der Gesetzgeber insbesondere das Kindeswohl schützen wollen. Die Befürchtung der Beeinträchtigung des Kindeswohls sei real, und zwar umso mehr, je weiter der Zeitpunkt der möglichen Geburt des Kindes vom Zeitpunkt des Todes des verstorbenen Ehemannes entfernt wäre. „Bei der Identitätsfindung des Kindes könnte sich die Vorstellung belastend auswirken, von einem zur Zeit der Zeugung bereits Gestorbenen abzustammen“, so das OLG. Das Interesse einer Witwe, möglicherweise Jahre nach dem Tod ihres Mannes von diesem schwanger zu werden, müsse demgegenüber zurücktreten.
Die Klägerin verkenne aber auch, dass mit der Herausgabe des Spermas das postmortale Persönlichkeitsrecht ihres verstorbenen Ehemannes verletzt würde. Dieser habe weder im Vertrag mit der Samenbank noch in seinem Testament seinen Willen kundgetan, dass auch nach dem Tod sein Sperma verwendet werden solle. Allein schon wegen des fehlenden erklärten Willens des Verstorbenen dürfe die Witwe nicht über die Spermaproben verfügen, so das OLG in seinem auch bereits schriftlich veröffentlichten Urteil. Die Revision zum Bundesgerichtshof in Karlsruhe ließ das OLG wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. fle/mwo
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