Lang anhaltende Wirksamkeit: Tiefe Hirnstimulation lindert schwerste Depressionen
Depressionen zählen längst weltweit zu den Volkskrankheiten. Allein in Deutschland sind laut Gesundheitsexperten innerhalb eines Jahres rund sechs Millionen Menschen betroffen. Behandelt wird die Krankheit meist mit Medikamenten und Psychotherapie. In Zukunft könnte auch eine Tiefe Hirnstimulation eine Behandlungsoption sein, berichten Forscher.
Zahl der Menschen mit Depressionen steigt
Laut einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Anzahl der Menschen mit Depressionen in den letzten Jahren stark angestiegen. Betroffene leiden meist an anhaltend gedrückter Stimmung, Antriebslosigkeit, Angstzuständen oder Schlafstörungen. Die Behandlung von Depressionen erfolgt traditionell mit Medikamenten (Antidepressiva) und Psychotherapie. Doch bei Schwerstkranken bleibt diese oft wirkungslos. Deutsche Wissenschaftler berichten nun über eine neue Behandlungsoption.
Symptome über mehrere Jahre lindern oder beheben
Eine Tiefe Hirnstimulation kann die Symptome von Patienten mit bislang nicht behandelbaren, schwersten Formen von Depression über mehrere Jahre lindern oder sogar beheben. Das haben Forscher des Universitätsklinikums Freiburg nun in einer Langzeitstudie zu dieser Therapieform gezeigt.
Wie es in einer Mitteilung des Universitätsklinikums heißt, hatten sieben der acht behandelten Patienten bei kontinuierlicher Stimulation bis zum Beobachtungszeitpunkt nach vier Jahren anhaltende Verbesserungen der Symptome.
Die Therapie blieb demnach über die gesamte Zeit gleich wirksam. Auftretende leichte Nebenwirkungen ließen sich durch eine Anpassung der Stimulation vermeiden. Die Studienergebnisse wurden im Fachjournal „Brain Stimulation“ veröffentlicht.
Vielversprechender Ansatz
„Der größte Teil der Patienten spricht auf die Therapie an. Einzigartig ist, dass sie dies auch dauerhaft tun“, sagte Studienleiter Prof. Dr. Thomas Schläpfer, Leiter der Abteilung für Interventionelle Biologische Psychiatrie an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg.
„Andere Therapieformen verlieren oft im Laufe der Zeit ihre Wirksamkeit. Damit ist die Tiefe Hirnstimulation ein vielversprechender Ansatz für Menschen mit bisher nicht behandelbarer Depression“, so der Experte.
Die Tiefe Hirnstimulation ist ein auf leichten elektrischen Reizen basierendes Verfahren, mit dem präzise gewählte Bereiche des Gehirns beeinflusst werden können.
Wirkung bei Patienten mit schwersten Depressionen
Laut den Forschern litten die acht Probanden zwischen drei und elf Jahren durchgehend an einer schwersten Depression, bei der weder medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlungen noch Stimulationsverfahren wie die Elektrokrampftherapie Besserung brachten.
Die Ärzte implantierten hauchdünne Elektroden und stimulierten einen Hirnbereich, der an der Wahrnehmung von Freude beteiligt und damit auch für Motivation und Lebensqualität von Bedeutung ist.
Die Wirkung der Therapie bewerteten die Ärzte monatlich mit Hilfe der etablierten Montgomery-Asberg Rating Scale (MARDS). Wie die „Ärzte Zeitung“ erklärt, besteht dieser Fragebogen zur Fremdbeurteilung des Schweregrads eines depressiven Syndroms aus zehn Fragen mit denen die Symptome der vergangenen Woche beurteilt werden.
Es zeigte sich, dass der MARDS-Wert bereits im ersten Monat im Durchschnitt von 30 Punkten auf zwölf Punkte fiel und bis zum Ende der Studie sogar noch weiter leicht absank. Den MARDS-Wert von zehn Punkten, ab dem eine Depression diagnostiziert wird, unterschritten vier Personen.
In einigen Jahren eine wirksame Behandlungsoption
Manche Patienten litten kurzzeitig unter verschwommenem Sehen oder unter Doppelbildern. „Die Nebeneffekte konnten wir durch eine verminderte Stimulationsstärke beheben, ohne dass der antidepressive Effekt der Therapie nachgelassen hätte“, so Prof. Dr. Volker A. Coenen, Leiter der Abteilung Stereotaktische und Funktionelle Neurochirurgie an der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg.
Bei keinem Patienten waren Persönlichkeitsveränderungen, Denkstörungen oder andere Nebenwirkungen zu beobachten.
Falls sich die Wirksamkeit und Sicherheit der Therapie in einer weiteren aktuell am Universitätsklinikum Freiburg laufenden fünfjährigen Studie mit 50 Patienten bestätigt, sieht Prof. Coenen die Möglichkeit einer europäischen Registrierung des Therapieverfahrens.
Das erlaubt den Einsatz der Therapie auch außerhalb von Studien: „Für Patienten mit schwerster Depression könnte eine solche Tiefe Hirnstimulation in einigen Jahren eine wirksame Behandlungsoption sein“, sagte Prof. Coenen. (ad)
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