Hormone im Mutterleib könnten Effekt auf das spätere Sexualverhalten haben
Wenn Frauen in der Schwangerschaft zusätzlich das Hormon Progesteron einnehmen, könnte sich dies langfristig auf die sexuelle Orientierung ihres Kindes auswirken. Zu diesem Ergebnis ist eine US-amerikanische Studie gekommen, die aktuell im Fachblatt „Archives of Sexual Behavior“ veröffentlicht wurde. Demnach gaben Männer und Frauen von Progesteron-behandelten Müttern vergleichsweise häufiger an, sich nicht als heterosexuell zu fühlen. Stattdessen definierten sie sich öfter als bi- oder homosexuell.
Progesteron steuert den natürlichen Zyklus
Das Sexualhormon Progesteron (auch „Gelbkörperhormon“ genannt) wird natürlicherweise sowohl im Körper von Frauen als auch (in geringerem Maße) von Männern produziert. Bei Frauen reguliert es unter anderem den Zyklus und bereitet die Gebärmutter auf die Einnistung einer befruchteten Eizelle vor. Während der Schwangerschaft übernimmt es eine Schutzfunktion, indem es dafür sorgt, dass die Gebärmuttermuskulatur entspannt ist und keine frühzeitigen Wehen einsetzen. Aus diesem Grund wird es häufig eingesetzt, um zum Beispiel Komplikationen wie Fehl- und Frühgeburten zu vermeiden.
Ein Team von Wissenschaftlern um June Reinisch vom Kinsey Institute in Bloomington hat nun im Rahmen einer kleinen Studie entdeckt, dass die Gabe von zusätzlichem Progesteron während der Schwangerschaft möglicherweise einen langfristigen Effekt auf das Ungeborene haben könnte. Denn das Progesteron könne sich unter Umständen auf die spätere sexuelle Orientierung auswirken.
Forscher untersuchen Daten von 34 Probanden
Zu dieser Annahme kamen die Forscher nach der Auswertung der Daten von je 17 weiblichen und männlichen Probanden, deren Mütter in der Schwangerschaft ein Progesteron-Präparat (Lutocyclin) eingenommen hatten, um eine Fehlgeburt zu verhindern. Die 34 Teilnehmer stammten aus einer dänischen Kohortenstudie aus den 1980er-Jahren und waren alle zwischen 1959 und 1961 im Universitätsklinikum Kopenhagen (Dänemark) geboren worden.
Die Männer und Frauen wurden mit einer sorgfältig ausgewählten Kontrollgruppe verglichen, die pränatal keinen Kontakt mit Lutocyclin oder anderen Hormonmedikamenten hatten, ansonsten aber mit den Studienteilnehmern auf der Grundlage von 14 relevanten physischen, medizinischen und sozioökonomischen Faktoren übereinstimmten. Im Alter von Mitte 20 wurden die Probanden beider Gruppen unter anderem zu ihrer sexuellen Orientierung, der Selbstidentifikation und der eigenen Sexualgeschichte befragt.
Jeder fünfte bezeichnet sich als nicht heterosexuell
Der Abgleich beider Gruppen zeigte, dass sich die Männer und Frauen, deren Mütter während der Schwangerschaft das zusätzliche Hormon genommen hatten, signifikant seltener als heterosexuell bezeichneten, schreiben die Forscher in ihrem Bericht. Jeder Fünfte aus dieser Gruppe definierte sich demnach selbst als bi- oder homosexuell. Im Vergleich zur Kontrollgruppe war es zudem wahrscheinlicher, dass die Probanden bereits sexuelle Erfahrungen mit dem gleichen Geschlecht und sich schon zum eigenen bzw. zu beiden Geschlechtern hingezogen gefühlt hatten.
„Wir konnten feststellen, dass die Progesteron-Exposition im Zusammenhang mit einer erhöhten nicht-heterosexuellen Selbst-Identifizierung, Anziehung zum gleichen Geschlecht oder beiden Geschlechtern und gleichgeschlechtlichem sexuelles Verhalten steht”, berichten die Wissenschaftler.
Rolle des Hormons muss weiter erforscht werden
„Die Ergebnisse unterstreichen die Wahrscheinlichkeit, dass die pränatale Exposition gegenüber Progesteron langfristige Folgen für das Sexualverhalten des Menschen haben kann“, resümieren die Forscher. Nun müssten weitere Studien mit Kindern von Progesteron-behandelten Müttern folgen, um mehr über die Rolle dieses Hormons in der menschlichen Verhaltensentwicklung zu erfahren, so die Wissenschaftler weiter. (nr)
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