Resistente Keime in der Sackgasse – Neuer Behandlungsansatz entdeckt
Antibiotikaresistente Krankheitserreger sind ein wachsendes Problem in der Medizin. Seit Jahren warnt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) vor einer drohenden „Antibiotikakrise“ und es wachsen die Befürchtungen, „ dass eine post-antibiotische Ära kurz bevorsteht“, so die Mitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Forscher der Kieler Universität haben nun auf Basis des sogenannten evolutionären Prinzips neue nachhaltige Behandlungsformen in der Antibiotikatherapie entwickelt.
Infolge der zunehmenden Resistenzen von Erregern sind bakterielle Infektionen, die sich früher gut bekämpfen ließen, in Zukunft möglicherweise nicht mehr behandelbar. „Antibiotikaresistente Krankheitskeime könnten laut Vorhersage der WHO binnen weniger Jahre zu den häufigsten Verursachern nicht-natürlicher Todesfälle werden“, warnen die Wissenschaftler der CAU. Sie entwickelten nun einen neuen Behandlungsansatz zur erfolgreichen Antibiotikatherapie bei resistenten Erregern. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in dem Fachmagazin „Molecular Biology and Evolution“ veröffentlicht.
Neue Behandlungsansätze dringend gesucht
Die schnellen Evolution von Antibiotika-Resistenzen stellt laut Aussage der Forscher eine dramatische Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar. Das Spektrum wirksamer antibakterieller Medikamente schrumpfe und die „lebenswissenschaftliche Forschung steht vor der Herausforderung, dieser Gefahr mit neuen Behandlungsansätzen möglichst schnell begegnen zu müssen“, berichtet die CAU. Hierbei bilde neben der Entwicklung neuer antibiotischer Wirkstoffe, auch eine verbesserte Wirksamkeit der vorhandenen Antibiotika durch neue Therapieansätze einen Schwerpunkt der Forschung.
Evolutionäre Anpassung der Keime ausgenutzt
Die Arbeitsgruppe Evolutionsökologie und Genetik an der CAU hat auf Basis der Erkenntnisse aus der Evolutionsmedizin nun einen effizienteren Behandlungsansatz zur Antibiotikatherapie entwickelt. Das internationale Forscherteam unter Leitung von Professor Hinrich Schulenburg untersuchte, wie sich verschiedene Formen der Antibiotika-Gabe auf die evolutionäre Anpassung der Erreger auswirken. In ihrer aktuellen Studie konnten sie belegen, dass bei dem Bakterium „Pseudomonas aeruginosa die Evolution von Resistenz gegen bestimmte Antibiotika gleichzeitig zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber anderen Wirkstoffen führt“, so die Mitteilung der CAU. Dieses Konzept der sogenannten „kollateralen Sensitivität“ eröffne neue Perspektiven in der Bekämpfung multiresistenter Krankheitserreger.
Wechselseite Sensitivitäten ein Vorteil bei der Therapie?
Die Wissenschaftler untersuchten, welche Antibiotika nach Resistenzbildung zu wechselseitigen Sensitivitäten führen können. Hierfür wurde im Labor ein Evolutionsexperiment mit dem Erreger Pseudomonas aeruginosa durchgeführt. „Dieses Bakterium ist häufig multiresistent und besonders für immungeschwächte Patientinnen und Patienten bedrohlich“, erläutern die Experten. Im Experiment seien die Erreger in 12-stündigen Intervallen immer höheren Dosierungen von acht verschiedenen Antibiotika ausgesetzt worden. Als Konsequenz habe das Bakterium jeweils eine Resistenz gegenüber den verschiedenen Wirkstoffen entwickelt.
Kombination von Antibiotika mit vielversprechender Wirkung
Im einem weiteren Versuchsschritt testeten die Forscher, wie sich die resistenten Erreger gegenüber anderen Wirkstoffen verhielten, mit denen sie bis dahin nicht in Kontakt gekommen waren. Auf diese Weise „konnten sie feststellen, welche Resistenzbildungen zugleich eine Empfindlichkeit gegen einen anderen Wirkstoff mit sich brachten“, berichtet die CAU. Als besonders effektiv habe sich die Kombination von Antibiotika herausgestellt, die unterschiedliche Wirkmechanismen aufweisen. Insbesondere eine Kombination aus den Klassen der Aminoglykoside und Penicilline zeigte hier laut Aussage der Forscher eine überzeugende Wirkung.
Erreger in die evolutionäre Sackgasse treiben
Die Untersuchung der genetischen Grundlagen dieser Resistenzbildungen hat laut Aussage der Forscher gezeigt, „dass drei spezifische Gene des Bakteriums dafür sorgten, dass es zugleich resistent und anfällig wird.“ Dieser Effekt lasse sich auch zu einer verbesserten Antibiotikatherapie nutzen. „Durch den kombinierten oder abwechselnden Einsatz von Antibiotika mit wechselseitigen Sensitivitäten lassen sich die Keime potentiell in eine evolutionäre Sackgasse treiben“, erläutert Prof. Schulenburg.
Hoffnung auf einen Atempause bei der Resistenzbildung
Sobald die Erreger gegen das eine Mittel resistent werden, sind sie empfindlich gegen das andere und umgekehrt, erklärt Prof. Schulenburg den Effekt. Die neuen Ergebnisse aus dem Labor machen Hoffnung, dass eine gezielte Kombination der noch wirksamen Antibiotika zumindest für eine Atempause im Kampf gegen die sehr problematischen Resistenzbildungen sorgen kann, so das Fazit der Wissenschaftler. (fp)
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