Verheilt alles gut? Neuartiges Pflaster kann Wundheilung anzeigen
Forscher in der Schweiz arbeiten derzeit an einem Pflaster, das den Status der Wundheilung anzeigt, ohne dass es dafür entfernt werden muss. Vor allem die Behandlung chronischer Wunden könnte mit der neuen Entwicklung verbessert werden.
Heilungsprozess kontrollieren
Selbst bei kleineren Alltagsverletzungen ist es oft äußerst unangenehm, wenn der Verband gewechselt wird. Es ziept und zwickt, und manchmal fängt eine verschorfte Wunde auch wieder an zu bluten. Manche warten daher einfach, bis sich das Pflaster von alleine löst. Bei chronischen Wunden geht das nicht. Hier muss der Heilungsprozess regelmäßig kontrolliert werden. Eine neuartige Wundauflage soll vor einer schlechten Wundheilung warnen – ohne dass dafür der Verband entfernt werden muss.
Beim Verbandwechsel können sich Bakterien ansiedeln
Von chronischen Wunden spricht man, wenn Wunden nach mehreren Wochen nicht abheilen. Sie können zum Beispiel eine Folgeerscheinung der Diabetes oder von Durchblutungsstörungen sein.
Die Behandlung ist deutlich komplizierter als bei herkömmlichen Wunden. In der Regel muss der Wundverband regelmäßig gewechselt werden, nicht nur aus hygienischen Gründen, sondern auch, um die Wunde zu untersuchen, Abstriche zu nehmen und sie zu reinigen.
Die Haut wird auf diese Weise nicht nur unnötig irritiert; es können sich auch Bakterien ansiedeln – das Risiko für Infektionen steigt. Besser wäre es, der Verband bliebe länger auf der Haut und die Pflegenden könnten den Zustand der Wunde von außen ablesen.
Forscher arbeiten an neuer Wundauflage
In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Fortschritte bei der Behandlung solcher Wunden. So berichteten Forscher aus Leipzig und Dresden vor wenigen Monaten über ein neu konzipiertes Hydrogel, das auch zur besseren Wundheilung beiträgt.
Und Wissenschaftler der Münchener Fraunhofer-Einrichtung für Modulare Festkörper-Technologien (EMFT) haben schon vor Jahren ein Pflaster entwickelt, das die Wundheilung kontrolliert.
Wissenschaftler aus der Schweiz arbeiten nun ebenfalls an einer neuartigen Wundauflage.
Die Experten der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa entwickeln zurzeit zusammen mit der ETH Zürich, dem Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM) und dem Universitätsspital Zürich ein Hightech-System, das dem Pflegepersonal relevante Daten über den Zustand einer Wunde liefern soll, heißt es in einer Mitteilung.
Luciano Boesel von der Empa-Abteilung „Biomimetic Membranes and Textiles“, der das Projekt an der Empa koordiniert, erklärt: „Ein smarter Wundverband mit eingebauten Sensoren soll dereinst fortlaufend Aufschluss über den Stand des Wundheilprozesses geben – so muss der Verband nicht häufiger gewechselt werden als nötig.“
Das ermöglicht eine sanftere Behandlung für die PatientInnen und bedeutet weniger Aufwand für das Pflegepersonal. Weniger Aufwand bedeutet in diesem Fall auch weniger Kosten: Weltweit wurden für Wundbehandlungen im letzten Jahr 17 Milliarden US-Dollar ausgegeben.
Wundheilung in Phasen
Wenn Wunden heilen, produziert der Körper spezifische Substanzen in einer komplexen Abfolge verschiedener biochemischer Prozesse, die Stoffwechselparameter variieren. Je nach Phase steigt oder fällt etwa die Menge an Glukose und Sauerstoff, auch der pH-Wert verändert sich.
All diese Substanzen lassen sich mit speziellen Sensoren nachweisen. Dazu entwickeln die Experten ein Fluoreszenz-Messgerät, das mehrere Parameter gleichzeitig überwachen kann, das tragbar und günstig sowie einfach zu verwenden sein soll.
Es soll erlauben, den pH-Wert, den Glukose- und den Sauerstoffspiegel während der Wundheilung im Auge zu behalten. Verändern sich die Werte, erlaubt dies Rückschlüsse auf weitere biochemische Prozesse der Wundheilung.
Ganz besonders nützlich bei chronischen Wunden ist der pH-Wert. Verheilt die Wunde normal, so steigt er beispielsweise bis zu einem Wert von 8, dann sinkt er auf einen Wert von 5 bis 6. Schließt eine Wunde jedoch nicht mehr und wird sie chronisch, oszilliert der pH-Wert zwischen 7 und 8.
Es wäre also hilfreich, wenn das Pflegepersonal am Wundverband mit einem Signal darauf aufmerksam gemacht werden könnte, dass der Wert konstant hoch ist. Muss der Verband nicht ohnehin aus hygienischen Gründen entfernt werden, könnte man bei tieferen pH-Werten noch warten.
Und wie funktionieren die Sensoren? Die Idee dahinter: Treten in der Wundflüssigkeit bestimmte Substanzen auf, so reagieren „maßgeschneiderte“ fluoreszierende Sensor-Moleküle mit einem physikalischen Signal.
Sie beginnen zu fluoreszieren, und manche ändern sogar ihre Farbe im sichtbaren oder im Ultraviolett-Bereich. Dank einer Farbskala kann man schwächere und stärkere Farbveränderungen interpretieren und daraus ableiten, wie groß die Menge der abgegebenen Substanzen ist.
Leuchtende Moleküle im UV-Licht
Chemiker Guido Panzarasa von der Abteilung „Biomimetic Membranes and Textiles“ zeigt im Labor, wie eine Probe mit Sensormolekülen zu fluoreszieren beginnt. Dazu lässt er vorsichtig eine Lösung mit einem pH-Wert von 7,5 in eine Schale tropfen.
Im UV-Licht ist die Veränderung deutlich zu erkennen. Fügt er eine weitere Lösung dazu, verblasst die Leuchtkraft wieder. Ein Blick auf das Fläschchen mit der Lösung bestätigt: Der pH-Wert der zweiten Flüssigkeit ist tiefer.
Das Empa-Team hat ein Molekül entworfen, das aus Benzalkonium-Chlorid und Pyranin zusammengesetzt ist. Während Benzalkonium-Chlorid eine Substanz ist, die auch für gewöhnliche medizinische Seife verwendet wird und gegen Bakterien, Pilze und andere Mikroorganismen wirkt, ist Pyranin ein Farbstoff, der in Textmarkern zu finden ist und unter UV-Licht fluoresziert.
„Dieser Biomarker funktioniert sehr gut“, so Panzarasa, „am besten bei pH-Werten zwischen 5,5 und 7,5. Die Farben können mit einfachen UV-Lampen sichtbar gemacht werden, wie sie im Elektrogeschäft erhältlich sind.“
Ihre Ergebnisse hat das Empa-Team vor kurzem in der Fachzeitschrift „Sensors and Actuators B – Chemical“ veröffentlicht.
Das „Designer-Molekül“ hat einen weiteren Vorteil: Dank des Benzalkonium-Chlorids wirkt es auf der Haut antimikrobiell. Unerwünschte Bakterien könnten also in Zukunft durch die Wahl des richtigen Verbandmaterials bekämpft werden.
Weitere Auswertungen, etwa zur Verträglichkeit mit Zellen und Geweben, fehlen jedoch noch. Wie ihr Sensor in einer komplexen Wunde funktioniert, wissen die ForscherInnen daher nicht.
Wunde über das Smartphone überwachen
Um zu veranschaulichen, wie eine smarte Wundauflage in Zukunft praktisch aussehen könnte, legt Boesel einen Prototyp auf den Labortisch.
„Auf Wundverbänden muss nicht die ganze Fläche mit Sensoren bestückt werden. Es reicht, wenn einige kleine Zylinder mit dem Pyranin-Benzalkonium-Molekül imprägniert sind und in das Trägermaterial eingefügt werden. Das lässt die industriellen Wundverbände nicht viel teurer werden, als sie es jetzt sind. Sie werden höchstens ein Sechstel bis ein Fünftel teurer“, erklärt Boesel.
Als Panzarasa auf all die kleinen Zylinder des Wundpad-Prototyps verschiedene Flüssigkeiten mit unterschiedlichem pH-Wert tropfen lässt, erkennt man auch hier deutlich die heller und dunkler leuchtenden Punkte, sobald er die UV-Lampe anschaltet.
Sie sind sogar von bloßem Auge zu erkennen. Grell gelb leuchtet es, wenn Flüssigkeiten mit hohem pH-Wert mit dem Sensor in Kontakt kommen. Die Wissenschaftler sind sich sicher: Da der pH-Wert derart einfach ausgelesen werden kann und exakt über den sauren oder basischen Zustand der Probe informiert, eignet sich ein derartiger Wundverband gut als diagnostisches Tool.
Mit dem Fluoreszenz-Messgerät können genauere quantitative Messungen des pH-Werts für medizinische Zwecke erzielt werden.
In Zukunft könnten die Signale auch mit Hilfe einer Smartphone-Kamera ausgelesen werden, so Boesel. Kombiniert mit einer einfachen App, hätten Pflegepersonal und ÄrztInnen ein Werkzeug, mit dem sie den Wundstatus auch ohne UV-Lampe bequem „von außen“ ablesen könnten.
Auch zuhause hätten Patientinnen und Patienten dann die Möglichkeit, eine sich anbahnende chronische Wunde frühzeitig zu erkennen. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.