Neues Konzept zu Behandlung von Aortendissektion scheint effektiv zu funktionieren
Eine relativ unbekannte Erkrankung betrifft wahrscheinlich doppelt so viele Menschen, wie bisher angenommen wurde. Die sogenannte akut lebensbedrohliche Aortendissektion führt jährlich zum Tod hunderter Patienten, weil sie erst zu spät oder gar nicht erkannt wird. Die Forscher des Deutschen Herzzentrums Berlin (DHZB) entwickelten jetzt ein Konzept zur Koordination von Diagnose und Behandlung der Erkrankung. Dieses Konzept führte bereits im Jahr 2016 zu einer Rettung von deutlich mehr Menschen als in den Jahren zuvor.
Die Wissenschaftler des Deutschen Herzzentrums Berlin (DHZB) stellten bei ihrer Untersuchung fest, dass ein neues Konzept zur Diagnose und Behandlung der Aortendissektion jedes Jahr viele Menschenleben retten kann. Die Mediziner veröffentlichten eine Pressemitteilung zu den Ergebnissen ihrer Studie.
Was ist eine akute Typ A-Aortendissektion?
Der komplizierte Fachbegriff „akute Typ A-Aortendissektion“ steht für eine lebensbedrohliche Erkrankung. Bei dieser reißt die innere Wandschicht der Hauptschlagader (Aorta) direkt am Herzen ein und löst sich ab, erklären die Autoren. Der entstandene Zwischenraum füllt sich mit Blut. Der Zwischenraum vergrößert sich dann entlang der Aorta immer weiter. Durch diesen Effekt können Abzweigungen der Aorta verschlossen werden, fügen die Experten hinzu.
Unbehandelt führt die Erkrankung häufig innerhalb von 48 Stunden zum Tod
Die größte Gefahr bei einer Aortendissektion ist die Einblutung in den Herzbeutel. Solch eine Einblutung kann rasch zum Herzstillstand der Betroffenen führen, warnen die Forscher. Aus diesem Grund muss die Erkrankung so schnell wie möglich in einem spezialisierten Herzzentrum operiert werden. Wenn die Erkrankung allerdings unbehandelt bleibt, führt sie in einem Großteil der Fälle innerhalb von 48 Stunden zum Tod des Erkrankten, erläutern die Autoren.
Untersuchung mit einem Computertomographen kann die Krankheit erkennen
Eine schnelle und sichere Diagnose der akuten Aortendissektion ist leider nicht unkompliziert. Die Symptome (vor allem ein heftiger Schmerz in der Brust) können sogar von erfahrenen Notärzten als Anzeichen eines Herzinfarktes missinterpretiert werden, erklären die Forscher. Eine Untersuchung mit dem Computertomographen (CT) kann für Klarheit sorgen. Solch eine Technologie steht allerdings nicht überall rechtzeitig zur Verfügung.
Folgen einer falschen Behandlung
Wird eine Aortendissektion behandelt wie ein Herzinfarkt, kann das fatale Folgen haben, erklärt Stephan Kurz vom DHZB. Ein Herzinfarkt ist die Folge eines Blutgerinnsels und wird deshalb mit Medikamenten behandelt, die das Blut verdünnen, sagen die Mediziner. Bei der Aortendissektion werde die Blutung dadurch noch zusätzlich beschleunigt. Dies kann die weitere Versorgung erheblich erschweren, fügt der Experte hinzu.
Mediziner untersuchten die Daten von über 1.600 Patienten
Für ihre Untersuchung analysierten die Forscher der Klinik für Herz,-Thorax- und Gefäßchirurgie am DHZB die Patientenakten und Notarztprotokolle von über 1.600 Patienten, welche wegen einer akuten Typ A-Dissektion behandelt wurden. Außerdem wurden noch über 14.000 Autopsieberichte aus dem Institut für Rechtsmedizin der Charité und dem Fachbereich Pathologie des sogenannten Vivantes-Netzwerks ausgewertet, berichten die Wissenschaftler. So sollte erfasst werden, wie viele Patienten in Berlin und Brandenburg insgesamt an einer Aortendissektion verstorben sind. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt.
Eine Aortendissektion tritt mehr als doppelt so oft auf wie bisher angenommen wurde
Es wurde festgestellt, dass die mittlere Zeit vom Auftreten der ersten Symptome bis zum Beginn der Operation bei über acht Stunden liegt. Außerdem konnten die Forscher herausfinden, dass eine Aortendissektion mit hoher Wahrscheinlichkeit viel häufiger auftritt als bisher angenommen wurde. Jährlich gibt es laut den Angaben des statistische Bundesamts 4,6 Fälle unter 100.000 Einwohnern. Die Hochrechnung der in der Studie erhobenen Daten ergibt allerdings einen mehr als doppelt so hohen Wert (11,9 Fälle), erklären die Forscher. Die Wissenschaftler berichten weiter, dass sie von einer Dunkelziffer von über 200 Menschen ausgehen, welche jedes Jahr in Berlin und Brandenburg durch die Erkrankung verstarben. Der Grund dafür ist die zu späte Diagnose oder die falsche Behandlung der akuten Aortendissektion, so Autor Stephan Kurz.
Medizinische Hotline soll Ärzte unterstützen
Eine medizinische Hotline für alle Berliner und Brandenburger Ärzte soll jetzt koordinierend und beratend rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Die Zeit vom Ereignis bis zur OP werde so entscheidend verkürzt. Unter einer einheitlichen Nummer steht rund um die Uhr ein Facharzt für Anästhesie oder Herzchirurgie als Ansprechpartner für das Personal der regionalen Rettungsstellen zu Verfügung, erklären die Wissenschaftler. Kollegen vor Ort können so unterstützt werden und zusätzlich werde die Vorbereitung des Eingriffs am DHZB effektiver koordiniert. Es wurden Standardverfahren erarbeitet und mit den zuständigen Rettungsdiensten, Notärzten und Rettungsstellen abgestimmt, sagen die Mediziner. So seien diese Experten weiter für die Erkrankung sensibilisiert worden.
Abläufe wurden optimiert
Die Abläufe von Aufnahme, Anästhesie, operativer Versorgung und die Weiterbehandlung auf der Intensivstation am DHZB wurden weiter verbessert und standardisiert, berichten die Autoren. Eine Notfall-Website des DHZB stelle außerdem Leitlinien zur schnelleren Übermittlung von Daten über Patienten und Behandlung zur Verfügung. Das neu ausgearbeitete Konzept habe bereits zu einer deutlichen Verbesserung der Diagnostik und Erstversorgung der Aortendissektion geführt, erklären die Forscher. Die Zahl der wegen einer akuten Typ A-Dissektion operierten Patienten stieg am DHZB von durchschnittlich 80 Fällen in den Vorjahren auf 138 Fälle im Jahr 2016. Dies entspreche einer Zunahme von mehr als 70 Prozent. Außerdem konnte die Zeit vor dem Eintreten der ersten Symptome bis zum Operationsbeginn um durchschnittlich 20 Prozent reduziert werden, erläutern die Autoren. Normalerweise hätten viele Patienten ohne die verbesserte Diagnose und effiziente Verlegung ins DHZB nicht überlebt, erklärt der Klinikdirektor Prof. Dr. Volkmar Falk.
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.