Erdnussallergie durch frühen Konsum von Erdnüssen vermeiden?
27.02.2015
Erdnussallergien zählen zu den besonders häufigen Allergien, weshalb in den vergangenen Jahren verstärkte Maßnahmen zur Prävention diskutiert und umgesetzt wurden. Hierzu zählten unter anderem Ernährungsempfehlungen, die eine Meidung der Erdnüsse in der Schwangerschaft, Stillzeit und im Säuglingsalter anraten. Dennoch nahmen die Erdnussallergien in den vergangenen zehn Jahren weiterhin stark zu. Nun kommt eine umfassende Studie britischer Forscher zu dem Ergebnis, dass der frühzeitige Konsum von Erdnüssen das Allergie-Risiko nicht erhöht, sondern stattdessen deutlich reduziert.
Die bahnbrechenden neuen Erkenntnisse aus der Allergieforschung legen den Schluss nahe, dass der Kontakt mit potenziellen Allergenen bei Kindern zum Allergieschutz beiträgt, anstatt das Allergie-Risiko zu erhöhen. Bisheriger Empfehlungen, die Schwangeren und Kleinkindern einen möglichst geringen Kontakt mit Allergenen anraten, müssen nach Ansicht der Forscher grundsätzlich überarbeitet werden. Die vielfach angeratene Meidung der Erdnüsse könnte ihrer Einschätzung nach einen wesentlichen Anteil an dem Anstieg der Erdnussallergien in den vergangenen zehn Jahren gehabt haben. Hierzulande seien heute rund 0,5 Prozent der Kinder von einer Erdnussallergie betroffen, berichtet die Nachrichtenagentur „dpa“ unter Berufung auf Prof. Kirsten Beyer von der Berliner Charité. Noch vor 20 Jahren habe es in Deutschland kaum Erdnussallergien gegeben.
Durchbruch in der Allergieforschung
Das Forscherteam um Professor Gideon Lack vom Kings College London stellte am Montag die Ergebnisse der sogenannten LEAP-Studie (LEAP = Learning Early About Peanut Allergy) auf der Hauptversammlung der American Academy of Allergy, Asthma & Immunology der Öffentlichkeit vor und verwies auf deren Bedeutung für die künftige Allergieprävention. Der Univ.–Prof. Zsolt Szepfalusi von der Uni-Kinderklinik an der MedUni Wien hierzu von dem „Kurier.at“ mit der Aussage zitiert, dass es „so einen Durchbruch in der Allergieforschung in den letzten 30 oder 40 Jahren nicht mehr“ gegeben habe. Publiziert wurde die Studie in dem renommierten „New England Journal of Medicine“.
Verdopplung der Erdnussallergien in den letzten zehn Jahren
Die Wissenschaftler des Immune Tolerance Network haben im Rahmen der LEAP-Studie über Jahre die Auswirkungen des frühen Verzehrs von Erdnüssen auf das spätere Allergie-Risiko analysiert. Nun liegen die Ergebnisse der ersten randomisierten Studie zur Prävention der Nahrungsmittelallergie mittels Aufnahme von Allergenen in einer großen Kohorte von Hochrisiko-Kindern vor, berichten Professor Lack und Kollegen. Grundsätzlich sei die Erdnussallergie eine anomale Reaktion des körpereigenen Immunsystems auf harmlose Erdnussproteine in der Ernährung. Mögliche Symptome sind Nesselfieber, Atemnot, Übelkeit und Erbrechenoder gar ein lebensbedrohliche anaphylaktische Schock reichen. Bisher habe hier die Annahme gegolten, dass durch den Kontakt ein steigendes Allergie-Risiko bedingt werde, berichten die Forscher weiter. Doch obwohl vielfach die Vermeidung von Erdnüssen während der Schwangerschaft, Stillzeit und Kindheit empfohlen werde, habe sich die Prävalenz der Erdnussallergien in den letzten zehn Jahren in den USA und anderen Ländern verdoppelt.
Mehr als 600 Kinder mit hohem Allergie-Risiko untersucht
Die Forscher gingen in der LEAP-Studie daher der Hypothese nach, dass der regelmäßige Verzehr von erdnusshaltigen Produkten in der Kindheit, eine schützende Immunantwort statt einer allergischen Immunreaktion hervorruft. Über 600 Kinder im Alter zwischen vier und elf Monaten mit hohem Risiko für eine Erdnuss-Allergie wurden im Rahmen der Studie in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt regelmäßig erdnusshaltige Snacks, währen die andere Erdnüsse komplett vermied. Bis zum Alter von fünf Jahren beobachteten die Forscher die Allergie-Entwicklung der Kinder beider Gruppen. Der anschließende Vergleicht verdeutlichte die präventive Wirkung der frühzeitigen Allergen-Exposition.
Früher Konsum von Erdnüssen verhindert Erdnussallergien
Von den Kindern, die Erdnüsse vermieden, entwickelten 17 Prozent bis zum Alter von 5 Jahren eine Erdnussallergie, während nur drei Prozent der Kinder, die Erdnuss-Snacks erhielten, eine Erdnussallergie zeigten, schreiben Professor Lack und Kollegen. Insgesamt habe bei Säuglingen mit hohem Allergie-Risiko der anhaltende Konsum von Erdnüssen beginnend in den ersten elf Lebensmonaten sehr effektiv zu einer Verhinderung der Entwicklung von Erdnussallergien beigetragen, berichten die Forscher weiter. Anthony Fauci, Leiter des US-Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID), das die Studie mitfinanziert hat, erklärte hierzu, die Ergebnisse hätten das Potenzial, unsere Haltung zur Prävention von Lebensmittelallergien zu verändern.
Meidung der Allergene Ursache für den Anstieg der Allergien?
„Seit Jahrzehnten empfehlen Allergologen für junge Säuglinge die Vermeidung von allergenen Lebensmitteln wie Erdnüssen, um Nahrungsmittelallergien zu verhindern“, doch die aktuellen „Ergebnisse legen nahe, dass dieser Rat falsch war und zum Anstieg der Erdnuss- und anderer Nahrungsmittelallergien beigetragen haben kann“, so Professor Lack. Die Resultate der Studie werden auch von Prof. Kirsten Beyer als äußerst spannend bewertet. „Das sind die ersten Ergebnisse einer großen Studie, die belegen, dass die frühzeitige Gabe von hochallergenen Stoffen eine Allergie verhindern kann“,zitiert die „dpa“ die Expertin. Allerdings müssten die Ergebnisse zunächst in weiteren Studien überprüft werden, bevor hieraus generelle Empfehlungen abgeleitet werden können.
Überarbeitung der Ernährungsempfehlungen erforderlich
Gegenüber dem „Kurier“ erläutert der Allergologe Zsolt Szepfalusi, dass angesichts der neuen Studienergebnisse „in den Ernährungsempfehlungen zur Allergievermeidung für Kinder demnächst einige gravierende Veränderungen“ zu erwarten seien. Im Prinzip bedürfe es einer Kehrtwendung der Gesamtstrategie. „Jetzt müssen wir unsere Strategie noch mehr in Richtung einer frühzeitigen Exposition mit Allergenen ändern“, so Szepfalusi, der erst kürzlich an der Vorstellung neuer Allergie-Empfehlungen beteiligt war. Diese hatten bereits die Aufnahme von Allergenen über die Beikost freigegeben, wohingegen zuvor eine komplette Meidung der der potenziellen Allergieauslöser in der Schwangerschaft und im Säuglingsalter galt. „Jetzt werden wir wohl mehr Gewicht darauf legen, dass sie es nicht nur dürfen, sondern ausdrücklich sollen“, zitiert der „Kurier“ den Allergologen. Dies sollte den aktuellen Studienergebnissen zufolge insbesondere für Kinder mit hohem Allergie-Risiko gelten.
Verbesserung der Allergieprävention
Zwar bezieht sich die LEAP-Studie ausdrücklich auf das Risiko einer Erdnussallergie, doch der Szepfalusi hofft, dass die Ergebnisse auch auf andere Allergene wie Milch, Eier und Weizen übertragbar sind. Insgesamt könnten die neuen Erkenntnisse nicht nur nach Auffassung der Wissenschaftler des Immune Tolerance Network zu einer deutlichen Verbesserung der Allergieprävention beitragen. (fp)
: Joujou / pixelio.de
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