Im Ausland eingefangene gefährliche Keime können sich in deutschen Krankenhäusern leicht verbreiten
11.04.2015
Immer wieder stecken sich Patienten in Krankenhäusern mit sogenannten multiresistenten Keimen an, gegen die kaum ein Antibiotikum mehr wirksam ist. Aber woher kommen die gefährlichen Erreger? Forscher des Universitätsklinikums Leipzig gingen dieser Frage nach und kamen zu dem Ergebnis, dass die Keime häufig von Reisenden aus Ländern mit starker Verbreitung multiresistenter Bakterien eingeschleppt werden. Experten fordern nun bessere Hygienemaßnahmen in deutschen Kliniken und ein Patienten-Screening nach niederländischem Vorbild.
Touristen schleppen multiresistente Keime unbemerkt ein
Die Leipziger Wissenschaftler verglichen zwischen Mai 2013 und April 2014 die Daten von 225 Menschen, die sich zuvor in Gebieten mit starker Verbreitung der gefürchteten Keime aufgehalten haben. Wie sich herausstellte, wurden bei fast jedem Dritten von kapp 200 Reisenden Kolibakterien mit Resistenzfähigkeit nachgewiesen. Darunter waren auch elf von 15 Personen, die nach Indien gereist waren. Zwar erkrankte keiner der Studienteilnehmer an den Keimen, jedoch sei die Gefahr, die gefährlichen Erreger unbemerkt in ein Krankenhaus einzuschleppen groß, berichten der Infektiologe Christoph Lübbert und seine Kollegen im Fachmagazin „International Journal of Medical Microbiology”. Deshalb müsse der Kampf gegen die Keime global geführt werden. „Die aktive Überwachung und Vorsichtsmaßnahmen zur Kontaktisolation sollten vor allem für Patienten, die in den vergangenen sechs Monaten nach Indien und Südostasien gereist sind, für den Zugang zu medizinischen Einrichtungen empfohlen werden“, schreiben die Forscher.
Der Stiftung Patientenschutz geht diese Empfehlung nicht weit genug. Sie fordert ein Screening für alle Patienten, die in einer Klinik aufgenommen werden. „Wir laufen ja der Infektion hinterher”, erklärte Stiftungsvorstand Eugen Brysch gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Das Risiko, an einer Infektion mit multiresistenten Keimen zu erkranken, sei derzeit groß. „Das ist ein Grundproblem, dem wir uns stellen müssen.” Brysch rät dazu, zunächst bei jedem Patienten vorsorglich davon auszugehen, dass er einen gefährlichen Keim, mit dem er andere anstecken könnte, in sich trägt.
Peter Walger, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGHK) spricht sich gegen ein generelleres Screening aus. Denn eine solche Untersuchung würde hohe Kosten und einen Datenwust verursachen. Ein Screening dürfe nur angewendet werden, wo es sinnvoll sei. „Wir brauchen nicht zu wissen, wer draußen mit multiresistenten Keimen rumläuft, weil von ihnen keine Gefahr ausgeht. Wenn man sich an die Basishygiene hält, kann man die Keime außerdem gut beherrschen”, so Walger gegenüber der Nachrichtenagentur. Vielmehr müsse man sicherstellen, dass jene Patienten, die Träger multiresistenter Keime seien, bei der Aufnahme in ein Krankenhaus identifiziert würden. „Wir sagen: Wir wollen Risikopatienten testen.” Dazu zählten neben Reisenden auch Patienten, die aus anderen Kliniken innerhalb Deutschlands verlegt würden.
Deutsche Kliniken dürfen selbst über Vorbeugemaßnahmen gegen Keime entscheiden
Die rechtliche Situation ermöglicht es jeder Klinik selbst darüber zu entscheiden, wie sie gegen die Keime vorbeugt. So rief das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein in Koblenz im vergangenen Herbst eine Aktion unter dem Motto „Touch hearts, not hands” („Berühre Herzen, nicht Hände”) ins Leben, bei der die Kinderklinik des Krankenhauses ankündigte, Eltern und Patienten nicht mehr die Hand zu geben.
Ganz anders handhaben niederländische Kliniken den Umgang mit dem Keim-Risiko. Dort gibt es zwar auch kein generelles Screening, jedoch wird jeder Patient, der zu einer Risikogruppe gehört, getestet, erläutert Alexander Friedrich, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Groningen in den Niederlanden gegenüber der Nachrichtenagentur. Das niederländische Gesundheitssystem sei auf Infektionsprävention ausgerichtet. „In Holland setzen wir auf Hygiene, weise Antibiotika-Behandlung und die Sichtbarmachung von Erregern, bevor jemand erkrankt.” In jedem Krankenhaus gibt es zudem einen hauptamtliche Krankenhaushygieniker, in Deutschland ist das bisher nicht der Fall.
Friedrich zufolge gelten Patienten aus Deutschland immer als Risikopatienten aufgrund der mangelnden Infektionsprävention. In den Niederlanden gebe es nur sporadisch auftretende importierte Keimbesiedlungen, aber keine überregionalen Ausbrüche wie in Deutschland.
Im den Grenzregionen treten die Unterschiede kaum zutage, da es dort fast keine multiresistenten Keime gibt. „Wir wollen dafür sorgen, dass diese Region die letzte ist, in der sich diese Erreger ausbreiten”, so Friedrich. „Der Rest soll sich daran orientieren können, statt die Keime einfach zu akzeptieren.” (ag)
: Sebastian Karkus / pixelio.de
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