Zahnarzt muss psychisch krankem Mann 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen
16.04.2015
Ein Münchner Zahnarzt muss einem 28-jährigen Mann aus Kassel 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Der Grund: Der Mediziner hatte einem Patienten die letzten 19 Zähne gezogen, obwohl dieser aufgrund einer psychischen Erkrankung keine rechtsgültige Einwilligung geben konnte.
Zahn-Extraktion erfordert gültige Einwilligung des Patienten
Soll beim Zahnarzt ein Zahn gezogen werden, ist eine medizinische Indikation oder zumindest eine gültige Einwilligung des Patienten erforderlich. In diesem Zusammenhang musste sich nun das Oberlandesgericht München mit einem Fall beschäftigen, den andere Menschen nur aus Albträumen kennen. Wie die „Abendzeitung“ berichtet, hatte sich ein 28-jähriger psychisch kranker Mann 2013 von einem Münchner Zahnarzt die letzten 19 Zähne ziehen lassen und dafür insgesamt 2047 Euro gezahlt. Der Mann hatte dies gewünscht, da er davon ausging, dass seine Zähne für seine Potenzprobleme verantwortlich seien, so der Bericht.
Behandlungsleistung angeblich „lege artis“ erbracht
Aus Sicht des 57-jährigen Dentisten sei dies kein Vergehen gewesen, denn er habe die Behandlungsleistung wie gewünscht pflichtgemäß erbracht („lege artis“), so die „Abendzeitung“ weiter. Die Indikation für die Extraktion der Zähne hatte sich dabei laut dem Mediziner aus dem psychischen Grundleiden des Klägers ergeben, zudem hätten bei dem Mann eine Entzündung des Knochenmarks (Osteomyelitis), Allergien und Autoimmunerkrankungen vorgelegen. Darüber hinaus hätte der Mann auf seine alten Zahnfüllungen mit „schwerwiegenden Krankheitszuständen“ reagiert, wodurch die Entfernung der Zähne eine Erleichterung gebracht habe. Ein weiterer Grund, der nach Meinung des Beklagten für die Richtigkeit des Eingriff gesprochen habe.
Arzt hätte Situation des Patienten erkennen müssen
Das Problem: Ein Gutachten hatte in erster Instanz ergeben, dass für den massiven Eingriff des Zahnarztes keinerlei medizinische Indikation vorgelegen habe. Aus diesem Grund entschied das Landgericht zugunsten des kranken Mannes und verurteilte den Dentisten zu einer Zahlung von 20. 000 Euro Schmerzensgeld sowie der Erstattung sämtlicher materieller und immaterieller Schäden. Da der Mann unter einer schizophrenen Psychose leidet, sei er nicht in der Lage gewesen, eine rechtsgültige Einwilligung zu geben. Dies hätte der Arzt erkennen können, so der Richter laut der „Abendzeitung“. Stattdessen müsse der Patient nun mit den Folgen des Eingriffs leben: „Der junge Mann ist zeitlebens auf eine Prothese angewiesen“, erklärte der Vorsitzende Richter Wilhelm Schneider die gravierenden Folgen. Da an dem Urteil aus Sicht des Senats wenig auszusetzen sei, appellierte der Richter schließlich eindringlich an den Beklagten, die Berufung zurückzunehmen – was der Arzt schließlich auch akzeptierte. (nr)
>Bild: Tim Reckmann / pixelio.de
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