Was gegen chronisches Zähneknirschen hilft
16.04.2015
Etwa acht Prozent der Deutschen knirschen nachts mit den Zähnen. Manche von ihnen bemerken es lange nicht. Zähneknirschen kann zu zahlreichen gesundheitlichen Folgeschäden führen. Verspannungen und Kopfschmerzen machen sich meist schnell bemerkbar. Gegen das Problem, das medizinisch Bruxismus genannt wird, gibt es gute Therapiemöglichkeiten.
Acht Prozent der Deutschen knirschen mit den Zähnen
Etwa acht Prozent der deutschen Erwachsenen knirschen nachts mit den Zähnen. Das Zähneknirschen, medizinisch Bruxismus genannt, raubt zwar manchen Menschen den Schlaf, doch andere bemerken es lange gar nicht. Es kann zu zahlreichen gesundheitlichen Folgeschäden führen. Zu den Ursachen von Bruxismus zählen unter anderem Stress und Angst. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet in einem aktuellen Beitrag über das Zähneknirschen und was dagegen unternommen werden kann.
„Die Zähne werden kürzer“
„Ich bin oft morgens mit verkrampftem Kiefer und Nacken und häufig auch mit Kopfschmerzen aufgewacht“, erläuterte Christine Vogel gegenüber der Agentur. Seit 20 Jahren knirscht sie mit den Zähnen. Laut der Bundesärztekammer mahlt etwa jeder zehnte Deutsche so sehr im Schlaf mit den Zähnen, dass er zum Arzt muss. Man beißt beim Knirschen unbewusst mit den Zähnen hin und her. Andere beißen im wahrsten Sinne des Wortes die Zähne zusammen und pressen mit der Zunge gegen die Zahnreihen oder saugen ihre Wangen ein und beißen auf den Innenseiten herum. Das hinterlässt Spuren: „Die Zähne werden kürzer, es gibt kein Fissurenrelief mehr, die oberste Schicht wird auf Dauer weggerieben“, erläuterte Thomas Wolf vom Bundesvorstand des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte (FVDZ) in Bonn.
Zahlreiche gesundheitliche Folgeschäden
Wenn die oberste Schicht weggeschmirgelt ist, liegt das Dentin frei, in dem Nervenweiterleitungen sind, sodass die Zähne immer empfindlicher werden. Wolf ergänzte: „Je mehr man knirscht oder presst, desto mehr nähert man sich dem Nerv.“ Im schlimmsten Fall kann sich sogar der Kieferknochen verändern, die Zähne können sich lockern und schließlich ausfallen. Zudem können die Zähne durch das Aufeinanderpressen zerbröselt werden. Sowohl Knirschen als auch Pressen geschehen mit einem unglaublichen Druck, wodurch die Muskulatur im Gesicht, hier vor allem im Kiefer, aber auch im Nacken, in der Schulter bis weiter den Rücken hinunter verhärtet. Daher führt Bruxismus häufig zu gesundheitlichen Folgeschäden wie Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Schulterschmerzen und Schmerzen an der Beckenmuskulatur. Aber auch Ohrensausen, Sehstörungen, Schwindel und Übelkeit treten oft auf.
Stress kann Zähneknirschen verursachen
Dagmar Schlaubitz vom Deutschen Verband für Physiotherapie, die sich auf die Behandlung von Zähneknirschern und -pressern spezialisiert hat, erklärte: „Der Kiefermuskel ist einer der stärksten Muskeln im Körper.“ Es kommt durch die verhärteten Muskeln oft zu Kopfschmerzen, zu Tinnitus und Sichtfeldeinschränkungen. Betroffene bekommen den Mund nur mit Schmerzen und Knacken weiter geöffnet, das Kiefergelenk wird geschädigt. Wolf erläuterte, dass die Ursache eine Zahn- oder Kieferfehlstellung sein kann, etwa wenn das Kiefergelenk nicht richtig steht. „Auch kann ein ungleiches Verhältnis der Muskeln und Bänder vorliegen, zum Beispiel, wenn man immer nur auf einer Seite kaut.“ Die Lebensumstände können ebenfalls eine Rolle spielen. Wer beruflich oder privat unter starkem Stress steht, knirscht eher.
Physiotherapie gegen die akuten Schmerzen
Der Zahnarzt lässt normalerweise eine Aufbissschiene anfertigen, um die Zähne zu schützen. „Es gibt auch spezielle Schienen, die die Schiefstellung vom Kiefergelenk korrigieren oder es besser positionieren“, so Wolf. „Die Schienen sollten alle halbe Jahre überprüft werden.“ Zur Linderung der akuten Schmerzen bietet sich Physiotherapie an. „Gut geeignet ist manuelle Therapie“, sagte Schlaubitz. „Es geht zunächst darum, die Spannung herauszuholen und den Muskel zu lockern.“ Die Ursache ist damit aber nicht behoben. Betroffene brauchen auf Dauer Möglichkeiten zum Abschalten und Loslassen. Man sollte außerdem seine Wahrnehmung schärfen und beobachten, wann auch tagsüber die Zähne aufeinanderliegen. Zähne haben eigentlich nur beim Essen miteinander Kontakt, im entspannten Zustand nie.
Nicht verdrängen und runterschlucken
Thomas Wolf behandelt seine Patienten mit der sogenannten Hypnotherapie, also Hypnose. „Es geht darum, zu sehen, wann es mit dem Knirschen losging und was zu der Zeit im Leben passiert ist“, erklärte der Zahnarzt. Oft hilft Betroffenen auch der Austausch mit einem Psychotherapeuten. „Man glaubt ja gar nicht, wie gut wir Knirscher verdrängen können“, sagte Christine Vogel. „In unangenehmen Situationen sagte ich mir „Das macht doch nichts“, aber eigentlich war ich sauer, aufgewühlt, wütend, gab es aber vor mir selbst nicht zu.“ Es helfe, herauszufinden, was einen wann unter Druck setzt. „Dann muss man einen Weg finden, mit den Situationen oder Menschen anders umzugehen. Bloß nicht weiter runterschlucken.“
Einfache Übungen gegen das Knirschen
Zudem kann man dem Knirschen auch mit einigen einfachen Übungen etwas entgegensetzen. Beispielsweise kann man den Mund mehrmals am Tag öffnen und damit die Muskulatur dehnen. Schlaubitz empfiehlt, sich Übungen vom Physiotherapeuten zeigen zu lassen. Da auch Stress oft eine Ursache für Zähneknirschen ist, bieten sich zudem Entspannungsübungen zum Stressabbau an. Experten raten in diesem Zusammenhang unter anderem zu Methoden wie Yoga, Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen. Zudem ist es umso besser, je eher man sich mit verspanntem Nacken und Kopfweh an einen Zahnarzt wendet. Christine Vogel, die heute noch bei extremer Belastung knirscht und dann ihre Beißschiene einsetzt, erläuterte: „Beschwerden wie Tinnitus, Kopf- und Nackenschmerzen und schlechter Schlaf sind bei mir verschwunden.“ (ad)
>Bild: Harry Hautumm / pixelio.de
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