Darmflora verarmt: Wie uns westlicher Lebensstil krank macht
Schon lange warnen Experten, dass unser westlicher Lebensstil eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Krankheiten spielt. So sind etwa Bluthochdruck oder Stoffwechselstörungen in den Industrienationen weit verbreitet. Forscher haben nun die Darmflora von Menschen verschiedener Kulturen untersucht und stellten erstaunliches fest.
Ursachen von Zivilisationskrankheiten auf der Spur
Mehrere Studien haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Bakterien im Verdauungstrakt einen wichtigen Einfluss auf Gesundheit und Wohlbefinden des Menschen haben. Vor allem geht es dabei um die Darmflora. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, haben Biologen begonnen, die Bakterien zu vergleichen, die in den Bäuchen von Menschen in verschiedenen Teilen der Welt leben. Dies soll dabei helfen, den Ursachen von Zivilisationskrankheiten wie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Diabetes, Fettleibigkeit (Adipositas) oder Allergien auf die Spur zu kommen. Offenbar haben die Menschen in der sogenannten „westlichen“ Welt weniger Bakterien in ihrem Bauch. Wie zwei Studien zeigen, verringert der westliche Lebensstil die Vielfalt der Mikroorganismen im Darm.
Größte bekannte mikrobiologische Darmvielfalt
In einer Studie wurde die Darmflora isoliert lebender Gruppen auf Papua-Neuguinea und im Amazonasgebiet untersucht. Die Forscher fanden in den Bäuchen von Menschen aus Neuguinea eine deutlich größere Artenvielfalt als in denen von jungen Leuten, die in den USA studieren. In der zweiten Studie berichten die Wissenschaftler von den Yanomami-Indianern, die im Amazonasgebiet von Venezuela leben. Wie es heißt, hätten diese Menschen vermutlich die größte bisher bekannte mikrobiologische Darmvielfalt.
Stuhlproben analysiert und verglichen
Ein internationales Forscherteam, geleitet von Andrew Greenhill von der Federation University Australia und Jens Walter von der kanadischen University of Alberta, untersuchte in Papua-Neuguinea die Darmflora von 40 Menschen, die den beiden Gruppen der Asaro und Sausi angehören. Diese leben im Inneren des Landes von Landwirtschaft, ohne zentrale Wasser- oder Stromversorgung. Die auf das Erbgut verschiedener Organismen analysierten Stuhlproben von jeweils 20 Vertretern beider Gruppen wurden verglichen mit der Darmflora von 22 Studenten an US-Universitäten, die aus verschiedenen Ländern kamen. Dabei fanden die Forscher 47 Mikroben, die in Neuguinea in jedem Darm vorkamen, bei den Studenten in den USA jedoch nie zu finden waren. Wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Cell Reports“ berichten, hatten diese umgekehrt aber nur vier wichtige Bakterienstämme exklusiv. Die Unterschiede zwischen den Menschen aus Papua-Neuguinea waren trotz der größeren bakteriellen Vielfalt deutlich geringer als die zwischen den Amerikanern.
Nicht nur die unterschiedliche Ernährung spielt eine Rolle
Die Biologen nehmen an, dass nicht nur die unterschiedliche Ernährung der untersuchten Gruppen eine Rolle spielt. Wegen der Lebensweise könnten sich die Darmbakterien auf Neuguinea besser von Mensch zu Mensch verbreiten, da sie enger miteinander in Kontakt sind und in einer Umgebung leben, die nicht keimfrei ist. „Die Ergebnisse legen nahe, dass die Lebenspraxis, die Verbreitung von Bakterien reduziert – vor allem durch Hygiene und Trinkwasseraufbereitung –, ein wichtiger Grund für die Unterschiede im Mikrobiom ist“, erklärte Studienleiter Jens Walter.
Geringere Biodiversität bei den Mikroorganismen
Forscher um Gloria Dominguez-Bello von der New York University School of Medicine berichten im Fachjournal „Science Advances“ über ein ähnliches Resultat bei den Yanomami in Venezuela. Die Yanomami, die als Jäger und Sammler leben, hatten den Angaben zufolge bis zum Jahr 2009 keinen bekannten Kontakt zur westlichen Zivilisation. Mediziner sammelten bei der ersten Begegnung Speichel-, Haut- oder Stuhlproben von 34 Yanomami. Die Wissenschaftler stellten bei der Auswertung fest, dass diese Indianer selbst gegenüber anderen recht isoliert lebenden Gruppen in Südamerika und Afrika eine besonders große Vielfalt an Mikroorganismen beherbergen. US-Bürger haben im Vergleich zu ihnen eine um 40 Prozent geringere Biodiversität bei den Mikroorganismen auf der Haut und im Darm. Die Darmflora variiert offenbar auch je nach Klimazone. Zu diesem Ergebnis kamen im vergangenen Jahr die beiden Wissenschaftler Taichi Suzuki von der University of California in Berkeley und Michael Worobey von der University of Arizona in Tucson, die Daten von sechs zurückliegenden Studien berücksichtigten. Demnach fänden sich im Mittel in kälteren Regionen mehr Bakterien, die ein höheres Gewicht verursachen.
Fäkal-Transplantation gegen Darmerkrankungen
Seit Jahren ist die Bedeutung von Darmbakterien für die Gesundheit gut belegt. So hatte etwa eine Studie 2014 gezeigt, dass bestimmte Bakterien bei Allergien helfen können. Clostridia-Bakterien verringerten bei Versuchen mit Mäusen die Sensibilität für allergieauslösende Stoffe. Aus der Erkenntnis, dass eine größere Vielfalt der Bakterien ein gesundheitlicher Vorteil sein kann, wurde mittlerweile auch eine medizinische Therapie entwickelt, die sogenannte Fäkal-Transplantation. Dabei bekommen Patienten Stuhl aus dem Darm gesunder Menschen in Form von Kot-Kapseln übertragen. Die darin enthaltenen Bakterien sollen die aus dem Gleichgewicht geratene Darmflora wieder beruhigen. Manche Mediziner setzen bei Darmerkrankungen auf diese Stuhltransplantation statt Antibiotika, da die Behandlung mit den Medikamenten häufig Symptome wie stechende Bauchschmerzen, Durchfall und Fieber hervorruft. In der Naturheilkunde bieten sich zur Darmsanierung beziehungsweise zur Darmflora aufbauen verschiedene Methoden wie etwa Schüssler Salze an. Auch eine ausgewogene, basische Kost spielt dabei eine wichtige Rolle. (ad)
/span>
Bildnachweis: Martin Büdenbender / pixelio.de
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.