Kann Dehnen helfen um einen Muskelkater vorzubeugen?
Sport ist gesund: Darüber sind sich Experten einig. So kann regelmäßige Bewegung unter anderem dazu beitragen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu mindern. Uneinig sind sich Fachleute allerdings, wenn es um das Dehnen vor dem Sport geht.
Beim Thema Dehnen sind sich Experten uneinig
Darüber, dass Sport gesund ist, sind sich die meisten Experten einig. Regelmäßige Bewegung kann beispielsweise dazu beitragen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Herzinfarkt zu mindern. Zudem leiden Sportler seltener an Übergewicht oder Adipositas. Wenn es ums Dehnen geht, herrscht unter Fachleuten jedoch keine Einigkeit. Sportwissenschaftler und Trainer sahen im Dehnen lange Zeit eine leistungssteigernde Allzweckwaffe. Es stand im Ruf Verletzungen vorzubeugen und vor Muskelkater zu schützen. Wie die Nachrichtenagentur dpa in einer aktuellen Meldung zum Thema berichtet, belegen wissenschaftliche Studien jedoch weder eindeutig einen Verletzungsschutz noch eine Verhinderung von Muskelkater.
Dehnen kann auch „kontraproduktiv sein“
„Es gibt Sportarten, bei denen das Dehnen vorher sogar kontraproduktiv sein kann“, erklärte Ingo Froböse, Professor am Institut für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln, gegenüber der Agentur. Zum Beispiel bei Fußball oder anderen Aktivitäten, bei denen Schnellkraft gefragt ist. Der Experte sieht auch bei Maximalbelastungen wie Gewichtheben den gedehnten Muskel eher geschwächt. Aufwärmen vor dem Sport – egal bei welcher Sportart – ist wichtiger. Meist genügt es dabei, die sportarttypische Bewegung langsam und mit geringer Intensität auszuführen. „Wenn Sie also Joggen wollen, laufen Sie die ersten fünf Minuten einfach ruhiger. Das reicht schon als Verletzungsschutz“, erläuterte Froböse.
Ältere Menschen und Stressgeplagte sollten dehnen
Etwas gelassener sieht das Jürgen Freiwald, der den Arbeitsbereich Bewegungswissenschaft an der Universität Wuppertal leitet. Wenn sich Freizeitsportler nach dem Dehnen besser fühlen, sollten sie dies ruhig machen. „Mit Dehnen vor dem Sport büße ich zwei bis fünf Prozent meiner maximalen Leistung ein. Dieser Leistungsbereich ist für Freizeitsportler irrelevant.“ Insbesondere Senioren und von Stress geplagten Menschen rät er zum Dehnen: Es „kann beweglicher machen oder die Beweglichkeit erhalten“. Von Sportwissenschaftlern wird das flexible, dynamische Dehnen als Vorbereitung auf den Sport im Rahmen des Aufwärmens bevorzugt. Freiwald erklärte, dass nach einem harten Arbeitstag aber auch das statische Dehnen, das sogenannte Stretching, sinnvoll sei. Der Kopf steuert die Muskeln und die Muskeln den Kopf. Das kann man bei Entspannungsübungen wie bei Yoga spüren. Für manche Menschen sieht er das Dehnen jedoch kritisch: „Bereits überbewegliche Sportler werden damit anfälliger für Verletzungen.“
Keine Muskelkater-Prävention
Fürs Krafttraining rät Freiwald, zum Aufwärmen die Bewegung ohne Gewichte oder mit kleiner Last auszuführen. „Die Knorpel, die Muskel-Sehnen und die Sehnen-Muskelübergänge machen meistens die Probleme, damit werden sie geschmeidig gemacht und sind dann gut vorbereitet.“ Bei Sportarten, die eine maximale Beweglichkeit erfordern, sieht es aber anders aus. So halten die Sportwissenschaftler für Turnen, Hürdenlauf, Delfinschwimmen oder Rhythmische Sportgymnastik Dehnen im Rahmen des Aufwärmens für angebracht. Dies gilt auch für Kampfsport wie Karate und Taekwondo und für Hürdenlauf oder Ballett. Die Meinung, dass man Muskelkater durch Dehnen vorbeugen kann, ist unter Experten endgültig vom Tisch: „Es gibt keine gesicherten Untersuchungen, die einen präventiven Effekt des Dehnens gegen Intensität oder Dauer eines Muskelkaters belegen“, erklärte Hans-Joachim Appell Coriolano, Professor am Institut für Physiologie und Anatomie der Deutschen Sporthochschule Köln. Ein Patentrezept gegen Muskelkater, dass Gesundheitsexperten oft anführen ist: Einfach nicht bis an die Schmerzgrenze gehen! Wenn es aber doch dazu kommt, können oft Hausmittel gegen Muskelkater Linderung verschaffen.
Dehnübungen von Bedeutung für die Muskelhygiene
Dehnübungen bleiben aber ein relevanter Teil des Sporttreibens und sind von Bedeutung für die Muskelhygiene: „Nach dem Sport sollte Dehnen die Muskelentspannung unterstützen, und während des Sports ist Dehnen dann gezielt sinnvoll, wenn sich ein Krampf ankündigt“, so Appell. Allerdings verhindert das Dehnen in diesem Falle den Krampf nur kurzfristig. Langfristig verbessert Dehnen insbesondere die Beweglichkeit der Gelenke und ihrer umgebenden Strukturen. Laut Freiwald nehmen neuere Forschungen nicht mehr so sehr die Muskulatur selber, sondern das Bindegewebe in der Muskulatur sowie deren Umhüllung, die so genannten Faszien, in den Fokus. So hatte etwa ein Mediziner aus dem bayerischen Günzburg vor kurzem berichtet, das er herausgefunden habe, dass Faszien oft Ursache von Rückenschmerzen seien. „Mit der Aufklärung der Funktionen der Faszien, die über die Gelenke von Kopf bis Fuß hinweg ziehen, werden wir in Zukunft viele Rätsel aufklären können, die dem Dehnen nach wie vor anhaften“. Egal ob man nun Muskeln oder Faszien dehnt: „Beim Dehnen gilt wie im gesamten Leben: nicht über die Schmerzgrenze gehen“, mahnte Appell. Und Froböse erklärte: „Nachher dehnen ist wichtiger als vorher“. (ad)
Bild: Yamaoka / pixelio.de
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