Was ist bei Verdacht auf Behandlungsfehler zu tun?
Wenn ein Arzt seinen Patienten nicht über eine Behandlung oder einen Eingriff aufklärt oder eine Therapie nach veraltetem Wissenstand durchführt, sprechen Experten von einem Behandlungsfehler. Ebenso können vergessene Tupfer oder OP-Besteck im Körper des Patienten ein Grund für Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche sein. Wer einen Behandlungsfehler bei sich oder einem Verwandten vermutet, kann sich in Deutschland an drei Anlaufstellen und Patientenanwälte wenden. Denn die Beweislast liegt beim Patienten.
Drei Anlaufstellen für Patienten bei mutmaßlichen Behandlungsfehlern
Treten nach der Knie-OP immer wieder Schmerzen auf oder macht das neue Hüftgelenk Probleme, kann schnell der Verdacht aufkommen, dass der Arzt einen Behandlungsfehler begangen hat. Im Jahr 2013 mussten die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern 7.922 Fälle von mutmaßlichen Behandlungsfehlern beurteilen. 2.243 Mal kamen die Experten zu dem Schluss, dass Ärzte Fehler begangen haben. Wie Samir Rabbata von der Bundesärztekammer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur „dpa“ erläutert, wurden “in 1.864 Fällen ein Behandlungsfehler als Ursache für einen gesundheitliche Beeinträchtigung mit Anspruch auf Entschädigung festgestellt”. Betroffene können sich hierzulande an die eigene Krankenkasse, die Unabhängige Patientenberatung (UPD) sowie die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern wenden.
„Die einzelnen Krankenkassen sollen auch ihren Versicherten helfen, gegen Behandlungsfehler vorzugehen”, erläutert Ann Marini vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gegenüber der Nachrichtenagentur. Dann müsse der Versicherte den Arzt von seiner Schweigepflicht entbinden, so dass die Krankenkasse Einsicht in die Akten nehmen könne. Finden die Gesundheitsexperten dabei Hinweise auf einen Behandlungsfehler, kann der Patient juristische Schritte gegen den Arzt einleiten.
Nicht jede Komplikation tritt wegen eines Behandlungsfehlers auf
„Allerdings liegt nicht unbedingt ein Behandlungsfehler vor, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt”, berichtet Kai Behrens, Pressesprecher des AOK-Bundesverbandes, gegenüber der Nachrichtenagentur. Zudem komme es immer wieder zu unerwünschten Ereignissen, die unvermeidbar seien. So bestünden bei vielen Operationen Risiken, die auch ohne fehlerhaftes Verhalten des Arztes auftreten. „Wenn indes Patienten aufgrund ärztlicher Sorgfaltspflichtverletzungen Schäden erleiden, dann ist die Rede von Behandlungsfehlern. In diesen Fällen helfen wir unseren Versicherten bei der Abklärung”, so Behrens weiter.
Zudem gilt eine Therapie nach veraltetem medizinischem Wissensstand als Behandlungsfehler. „Behandlungsfehler können entstehen, wenn der Arzt Falsches tut oder auch Bestimmtes unterlässt”, erklärt Marini. Auch organisatorische Fehler oder nachlässiges Verhalten von Mitarbeitern des Arztes können Gesundheitsschäden zufolge haben. Ebenso gilt die fehlende, falsche oder unvollständige Aufklärung durch den Arzt als Behandlungsfehler. Denn der Patient muss vor einer Behandlung über mögliche Risiken informiert werden, um sich gegebenenfalls gegen die Therapie entscheiden zu können.
Gutachten deckt Behandlungsfehler auf
Behandlungsfehler werden durch Gutachten von der Krankenkasse aufgedeckt, die von den Patienten kostenfrei in Auftrag gegeben werden können. Das berichtet Patientenberaterin Michaela Schwabe von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD), an die sich betroffene Patienten ebenfalls wenden können. Für die Beratung werden keine Gebühren fällig.
Zudem sind die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern Ansprechpartner. „Sie bieten eine Begutachtung durch unabhängige Experten und außergerichtliche Streitschlichtung bei Behandlungsfehlervorwürfen an”, erläutert Rabbata. Der Patient könne dort ebenfalls kostenfrei überprüfen lassen, ob sein Vorwurf tatsächlich gerechtfertigt ist. „In rund 90 Prozent der Fälle werden die Entscheidungen der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen von beiden Seiten akzeptiert und die Streitigkeiten beigelegt.“ Wenn über Entschädigungszahlungen verhandelt wird, sollten sich die Betroffenen einen Fachanwalt für Medizinrecht vertreten lassen.“ Er sollte im Bereich des Arzthaftungsrechts und dabei nach Möglichkeit allein auf Patientenseite tätig sein”, informiert der Fachanwalt für Medizinrecht Peter Gellner im Interview mit der Nachrichtenagentur. Seinem Kollege Lovis Wambach aus Bremen zufolge sind auch Erstberatungen bei Patientenanwälten häufig kostenfrei.
Beweislast liegt beim Patienten
„Der Patient muss einen ärztlichen Behandlungsfehler nachweisen”, so Wambach gegenüber der Nachrichtenagentur. Deshalb rät er dazu, die Geschehnisse möglichst detailliert aufzuschreiben. „Denn die Erinnerung verblasst mitunter schnell”, erläutert Gellner. Fotos seien Wambach zufolge ebenfalls häufig sinnvoll. Zudem sollten Namen und Adressen von Zeugen notiert werden. „Das können zum Beispiel Bettnachbarn im Krankenhaus sein”, so Patientenberaterin Schwabe.
Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass sich Patient und Arzt außergerichtlich einigen. „In aller Regel können neben Schmerzensgeld auch Schadensersatzansprüche etwa für Verdienstausfall oder Medikamentenzuzahlungen geltend gemacht werden”, berichtet Wambach. Wie hoch das Schmerzensgeld ausfällt, richtet sich nach der Schwere des Gesundheitsschadens. „Im Fall schwerster Querschnittslähmungen liegt sie im Bereich über 600.000 Euro”, informiert Gellner. Weitaus bedeutsamer sind häufig die Schadensersatzansprüche, da Verdienstausfallschäden und Pflegemehraufwendungen rasch auf mehrere Millionen Euro anwachsen können. Erfahrungsgemäß wird die außergerichtliche Einigung umso schwerer, je höher die Schadensersatzforderungen sind. Ein Prozess kann sich jedoch „Jahre hinziehen”, so Patientenanwalt Wambach. Dennoch sollten sich die Betroffenen nicht vor diesem Weg scheuen und für ihr Recht kämpfen. (ag)
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Bild: Martin Büdenbender / pixelio.de
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