Welche Eltern-Ratschläge zur Berufswahl nicht taugen
Heranwachsende müssen sich zum Schulende die Frage stellen, was sie einmal „werden wollen“. Viele vertrauen dabei auf die Ratschläge ihrer Eltern. Doch so manche gut gemeinte Empfehlung geht von falschen Annahmen aus. Berufsberater berichten über Eltern-Ratschläge, die nicht zur Berufswahl taugen.
Thema Berufswahl möglichst früh angehen
Eine falsche Ausbildungswahl verursacht Verunsicherung und nicht selten auch hohe Kosten. Dies hatte Martin Neumann vom Berufspsychologischen Service der Arbeitsagenturen München, Rosenheim, Weilheim und Freising vor kurzem in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa erläutert. Der Experte riet daher, das Thema Berufswahl möglichst früh anzugehen und ernst zu nehmen. Viele Heranwachsende vertrauen bei der Frage, was sie einmal „werden wollen“ auf ihre Eltern. Doch deren Empfehlungen gehen oft von falschen Annahmen aus. In einer aktuellen Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklären Berufsberater, welche (gut gemeinten) elterlichen Tipps zur Berufswahl sie immer wieder hören und kritisch sehen.
Annahmen der Eltern immer hinterfragen
„Setz’ auf Ingenieur, damit machst Du nichts verkehrt“: Für viele Eltern klingt dies nach einer sicheren Bank, da es ja derzeit überall heißt, dass Ingenieure händeringend gesucht und Absolventen deswegen leicht einen gut bezahlten Job finden würden. Einen Studiengang allein aus Verlegenheit zu wählen, ist jedoch keine gute Idee. „Diese Hype-Themen sind kritisch“, meint Svenja Hofert, Karriereberaterin aus Hamburg. Die unmittelbare Nachfrage verkehrt sich nicht selten ein paar Jahre später ins Gegenteil. Jugendlich sollten Annahmen der Eltern über den Arbeitsmarkt stets hinterfragen und recherchieren, wie die Altersstruktur in dem Job ist, ob da bald viele in Rente gehen oder ob die Zahl der Absolventen in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist.
Auch große Unternehmen können pleite gehen
Ein ebenfalls gängiger Eltern-Tipp: „Guck’, dass Du bei einer großen Firma unterkommst“, geht davon aus, dass diejenigen, die den Einstieg bei einem großen Unternehmen schaffen, einen sicheren Arbeitsplatz haben. Das mag zwar in der Vergangenheit gestimmt haben, doch heute gilt das laut Hofert nur noch bedingt. So gehen etwa Konzerne wie das Versandunternehmen Quelle pleite, bauen im großen Stil Mitarbeiter ab oder verlagern Standorte ins Ausland. Die Karriereberaterin empfiehlt Berufsanfängern, dort anzufragen, wo man viel lernen kann. Wenn das in einer eher kleineren Firma der Fall ist, sollten Absolventen besser dort hingehen. „Die Lernkurve wird sich auszahlen, aber erst später“, so Hofert.
Anders als die Eltern machen?
Von unzufriedenen Eltern ist mitunter zu hören: „Mach’ es anders als ich.“ Wenn beispielsweise ein Vater als Angestellter unglücklich ist, wird er dem Nachwuchs wahrscheinlich eher zu Berufen raten, in denen er später sein eigener Chef ist. Martin Neumann von der Arbeitsagentur München erläuterte, dass es anders als die Eltern zu machen, nichts mit den Talenten des Kindes zu tun hat. Jugendliche sollten versuchen, sich darauf zu besinnen, was sie können und was sie interessiert. Dies gilt auch für den umgekehrten Ratschlag, wenn Eltern sich wünschen, dass Kinder ihre Träume verwirklichen. So etwa wenn die Mutter Malerei studieren wollte und sich dann doch für Lehramt entschieden hat. Kinder sollten hinterfragen: Will ich wirklich Künstlerin werden – oder will meine Mutter das?
Stärken und Schwächen analysieren
Auch der Rat: „Mach’, was Du für richtig hältst. Wir mischen uns da nicht ein!“ ist verkehrt, meint die Karriereberaterin Julia Funke aus Frankfurt am Main. Obwohl es gut gemeint ist, den Kindern die größtmögliche Freiheit zu lassen und sie in keine Richtung drängen zu wollen, brauchen Teenager das Feedback der Eltern, denn keiner kennt ihre Stärken und Schwächen so genau wie Mutter und Vater. Funke rät Schülern daher, gezielt nachzufragen: „Was denkst Du denn, kann ich gut?“ Auch der Tipp: „Überleg Dir, was Du wirst. Den Beruf hast Du Dein Leben lang“, hilft nicht weiter, sondern blockiert Jugendliche eher. Die Entscheidung fällt offenbar vielen schwer und so schieben sie sie auf und machen zunächst einmal ein Praktika oder gehen auf Reisen. Neumann von der Münchner Arbeitsagentur meint, dass Jugendliche versuchen sollten, zu akzeptieren, dass sie eine Entscheidung treffen müssen. Es führe kein Weg daran vorbei, eigene Stärken und Schwächen zu analysieren und eine Vorstellung davon zu entwickeln, was man beruflich erreichen will.
Falsche Ausbildungswahl mit negativen Folgen
Wenn der Nachwuchs mit der Entscheidung nicht weiter kommt, können sie sich von den Eltern häufig anhören: „Fang’ erst einmal irgendetwas an.“ Wenn die Schüler aber eine Ausbildung anfangen, die überhaupt nicht zu ihnen passt, hat das laut Neumann oft negative Folgen. Manche scheitern und brechen ab, andere machen die Ausbildung zwar fertig, schließen danach aber eine weitere an. Der Druck, dass es beim zweiten Mal der richtige Beruf sein muss, ist dann oft noch größer. Jugendliche sollten lieber nicht aus Verlegenheit irgend eine Ausbildung anfangen, sondern eine fundierte Entscheidung treffen und sich dabei von Lehrern und Berufsberatern unterstützen lassen.
Realschulabschluss reicht oft völlig aus
Viele Eltern vertreten die Meinung: „Hauptsache Abitur und Studium“. Doch auch wenn es noch gar nicht so lange her ist, dass Betriebe auf einen ausgeschriebenen Ausbildungsplatz wäschekorbweise Bewerbungen bekamen, hat sich die Lage am Ausbildungsmarkt laut Angelika Knötig, Teamleiterin bei der Arbeitsagentur Suhl, verändert. Selbst für stark nachgefragte Ausbildungen reicht ein guter Realschulabschluss demnach heute aus. Es sei wesentlich wichtiger, zu schauen, was zu den Talenten der Jugendlichen passt und nicht stur darauf zu beharren, dass es Abitur und Studium sein muss. (ad)
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