Menschliches Immunsystem ändert sich mit der Jahreszeit
Forscher haben in einer großen Genanalyse herausgefunden, dass sich das menschliche Immunsystem offenbar den Jahreszeiten anpasst. Dies könne erklären, warum Menschen im Sommer eher gesund bleiben. Die neuen Erkenntnisse könnten sich auf die Therapien von Krankheiten auswirken.
Manche Krankheiten treten im Winter häufiger auf
Wahrscheinlich passt sich das menschliche Immunsystem den Jahreszeiten an. Zu dieser Erkenntnis kamen einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa zufolge Wissenschaftler in einer großen Genanalyse. Die Forscher berichten im Fachjournal „Nature Communications“, dass sich die Aktivität von fast einem Viertel der Gene je nach Saison verändere. Wie es heißt, biete das eine mögliche Erklärung dafür, dass bestimmte Krankheiten im Winter öfter oder schlimmer auftreten und Menschen in den Sommermonaten eher gesund bleiben. Es ist bereits länger bekannt, dass Herz-Kreislauf- und Autoimmunerkrankungen wie Diabetes Typ 1 und Multiple Sklerose jahreszeitlich variieren. Auch auf bestimmte psychische Krankheiten trifft dies zu. Zudem verändert sich im Verlauf des Jahres der Vitamin D-Haushalt. Nun legt die Studie der Universität Cambridge nahe, dass all diese Veränderungen mit einem jahreszeitlich variablen Immunsystem zusammenhängen könnten.
Ein Viertel der Gene in manchen Jahreszeiten aktiver
Von den 22.822 untersuchten Genen sind 5.136 im Sommer oder Winter aktiver, fand das Team um den Genetiker John Todd heraus. Diese jahreszeitliche Abhängigkeit hat Auswirkungen auf die Zellen, welche für die Immunabwehr zuständig sind und auf die Zusammensetzung unseres Blutes sowie des Fettgewebes. Todd erklärte in einer Mitteilung zur Studie, dass die Entdeckung zwar auf den ersten Blick offensichtlich wirke, erkläre sie doch, warum sich so viele körperliche und psychische Probleme im Winter verschlimmern. „Niemand hätte allerdings mit dem Ausmaß gerechnet, mit dem sich das Immunsystem verändert.“ Demnach könnten die Ergebnisse die Therapien beispielsweise zur Behandlung von Diabetes Typ 1 beeinflussen und sich auch auf die Planung künftiger Studien auswirken.
Blut- und Fettgewebe-Proben aus mehreren Kontinenten untersucht
Für die Studie hatten die Wissenschaftler Blut- und Fettgewebe-Proben von über 16.000 Menschen aus Großbritannien, den USA, Island, Australien und Gambia untersucht. Sie analysierten mit einer Vielzahl von Methoden die Aktivität ausgewählter Gene in bestimmten Zellen oder Geweben. Dabei zeigten die mehr als 5.000 je nach Jahreszeit unterschiedlich aktiven Gene gegensätzliche Muster, je nachdem ob sie von Menschen aus der südlichen oder nördlichen Hemisphäre stammten. Die Proben aus Gambia etwa enthielten eine besonders hohe Zahl von Immunzellen im Blut, wenn sie in der Regenzeit (Juni bis Oktober) entnommen wurden. In dem afrikanischen Land sind zu dieser Jahreszeit Infektionskrankheiten und dabei speziell jene, die durch Moskitos übertragen werden, sehr verbreitet. Dass es zwischen den Menschen in den verschiedenen Klimazonen Unterschiede gibt, haben im vergangenen Jahr auch US-amerikanische Forscher in einer Studie gezeigt. Sie kamen zum Ergebnis, dass die menschliche Darmflora im Norden anders als im Süden ist. Daher neigen die Einheimischen in kälteren Regionen eher zu Fettleibigkeit (Adipositas) als in wärmeren Gefilden.
Impfprogramme im Winter effektiver
Für die Forscher besonders interessant war das Gen ARNTL, das – zumindest bei Mäusen – als Reaktion auf Infektionen Entzündungen unterdrückt. Im Sommer war dieses aktiver als im Winter. Die Forscher schlussfolgern, dass wenn ARNTL beim Menschen auf ähnliche Weise wirke, dann könne eine gezielte Unterstützung dieser genetischen Funktion im Winter dazu beitragen, verschiedene Krankheiten effektiver zu behandeln. Zudem fanden die Wissenschaftler, dass Gene, die für die individuelle Reaktion auf Impfungen verantwortlich sind, im Winter aktiver sind als im Sommer. Den Experten zufolge wären demnach einige Impfprogramme im Winter effektiver. Dann sei das Immunsystem bereits „vorbereitet“ und reagiere besser.
Tageslicht und Umgebungstemperatur als mögliche Faktoren
Wie dieses Zusammenspiel von Jahreszeit und Immunsystem genau funktioniert, ist noch unklar. Die Forscher vermuten, dass Tageslicht und Umgebungstemperatur entscheidende Faktoren sein könnten. Für den britischen Immunbiologen Mike Turner ist insbesondere eine Erkenntnis bedeutsam: „Ein mögliches Ergebnis ist, dass die Behandlung bestimmter Krankheiten effektiver werden könnte, wenn sie auf die Jahreszeiten abgestimmt wird“. Obwohl das Immunsystem sich den neuen Erkenntnissen nach während des Jahres verändert, kann jeder Mensch aber auch dazu beitragen, es zu stärken. Von Experten wird geraten, sich ausgewogen und gesund zu ernähren, sich regelmäßig zu bewegen, Stress möglichst zu vermeiden beziehungsweise Entspannungsübungen zum Stressabbau zu praktizieren. All das kann dazu beitragen, das eigene Immunsystem zu stärken. (ad)
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