Demenz: Schützt bessere Bildung vor Demenz?
Über 40.000 Menschen in Deutschland leiden laut Schätzungen an Frontotemporaler Demenz (FTD). Die Krankheit beginnt meist im Alter von 50 bis 60 Jahren, kann aber auch schon wesentlich früher auftreten. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist deutlich reduziert. Wissenschaftler konnten nun zeigen, das FTD-Patienten, die in hoch qualifizierten Berufen tätig waren, deutlich länger leben.
Trainiertes Gehirn schützt besser vor Folgen von Demenz
In der Vergangenheit haben verschiedene Untersuchungen gezeigt, dass ein trainiertes Gehirn besser vor den Folgen von Demenz geschützt ist. Das bestätigt nun eine Studie für die Frontotemporale Demenz (FTD). Demnach überlebten Patienten mit hoch qualifizierten Berufen nach der Diagnose um bis zu drei Jahre länger als Menschen mit weniger qualifizierter Tätigkeit. Den Forschern zufolge bestätige das, dass Bildung und mentale Stimulation eine Art „geistige Reserve“ des Gehirns fördern. Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Ergebnisse vor kurzem im Fachmagazin „Neurology“.
Frontotemporale Demenz beginnt früher als Alzheimer
In Deutschland leiden etwa drei bis neun Prozent der rund 1,4 Millionen Demenzkranken an FTD. Das entspricht etwa 42.000 Personen. Diese Krankheit beginnt im Unterschied zu Alzheimer bereits im Alter von 50 bis 60 Jahren, kann aber auch schon bei 20-Jährigen auftreten. Den Angaben zufolge beginnt die Krankheit mit Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens sowie mit Sprachstörungen. Dies deshalb, weil vor allem Nervenzellen im Stirnhirn und in den Schläfenlappen zerstört werden. Daher wird sie häufig zunächst mit einer psychischen Krankheit verwechselt. Eine Therapie gegen FTD gibt es bislang nicht. Medikamente, die bei Alzheimer eingesetzt werden, wirken bei dieser Demenzform nicht. In den meisten Fällen schreitet die Krankheit relativ schnell voran, so dass Betroffene bereits nach wenigen Jahren zum Pflegefall werden und sterben. Aufgrund der steigenden Zahl von Demenz-Erkrankungen haben Experten in den vergangenen Jahren des öfteren darauf verwiesen, dass das deutsche Gesundheitssystem nicht auf Demenz eingestellt ist.
Patienten mit hochqualifizierten Berufen lebten länger
Lauren Massimo von der Universität Pennsylvania in Philadelphia (USA) untersuchte mit ihren Kollegen, ob geistig anspruchsvolle Berufe die Überlebensdauer nach der Diagnose der Krankheit verlängern können. Dazu verglichen die Wissenschaftler die Krankenakten und Biografien von 83 Personen, die entweder an der Alzheimer-Krankheit oder an einer FTD verstorben waren. In der Studie wurde beruflicher Erfolg anhand des erreichten Beschäftigungsstatus klassifiziert, also ob jemand beispielsweise als Arbeiter, Handwerker oder Verkäufer oder aber als Anwalt, Arzt oder Ingenieur arbeitete. Die Forscher stellten dabei fest, dass Patienten mit FTD im Mittel etwa sieben Jahre überlebten, nachdem Angehörige bei ihnen erstmals ein dauerhaft ungewöhnliches Verhalten beobachtet hatten. Allerdings gab es dabei deutliche bildungsbedingte Unterschiede. So waren es in der Gruppe mit dem niedrigsten Beschäftigungsstatus durchschnittlich nur 72 Monate und in der am höchsten qualifizierten Gruppe 116 Monate. Damit überlebten FTD-Patienten mit hoch qualifizierter Tätigkeit bis zu drei Jahre länger als Patienten mit weniger anspruchsvollen Berufen.
Geistige Leistungsfähigkeit trotz fortschreitender Erkrankung
Prof. Gereon Fink, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie der Uniklinik Köln kommentierte die Ergebnisse: „Möglicherweise führt eine berufslebenslange geistig stimulierende und fordernde Betätigung zur Ausbildung einer echten kognitiven Reserve des Gehirns.“ Als kognitive Reserve bezeichnen Wissenschaftler die Fähigkeit des Gehirns, den durch eine neurodegenerative Erkrankung verursachten Zellenabbau auszugleichen und somit die geistige Leistungsfähigkeit trotz Fortschreiten der Erkrankung lange Zeit aufrechtzuerhalten. Oder einfacher ausgedrückt: Einem Menschen mit gut trainiertem Gehirn schadet es weniger, wenn kleine Teile des Gehirns nicht mehr so funktionstüchtig sind.
Hinter dem Schutzeffekt könnten auch andere Ursachen stecken
Die neuen Ergebnisse bestätigen frühere Studien, denen zufolge Menschen mit einem niedrigen Bildungsniveau auch ein höheres Risiko haben, an der Alzheimer-Krankheit zu erkranken, und dass diese Patienten dann schneller ihre geistigen Fähigkeiten verlieren. „Man sollte allerdings nicht vergessen, dass ein höherer beruflicher Erfolg im Regelfall auch mit einem besseren sozialen und ökonomischen Status einhergeht“, so Fink. Der beobachtete Schutzeffekt könnte also auch andere Ursachen haben. So könnte er möglicherweise darauf beruhen, dass beruflich erfolgreiche Menschen meist auch wirtschaftlich besser gestellt sind, sich damit bessere Ärzte und einen gesünderen Lebensstil leisten können und mehr Unterstützung durch ihr soziales Umfeld erfahren. Zudem ist die Aussagekraft der aktuellen Studie durch die relativ kleine Zahl an Fällen eingeschränkt. Deswegen müssten laut Fink weitere Studien den Zusammenhang belegen. Die Untersuchung von Massimo und Kollegen habe aber trotzdem Einfluss auf die Beratung von Patienten und Angehörigen: „In jedem Fall sollte nicht nur das erreichte Bildungsniveau, sondern auch die berufliche Betätigung als relevanter Faktor zur Beurteilung des individuellen Krankheitsverlaufs, der Prognose und des Behandlungserfolgs herangezogen werden“, meinte Fink. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.