Wenn es mit dem ausufernden und sorglosen Einsatz von Antibiotika weltweit so weiter geht, kann das fatale Sorgen für die Gesundheit haben. Solche Medikamente werden dann als „Wunderwaffe“ gegen verschiedenste Krankheiten versagen. Laut einer Studie könnte sich die Zahl der Toten aufgrund von Antibiotikaresistenzen auf zehn Millionen erhöhen.
Zahl der Toten wird sich auf zehn Millionen erhöhen
Die Zahl der Toten durch multiresistente Keime wird sich ohne ein scharfes Umsteuern beim Einsatz von Antibiotika bei Mensch und Tier künftig drastisch erhöhen. Dies geht einer Meldung der Nachrichtenagentur dts zufolge aus einer Studie der Berliner Charité im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion hervor, über die die „Berliner Zeitung“ berichtet. Allein in Deutschland geht das Bundesgesundheitsministerium von jährlich insgesamt 400.000 bis 600.000 Patienten aus, die durch medizinische Behandlungen Infektionen bekommen. Etwa ein Zehntel dieser Krankenhauskeime gilt mittlerweile als multiresistent, sie reagieren also nicht mehr auf gängige Antibiotika. Pro Jahr sterben hierzulande bis zu 15.000 Menschen an solchen Infektionen. Die Autoren warnen in der Untersuchung, dass sich die Zahl der Toten von derzeit weltweit rund 700.000 pro Jahr ohne Gegenmaßnahmen bis 2050 auf zehn Millionen erhöhen wird. Für Europa wird ein Anstieg von nun 23.000 auf 400.000 Tote prognostiziert. Damit würden dann mehr Menschen an multiresistenten Keimen sterben als zum Beispiel an Krebs.
In Deutschland wird mehr Antibiotika in der Tierzucht als im Humanbereich eingesetzt
In der Studie heißt es: „Die weltweite Zunahme von Antibiotika-resistenten Keimen gehört zu den größten Gefahren für die menschliche Gesundheit.“ In Deutschland bekommt nach einer Analyse rund ein Drittel aller Krankenversicherten jährlich ein Antibiotikum. Nach Einschätzung der Autoren sind 30 Prozent aller Antibiotika in der Humanmedizin nicht notwendig. Den Einsatz von Antibiotika bei Tieren in Deutschland beschreibt die Studie als höchst problematisch. Die Bundesrepublik zählt den Angaben zufolge zu den acht Ländern Europas, in denen in der Tierzucht mehr Antibiotika eingesetzt werden als im Humanbereich. Multiresistente Keime, die sich bei Tieren in den Mastbetrieben bilden, gelangen dann auch in Lebensmittel. So wurde erst vor kurzem berichtet, dass Hähnchenfleisch häufig mit multiresitenten Keimen belastet ist. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Friedrich Ostendorff, hatte in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Ergebnis ein „ernstes Problem“ widerspiegele. Das Zubereiten von Hähnchenfleisch müsse deshalb unter „höchsten Sicherheitsaspekten“ stattfinden.
Verbot bestimmter Antibiotika im Tierbereich angeregt
In der Studie wird gefordert, dass der Einsatz von Antibiotika bei Mensch und Tier immer gemeinsam zu betrachten und in beiden Bereichen massiv zu senken ist. Dafür wird zum Beispiel das Verbot bestimmter Antibiotika im Tierbereich angeregt, die bei Infektionen beim Menschen unbedingt gebraucht werden. Wenn solche Arzneien aufgrund von Resistenzen nicht mehr wirken, können in Zukunft selbst kleine Entzündungen wegen fehlender Behandlungsmöglichkeiten zur großen Gefahr werden. Multiresistente Keime stellen vor allem für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sowie für Ältere ein großes Risiko dar. Insbesondere in Krankenhäusern und Pflegeheimen sind solche Erreger hierzulande weit verbreitet. Eine Infektion kann bei Patienten unterschiedliche Symptome wie unter anderem Entzündungen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen oder eine Blutvergiftung auslösen.
Mehr Personal in den Kliniken gefordert
Wenn zwar derzeit auch ein neues Mittel gegen gefährliche Krankenhauskeime erforscht wird, ist die Wissenschaft noch längst nicht so weit, dem Problem Herr werden zu können. Die schwarz-rote Bundesregierung hat kürzlich angekündigt, resistente Keime sollen effizienter bekämpft werden. In der neuen Berliner Studie wird auch mehr Personal in den Kliniken gefordert. Für den Tierbereich wird zudem ein Verbot von Rabatten durch die Pharmafirmen und eine staatliche Preisregulierung vorgeschlagen. Damit soll sowohl der Preisverfall von Antibiotika gestoppt als auch die massenhafte Anwendung erschwert werden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will laut einer Mitteilung der Nachrichtenagentur dpa ein globales Aktionsprogramm starten und auch beim G7-Treffen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das Thema auf die Agenda gesetzt. Allerdings gehen den Grünen im Bundestag die Vorschläge der Bundesregierung nicht weit genug. Gegen Antibiotika-Missbrauch in der Massentierhaltung werde der Staat noch immer zu wenig aktiv. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte: „Für Menschen überlebenswichtige Reserveantibiotika müssen im Stall sofort verboten werden.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.