Essen bei Schichtarbeit: Keine allgemeingültigen Empfehlungen möglich
Über 6,2 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten in Wechselschichten; 5,5 Millionen auch nachts. Die arbeitsbedingte Verschiebung des Lebens- und Arbeitsrhythmus führt zu besonderen Belastungen. Schichtarbeiter arbeiten, wenn der Körper auf Regeneration eingestellt ist und sie schlafen, wenn der Körper eigentlich Nahrung und Aktivität erwartet. Die wichtigsten Körperfunktionen wie Hunger, Verdauung, Schlaf usw. werden von einer inneren Uhr gesteuert. Es gibt sogenannte Morgentypen (Lerchen), die früh aufwachen und schnell leistungsfähig sind, und Abendtypen (Eulen), die abends lange wach und aktiv sind.
Die meisten Menschen sind allerdings Mischtypen. Viele für Essverhalten und Verdauung wichtige Hormone (z. B. Leptin, Ghrelin, Insulin) unterliegen ebenfalls einem tagesperiodischen Rhythmus. Entsprechend haben Schichtarbeiter eine erhöhte Wahrscheinlichkeit Schlafstörungen, Magen-Darm-, Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselerkrankungen zu entwickeln.
Die für die Nahrungsaufnahme üblichen Zeitfenster während des Tages lassen sich von Schichtarbeitern häufig nicht einhalten. Viele gehen ohne Frühstück in die Frühschicht, das Mittagessen verschiebt sich auf den Nachmittag. Arbeit in der Spätschicht stört den »normalen« Rhythmus am wenigsten. Frühstück und Mittagessen werden meist zu »normalen« Zeiten zuhause gegessen. Eine Zwischenmahlzeit und Abendessen gibt es dann am Arbeitsplatz. Problematisch ist die Ernährung bei der Nachtschicht. Der Organismus ist nachts nicht auf Nahrungsaufnahme eingestellt und die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln ist eingeschränkt (z. B. wenn die Kantine geschlossen ist). Nach einer Nachtschicht verzichten 75 Prozent der Nachtarbeiter auf ein Frühstück und essen erst, wenn sie geschlafen haben.
Viele Schichtarbeiter neigen dazu, häufiger Snacks anstelle einer »richtigen« Mahlzeit zu essen. Es gibt zwar eine Reihe von Ratgeber-Broschüren und Internetseiten mit Empfehlungen zur Ernährung bei Schichtarbeit, aber – so schreibt Professor Dr. Manfred Betz von der Hochschule Mittelhessen in Gießen in der Zeitschrift »Ernährung im Fokus«: »Die Erkenntnislage über die Auswirkungen von Schichtarbeit auf die Gesundheit ist insgesamt eher als dürftig zu werten«. Gleiches gilt für die Auswirkungen des Ernährungsverhaltens von Schichtarbeitern auf ihre Gesundheit. Aus den oft widersprüchlichen Forschungsergebnissen lassen sich keine allgemeingültigen Empfehlungen für die Ernährung von Schichtarbeitern ableiten.
Wirksame Ansätze zur Verbesserung der Ernährungssituation gibt es auf betrieblicher und personenbezogener Ebene. Dazu gehören z. B. ein Überdenken von Schichtdauer, Schichtart und Pausenzeiten, die Öffnungszeiten der Kantine, die Atmosphäre im Pausenraum oder eine genügende Zahl von Automaten mit gesunden Snacks.Renate Kessen, bzfe
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