Jedes zweite Kind, das in diesem Jahrhundert in einem entwickelten Land lebt, wird ein Alter von 100 Jahren oder mehr erreichen
Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin sind der Frage nachgegangen, ob zunehmendes Altern mit schweren Erkrankungen assoziiert ist und ob daher eine steigende Lebenserwartung überhaupt erstrebenswert ist. Die Forscher stießen dabei auf interessante Zusammenhänge und Erklärungen.
Sind Hundertjährige Vorbilder für gesundes und erfolgreiches Altern? Oder ist besonders hohes Alter untrennbar mit zunehmenden Erkrankungen verbunden? Welche Erkrankungen häufen sich bei Menschen, die 100 Lebensjahre und mehr erreicht haben? Wie sich Krankheitsverläufe bei Hundertjährigen am Lebensende darstellen, dem sind Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin nachgegangen.
Es zeigte sich: Die Anzahl der Erkrankungen bei Menschen, die im Alter von einhundert Jahren und älter verstarben, war niedriger als bei denjenigen, die mit 90 bis 99 Jahren oder 80 bis 89 Jahren starben. Die gesamten Ergebnisse der Studie sind im Fachmagazin The Journal of Gerontology: Medical Sciences* veröffentlicht.
Noch vor vierzig Jahren galt: Nur etwa ein Mensch von 10.000 erreichte in den Industrienationen das Alter von 100 Jahren oder sogar mehr. Heutzutage geht man davon aus, dass jedes zweite Kind, das in diesem Jahrhundert in einem entwickelten Land lebt, ein Alter von 100 Jahren oder mehr erreicht. Ist hohes Lebensalter dabei aber gleichzeitig mit zunehmenden Erkrankungen verbunden? Es gibt Hinweise, dass Hundertjährige an einer geringeren Zahl von Erkrankungen leiden, verglichen mit jüngeren Kohorten hochaltriger Menschen. In der Auseinandersetzung mit alternden Gesellschaften spricht man hierbei von der These einer Kompression der Erkrankungshäufigkeit, das heißt, der Beginn altersassoziierter Erkrankungen und Behinderung wird immer weiter ins hohe Alter verschoben, also komprimiert.
„Unser Ziel war es, darüber hinaus die Entwicklung der Anzahl der chronischen Erkrankungen, man nennt es Multimorbidität, und deren Verläufe am Lebensende bei Hundertjährigen besser zu verstehen“, erklärt Dr. Paul Gellert vom Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité.
Die Wissenschaftler haben Routinedaten der Kranken- und Pflegekasse Knappschaft über Diagnosen und Gesundheitsversorgung von rund 1.400 hochaltrigen Personen innerhalb des Zeitraums von sechs Jahren vor deren Tod untersucht. Für die Analyse wurden sie in drei Gruppen eingeteilt. Diejenigen, die als Hundertjährige starben, sind mit Zufallsstichproben von Individuen verglichen worden, die in ihren 80ern oder 90er Jahren starben. Zuhause Lebende und Menschen in Pflegeeinrichtungen sind bei der Untersuchung gleichermaßen berücksichtigt worden.
Für die Auswertung waren vor allem jene Erkrankungen ausschlaggebend, die gewöhnlich mit einem Versterben während eines Krankenhausaufenthaltes verbunden sind, gemäß Elixhauser-Morbiditätsindex. „Im Quartal vor dem Tod wiesen Menschen, die als Hundertjährige verstarben, im Durchschnitt 3,3 Erkrankungen auf, im Vergleich zu durchschnittlich 4,6 Erkrankungen bei denjenigen, die als Achtzigjährige starben“, fasst Dr. Gellert zusammen. „Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass der Zuwachs an Erkrankungen in den letzten Jahren vor dem Tod bei hochaltrigen Menschen geringer ausfiel, im Vergleich zu denjenigen, die mit 90 bis 99 Jahren oder 80 bis 89 Jahren starben.“
Bezieht man die im hohen Altern häufigen dementiellen Erkrankungen sowie Muskelskeletterkrankungen in die Auswertung ein, weist knapp die Hälfte der hundertjährig Verstorbenen fünf oder mehr Erkrankungen auf, wobei bereits mehr als 60 Prozent der 90-jährig Verstorbenen und 66 Prozent der 80-jährig Verstobenen auf dieselbe Anzahl an Erkrankungen kommt. Während dementielle Erkrankungen und Herzinsuffizienz bei Hundertjährigen häufiger anzutreffen sind als bei den jüngeren Hochaltigen, sind Bluthochdruck, Herzrhytmusstörungen, Niereninsuffizienz und chronische Erkrankungen seltener bei den hundertjährig Verstorbenen. Muskelskeletterkrankungen sind in allen Gruppen ähnlich häufig vertreten. Hohes Alter und Anzahl der Erkrankungen sind durchaus miteinander verbunden. Das Ausmaß dabei muss allerdings differenziert betrachtet werden.
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
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