Magenkrebs kann durch Bakterien ausgelöst werden
Bakterien der Gattung Helicobacter pylori sind als potenzieller Auslöser für Magenkrebs zu bewerten. Wissenschaftler der Berliner Charité konnte in einer aktuellen Studie zeigen, auf welche Weise Infektionen mit dem Bakterium für die Entwicklung von Magenkrebs verantwortlich sein können.
Erst kürzlich hatten Wissenschaftler die Mechanismen entschlüsselt, über die Helicobacter pylori-Infektionen zur Entstehung einer Magenschleimhautentzündung beitragen. Nun konnten Forscher der Charité – Universitätsmedizin Berlin auch nachweisen, dass Helicobacter pylori-Infektionen Magenkrebs auslösen können. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler in dem Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.
Vermehrte Zellteilung im infizierten Gewebe
Infektionen mit dem Magenbakterium Helicobacter pylori sind laut Mitteilung der Charité weit verbreitet und sie gelten als wichtigster Risikofaktor für das Entstehen von Magenkrebs. Allerdings blieb bislang unklar, auf welchem Weg die Helicobacter-Infektionen das Magenkrebsrisiko erhöhen. „Nach einer Infektion kommt es zu einer vermehrten Zellteilung im infizierten Gewebe aufgrund eines bis dato unbekannten Mechanismus“, erläutern die Wissenschaftler. Das Forscherteam um Dr. Michael Sigal und Prof. Dr. Thomas F. Meyer, Direktor am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, konnte diesen Prozess nun erstmalig entschlüsseln.
Zusammenhang mit einer beschleunigten Stammzellenregeneration in den Magendrüsen
Bereits bekannt war, dass die im Magen befindlichen Drüsen eine besonders hohe regenerative Kapazität haben und alle ein bis zwei Wochen komplett ersetzt werden. Fraglich blieb, wie eine bakterielle Infektion unter diesen Umständen zu langfristigen Veränderungen führen kann. In Kooperation mir Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie in Berlin und der Stanford School of Medicine in Kalifornien konnte das Forscherteam um Dr. Michael Sigal von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Hepatologie und Gastroenterologie an der Berliner Charité nun nachweisen,a uf welche Weise „eine Helicobacterinfektion für die Entwicklung von Magenkrebs verantwortlich sein kann.“ Erstmals sei in der aktuellen Studie ein direkter Zusammenhang zwischen der Infektion und einer beschleunigten Stammzellenregeneration innerhalb der Magendrüsen hergestellt worden.
Mehr Zellen mit Stammzellpotenzial
Den Angaben der Forscher zufolge erhöht sich unter dem Einfluss des Bakteriums die Anzahl der Zellen mit Stammzellpotenzial und mit ihnen das Risiko einer pathologischen Veränderung. „In der Basis der Drüsen finden sich langlebige Stammzellen, die stetig neue Zellen generieren“, erläutert Dr. Sigal. Ziel der Studie sei es gewesen, deren Identität zu bestimmen und auch die Prozesse, die ihre Regeneration steuern. Hierfür wurden unter anderem die Stammzellen des Magens im Tiermodell untersucht, wobei mittels sensitiver neuer Techniken Moleküle im Magengewebe in hoher Auflösung dargestellt werden konnten. So sei „es gelungen, Moleküle, die die Stammzellen regulieren, abzubilden und ihre räumliche Nähe zum Stammzellbereich zu zeigen“, berichtet die Charité.
Bestimmtes Enzym beeinflusst die Funktion der Stammzellen maßgeblich
Die Wissenschaftler nutzten außerdem ein Modell der Infektion mit Helicobacter pylori, das die ersten Vorstufen der Krebsentwicklung im Menschen nachempfindet und führten Experimente mittels sogenannter Organoide (Zellkulturen aus menschlichen und tierischen Stammzellen direkt aus dem Magengewebe gewonnen) durch. Die Charakterisierung der Stammzellen habe dabei gezeigt, dass es zwei unterschiedliche Stammzellarten im Magen gibt. Beide seien positiv für den Marker Axin2. Zudem haben die Wissenschaftler nach eigenen Angaben „herausgefunden, dass die Zellen, die sich direkt unterhalb der Drüsen befinden, ein spezifisches Molekül namens R-spondin 3 produzieren.“ Dieses beeinflusse die Funktion der Stammzellen maßgeblich und aktiviere die Zellteilung in einer Teilpopulation der Stammzellen, wodurch die Regenerationsgeschwindigkeit der gastrischen Drüsen gesteigert werde.
Bakterien als Krebsauslöser bislang unterschätzt
Den Angaben der Forscher zufolge führt eine Infektion mit Helicobacter pylori dazu, dass die Produktion von R-spondin ansteigt und die Stammzellaktivität zunimmt, wobei vermutet werde, dass eine langfristig erhöhte Stammzellenteilung die Krebsentstehung direkt begünstigt. Während lange bekannt sei, dass bestimmte Viren Krebs auslösen können, indem sie Gene in die Wirtszelle einschleusen, würden Bakterien erst seit kürzerer Zeit als mögliche Auslöser von Krebserkrankungen untersucht. Die zugrundeliegenden Mechanismen seien dabei weniger klar. „Jetzt konnten die Teams um Dr. Sigal und Prof. Meyer in Zusammenarbeit mit weiteren Kooperationspartnern das bislang geltende Dogma überwinden, bakterielle Infektionen würden lediglich Zellen an der Oberfläche beeinflussen“, so die Mitteilung der Charité.
Basis für die Entwicklung neuer Behandlungsansätze?
„Helicobacter pylori verursacht eine lebenslange Infektion und steigert die Anzahl der langlebigen Zellen mit Stammzellpotenzial in den Drüsen des Magens“, erläutert Dr. Sigal. Die Geschwindigkeit der Stammzellteilung sei erhöht, was letztlich zu pathologischen Veränderungen des Epithels führe. Die aktuelle Studie ermögliche einen besseren Einblick in die Mechanismen, die Magenkrebs auslösen können und liefere auch „allgemeinere Hinweise darauf, wie chronische bakterielle Infektionen die Gewebefunktion stören und so das Krebsrisiko erhöhen können“, ergänzt Prof. Meyer. Auf lange Sicht können die aktuellen Erkenntnisse auch dazu beitragen, die Entwicklung verbesserter Behandlungsansätze voranzubringen, so die Hoffnung der Forscher. (fp)
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