Dramatischer Anstieg: Lebensbedrohliche Vergiftungen durch Pilze
Deutschlands Wälder könnten dieses Jahr aufgrund der Witterung ein regelrechtes Paradies für Pilzsammler werden. Viele Bundesbürger lieben es, im Spätsommer durch die Natur zu streifen und leckere Pilze mit nach Hause zu bringen. Allerdings gibt es auch zahlreiche Arten, die der Gesundheit schaden können. Experten warnen vor teilweise lebensbedrohlichen Pilzvergiftungen.
Pilze gedeihen prächtig
Der ergiebige Dauerregen in den vergangenen Wochen hat vielen zwar den Sommer vermiest, Pilzfreunde dürfen sich nun jedoch freuen. Das schmuddelige Wetter hat schon im Juli dafür gesorgt, dass es einen Wachstumsschub bei Pilzen gegeben hat. Wer sich auf Wiesen und in Wäldern auf die Suche nach leckeren Speisepilzen begibt, sollte sich jedoch gut auskennen. Denn Verwechslungen führen immer wieder zu Pilzvergiftungen. Teilweise mit tödlichem Ausgang.
Zahl der Vergiftungsfälle hat sich verdoppelt
Erst vor wenigen Tagen waren in Hannover mehrere Kinder mit schweren Pilzvergiftungen in eine Klinik eingeliefert worden.
Auch andernorts kam es schon zu zahlreichen gefährlichen Verwechslungen. So berichten die Experten des Giftinformationszentrums-Nord der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (GIZ-Nord) in einer Mitteilung, dass es im Juli 2017 doppelt so viele Vergiftungsfälle gab, wie in den Vergleichsjahren zuvor.
Die Vergiftungsgefahren durch selbst gesammelte Pilze dürfen nicht unterschätzt werden.
Giftige mit essbaren Pilzen verwechseln
Nach Angabe des GIZ-Nord teilt sich der Hauptanteil dieser Vergiftungen in zwei Gruppen: Da sind zum einen kleine Kinder, die beim Spielen giftige Pilze entdecken und diese roh verzehren. Zum anderen sind es Erwachsene, die giftige mit essbaren Pilzen verwechseln.
Häufig kommt es zu diesen Verwechslungen bei Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund wie zum Beispiel Osteuropäern, die in ihrer Heimat andere Speisepilze kennen und diese mit den optisch ähnlichen, aber hochgiftigen Pilzen verwechseln, die in Deutschland wachsen.
Einer dieser gefährlichen Giftpilze, der in den letzten Jahren und auch schon in der Pilzsaison 2017 immer wieder von Flüchtlingen und Migranten mit einem essbaren Heimatpilz verwechselt wurde, ist der Knollenblätterpilz.
Symptome treten nicht sofort nach dem Verzehr auf
„Das Tückische an den hochgiftigen Knollenblätterpilzen ist neben der Ähnlichkeit zu essbaren Pilzen die Latenz“, erklärt Professor Dr. Andreas Schaper, einer der beiden Direktoren des GIZ-Nord.
„Die Vergiftungssymptome treten nicht sofort nach dem Verzehr auf, sondern erst nach einer Latenz von sechs bis maximal 24 Stunden. Der Klassiker ist, dass am Abend Giftpilze gegessen werden und erst am nächsten Morgen bekommt man Übelkeit, Erbrechen und Durchfall.“
Wie gefährlich solche Verwechslungen werden können, zeigt auch ein Fall aus Münster. Dort starb im vorvergangenen Herbst ein 16-jähriger Flüchtling aus Syrien, weil er versehentlich Knollenblätterpilze verzehrt hatte.
Schuld an einer Vergiftung ist meistens Amatoxin, ein giftiger Eiweißstoff, der in manchen Pilzen vorhanden ist. Dieser lässt sich weder durch Kochen noch durch Trocknen unwirksam machen.
Funde gegebenenfalls einem Experten zeigen
„Es ist wichtig, kein Risiko einzugehen“, warnt Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml. „Das heißt: Hände weg von Pilzen, die man nicht genau kennt! Denn giftige oder verdorbene Pilze können lebensgefährlich sein!“
Experten raten allgemein davon ab, „nach Buch, App oder Internet“ zu sammeln. Selbst bei geringstem Zweifel sollte der Fund jemandem gezeigt werden, der sich genau damit auskennt.
Solche Fachleute kann man unter anderem im Internet finden. So hat etwa die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) in Berlin auf ihrer Homepage eine Liste mit Sachverständigen veröffentlicht, die meistens kostenlos oder gegen ein geringes Honorar arbeiten.
Bei Verdacht auf Pilzvergiftung sofort zum Arzt
„Bei Verdacht auf eine Pilzvergiftung sollte man sich sofort an das nächste Krankenhaus wenden oder den Notarzt rufen“, rät Professor Dr. Michael P. Manns, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Leberstiftung.
„Auf keinen Fall sollte man versuchen, die Symptome selbst mit Medikamenten oder Hausmitteln zu behandeln. Das könnte eine Vergiftung sogar noch verschlimmern“, so Huml.
„Eine frühe Diagnose der Vergiftung und ein unverzüglicher Beginn der Behandlung sind für die Heilungsaussichten extrem wichtig“, erklärt Professor Dr. Manns.
Um die Diagnose zu erleichtern, sollten die Pilzreste und das Erbrochene aufgehoben und an den Arzt weitergegeben werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.