Kritik an Studie: Keine niedrigere Sterblichkeit durch mehr Fett und weniger Kohlenhydrate
Vor kurzem kam eine internationale Studie zu dem Schluss, dass eine Ernährung mit hoher Zufuhr an Kohlenhydraten und wenig Fett das Sterberisiko erhöhen. Die Autoren sprachen sich dafür aus, bestehende Ernährungsempfehlungen zu revidieren. Deutsche Wissenschaftler widersprechen den Schlussfolgerungen der Untersuchung.
Weniger Kohlenhydrate und mehr Fett
Der Streit darüber, ob eher weniger Fett oder weniger Kohlenhydrate geeignet ist, schnell Gewicht zu verlieren, hält schon seit Jahren an. In wissenschaftlichen Untersuchungen zeigt sich zwar immer wieder, dass man durch Low-Carb-Diäten schneller schlank werden kann, umstritten ist aber, ob es auch gesund ist, Brot, Nudeln, Reis und Co. auf dem Speiseplan zu reduzieren und auf Fett beziehungsweise Proteine zu setzen. Eine aktuelle internationale Studie kam zu dem Ergebnis, dass dies aus gesundheitlichen Gründen durchaus zu empfehlen ist. Deutsche Wissenschaftler üben nun Kritik an dieser Schlussfolgerung.
Forscher fordern Änderung der Ernährungsempfehlungen
Eine soeben veröffentlichte Studie, die in 18 Ländern den Einfluss von Kohlenhydraten, Fett und Eiweiß in der Ernährung auf das Krankheits- und Sterblichkeitsrisiko untersucht hat, kommt zu dem Schluss, dass zu viele Kohlenhydrate in der täglichen Kost die Sterblichkeit steigern.
Mehr Fett, auch gesättigtes Fett, seien laut der Untersuchung nicht nur nicht schädlich, sie verringerten sogar die Mortalität und das Risiko für Schlaganfälle.
Die Autoren der globalen Ernährungsstudie PURE (Prospective Urban Rural Epidemiology) fordern, die globalen Ernährungsempfehlungen bezüglich Fett und Kohlenhydraten umzuschreiben.
Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart kritisieren diese Schlussfolgerungen. Solch weitreichende Schlüsse ließen Methodik und Ergebnisse der Studie gar nicht zu, heißt es in einer Mitteilung der Hochschule.
Keine kausalen Zusammenhänge
Der Studie zufolge nehme die Sterblichkeit mit steigender Zufuhr von Kohlenhydraten zu; bei Fett beobachteten die Forscher einen umgekehrten Zusammenhang: Mit steigendem Anteil der Nahrungsenergie aus Fett nehme die Sterblichkeit ab.
„Doch auch wenn eine geringere Sterblichkeit zwar mit höherem Fettkonsum bzw. niedrigerem Konsum an Kohlenhydraten verbunden ist, lassen sich mit dieser Methode keine kausalen Zusammenhänge zwischen diesen Beobachtungen feststellen“, gibt Ernährungsmediziner Prof. Dr. Konrad Biesalski zu bedenken.
Zusammen mit der Tropen-Expertin Prof. Dr. Regina Birner und dem Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Jan Frank, Präsident der Society of Nutrition and Food Science (SNFS), erklärt er, dass ein direkter kausaler Zusammenhang zwischen der Gesamtmenge an Kohlenhydraten und Fett in der Ernährung und der Sterblichkeit nicht gegeben sei.
„Entscheidend ist vielmehr die Qualität der Ernährung, also der Gehalt an wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen.“
Versorgung mit Mikronährstoffen
Entscheidend sei die Versorgung mit Mikronährstoffen – und dafür sei der Anteil an Kohlenhydraten und gesättigten Fetten in der Ernährung lediglich ein Indikator.
„Mit steigender Armut nimmt der Anteil an Kohlenhydraten deutlich zu und der von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, vor allem von Fleisch und Fleischprodukten, ab. Denn stärkehaltige Produkte wie Reis, Mais, Weizen, Kartoffeln oder Cassava sind preisgünstig und sättigen“, erklärt Prof. Dr. Birner.
Diese seien aber bezüglich der Versorgung mit essenziellen Mikronährstoffen eine schlechte Quelle, und die Versorgung zum Beispiel mit Eisen und Zink habe einen Einfluss auf die Sterblichkeit.
„Eine unzureichende Versorgung mit Mikronährstoffen, also Mineralstoffen und Vitaminen, erhöht das Krankheits- und so unweigerlich auch das Mortalitätsrisiko. Wenn die Qualität außen vor bleibt, führt die Betrachtung der Quantität von Makronährstoffen in der Ernährung leicht in die Irre“, so Prof. Dr. Jan Frank.
„Eine fettreiche, kohlenhydratarme Ernährung kann qualitativ genauso ungenügend sein wie eine fettarme, kohlenhydratreiche Ernährung.“
Arme und reiche Nationen unterscheiden sich bei Kohlenhydraten
„Wenn es um Kohlenhydratverzehr in armen Ländern geht, dann sprechen wir vor allem von Reis, Mais und Weizen“, fasst Prof. Dr. Biesalski zusammen. „Je größer deren Anteil an der Ernährung ist, desto geringer ist die Nahrungsqualität und desto höher auch die Sterblichkeit.“
In reichen Nationen jedoch liege die Kohlenhydratzufuhr im Bereich von 45 bis 55 Prozent.
„Hier bedeutet ein Zuviel an Kohlenhydraten vor allem ein Zuviel an Zucker und zuckerhaltigen Lebensmitteln. Diese zu reduzieren ist sicherlich kein Fehler und möglicherweise auch gesundheitsfördernd.“
„Eine sinnvolle Ernährungsempfehlung sollte die Qualität der Kohlenhydrate (Einfachzucker vs. Komplexe Kohlenhydrate) und die Ursachen für einen hohen Kohlenhydratverzehr (in armen Ländern vor allem Nahrungsmittelknappheit) berücksichtigen“, schreiben die deutschen Experten in einem Kommentar.
„Der Bevölkerung armer Länder zu empfehlen, die Kohlenhydratzufuhr zu senken und die Fettzufuhr zu steigern, ist vor dem Hintergrund des dort vorherrschenden Mangels an qualitativ hochwertiger Nahrung und geringen Auswahl an Lebensmitteln schlicht nicht realistisch“, heißt es dort weiter. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
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