Blutdruck 120 statt 140? Deutsche Hochdruckliga hält an moderaten Zielwerten fest
In Deutschland sind etwa 20 bis 30 Millionen Menschen von Bluthochdruck betroffen. Oft werden zwar Medikamente nötig, doch häufig reicht auch ein gesünderer Lebensstil, um den Blutdruck zu senken. Wie weit dieser reduziert werden soll, ist mittlerweile aber umstritten. Die Experten der Deutschen Hochdruckliga halten an moderaten Zielwerten fest.
Risikofaktor Nummer Eins für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
In Deutschland leiden etwa 20 bis 30 Millionen Menschen an Bluthochdruck. Hypertonie wird meist durch einen systolischen Blutdruck von über 140 mmHg und einen diastolischen Blutdruck von mehr als 90 mmHg definiert. Mittlerweile mehren sich jedoch die Stimmen, die meinen, dass 120 statt 140 das neue Blutdruck-Ziel sein soll. Die Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® – Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention hält aber aufgrund der aktuellen Datenlage an moderaten Zielwerten fest und betont die Notwendigkeit von exakten Messungen.
Blutdruck natürlich senken
Bluthochdruck wird von den Patienten lange nicht gespürt und fällt häufig erst auf, wenn er Organschäden verursacht hat. Er wird daher – wie auch andere Erkrankungen – als „stiller Killer“ bezeichnet.
Ein Großteil der Betroffenen nimmt Blutdrucksenker. Doch häufig lässt sich Bluthochdruck auch ohne Medikamente senken.
Neben einer Gewichtsreduktion, regelmäßiger Bewegung und Rauchverzicht kann vor allem auch eine ausgewogene, gesunde Ernährung dazu beitragen, den Blutdruck zu reduzieren.
Ganz wichtig hierbei ist: Salz nur in Maßen. Eine kochsalzreiche Kost kann den Blutdruck erhöhen. Pro Tag sollten nicht mehr als vier bis sechs Gramm Salz konsumiert werden.
Eine gute Unterstützung können manche Hausmittel gegen Bluthochdruck wie Kneipp´sche Anwendungen bieten.
Doch welche Blutdruckwerte sollen angestrebt werden?
Studienergebnisse gelten nur für bestimmte Patienten
Die amerikanische SPRINT-Studie hatte 2015 ergeben, dass eine intensive Blutdrucksenkung auf einen oberen systolischen Zielwert von unter 120 mmHg Menschen mit Bluthochdruck besser vor Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschwäche und Herz-Kreislauf-Tod schützt als der bisher bevorzugte Zielwert von unter 140 mmHg.
Wie die DHL in einer aktuellen Pressemeldung schreibt, gelten diese Studienergebnisse aber nur für bestimmte Patienten: für Menschen mit hohem kardiovaskulären Risiko, aber ohne Diabetes mellitus, nicht nach einem Schlaganfall oder bei orthostatischer Hypotonie, also wenn der obere Blutdruckwert im Stehen plötzlich abfällt.
Patienten mit diesen Erkrankungen waren aus der SPRINT-Studie explizit ausgeschlossen.
Moderater Zielblutdruck wird längst nicht bei allen erreicht
Die Fachgesellschaften in Kanada, Australien und Österreich, sowie die ISH (International Society of Hypertension) empfehlen seit der Publikation der SPRINT-Daten eine intensivere Blutdrucksenkung, auch wenn dies häufig den Einsatz zusätzlicher Medikamente erforderlich macht.
Die Task Force Wissenschaftliche Stellungnahmen und Leitlinien der DHL hat sich in ihrer aktuellen Stellungnahme diesen Empfehlungen nicht vollständig angeschlossen.
„Aufgrund der erweiterten Datenlage nach SPRINT sowie darauf bezogener Publikationen und Metaanalysen empfehlen wir weiterhin einen generellen Zielwert von unter 140/90 mmHg“, erklärte Professor Dr.med. Bernhard Krämer, DHL-Vorstandsvorsitzender und Mitglied der Task Force.
In Deutschland werde der moderate Zielblutdruck von 140/90 mmHg derzeit bei weniger als 60 Prozent der Patienten erreicht. „Wichtigstes Behandlungsziel für alle Ärzte muss daher sein, dass dieses Blutdruckziel erreicht wird“, so der Experte.
Intensivere Blutdrucksenkung geht mit mehr Nebenwirkungen einher
Nur bei den kardiovaskulären Risikopatienten analog zu SPRINT solle ein Wert von unter 135/85 mmHg angestrebt werden, so die „Empfehlungen 2017“.
Dies gilt damit für Patienten mit Herz-Kreislauf-Vorerkrankungen, außer Schlaganfall, im Alter von 75 Jahren oder älter, mit chronischer Nierenkrankheit CKD 3 und einem hohen vaskulären Gefäßrisiko.
„Eine intensivere Blutdrucksenkung geht mit mehr Nebenwirkungen einher“, erläuterte Professor Krämer. „Sie erfordert daher regelmäßige Labortests zu Nierenfunktion und Elektrolyten.“
Die „Empfehlungen 2017“ der DHL wurden vor kurzem in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ veröffentlicht.
Blutdruckmessung und Normwerte
Die aktuelle Stellungnahme der DHL thematisiert auch die Blutdruckmessung. In der SPRINT-Studie kam eine unkonventionelle Art der Blutdruckmessung – die automatisierte Praxisblutdruckmessung – zur Anwendung.
Sie erfolgte nach fünfminütiger Ruhephase mit einem automatischen Gerät in einem separaten Raum ohne Anwesenheit ärztlichen oder nichtärztlichen Personals.
„Diese Methode wird auf lange Sicht in Deutschland nicht flächendeckend verfügbar und praktikabel sein“, sagte Professor Krämer. „Mit ihr wurden in der SPRINT-Studie Werte gemessen, die wir nicht eins zu eins mit konventionell gemessenen Werten vergleichen können“.
Die „Empfehlungen 2017“ beziehen sich in ihren Angaben auf die konventionelle Praxisblutdruckmessung.
Auch in Deutschland kontrollieren immer mehr Patienten ihren Blutdruck selbst. Die DHL unterstützt dies zwar ausdrücklich, weist aber darauf hin, dass die Messwerte meist etwas niedriger als in der Arztpraxis ausfallen.
Der Grund ist ein erhöhter Stressfaktor beim Arztbesuch. In der Selbstmessung gilt deshalb ein Zielwert von unter 135/85 mmHg.
Professor Krämer erläuterte: „Die Patienten sollten mindestens eine Woche vor dem nächsten Arztbesuch täglich vier Messungen über sieben Tage zu Hause – zwei morgens, zwei abends – durchführen.“
Die zuverlässigsten Informationen über den Blutdruck liefert die 24-Stunden-Blutdrucklangzeitmessung. Hier gilt ein Zielwert von unter 130/80 mmHg. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.