Zuwendung durch Maschinen? Menschliche Roboter für Demenzkranke
In Deutschland leben derzeit fast 1,6 Millionen Menschen mit Demenz, zwei Drittel von ihnen haben Alzheimer. Die Zahl der Betroffenen nimmt stetig zu. Schon jetzt wäre dringend mehr Pflegepersonal nötig. Betroffenen sollen nun menschliche Roboter helfen. Doch können Maschinen menschliche Zuwendung ersetzen?
Zahl der Demenz-Patienten steigt und steigt
Weltweit leben derzeit rund 47 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung, hierzulande sind es laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft fast 1,6 Millionen, die meisten von ihnen haben Alzheimer. Doch die Zahl steigt immer weiter. Dem Alzheimer-Bericht zufolge kommt weltweit alle 3,2 Sekunden eine weitere Demenz-Diagnose hinzu. Das führt dazu, dass immer mehr Pflegepersonal benötigt wird. Im Rahmen des „MARIO“-Projekts wird derzeit an menschlichen Robotern gearbeitet, die Demenz-Patienten helfen sollen. Doch können Maschinen menschliche Zuwendung ersetzen?
Menschenähnlicher Roboter
Die Zahl der Demenz-Patienten wächst rasant und die Entwicklung effektiver Behandlungsmethoden macht zwar Fortschritte, doch eine Heilung bleibt vorerst nicht erreichbar.
Daher beschäftigen sich Wissenschaftler unter anderem auch mit der Frage, wie Betroffenen durch Technik geholfen werden kann.
Auch im Rahmen des Forschungsprojekts „Managing active and healthy aging with use of caring service robots“ (MARIO) versuchen Experten Wege zu finden, Patienten mit Demenz das Leben zu erleichtern – und zwar mithilfe des nach dem Projekt benannten menschlichen Roboters MARIO.
Beteiligt an der Arbeit sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Irland, Frankreich, Großbritannien, Europa und Deutschland. Sie arbeiten eng mit Pflegefachkräften, Krankenhäusern und Robotikfirmen zusammen.
Eine Ethikkommission unter der Leitung der National University of Ireland, Galway, begleitet die Arbeit der Forscherinnen und Forscher.
„MARIO ist ein aufregendes und innovatives Projekt, welches einen wichtigen Beitrag zur besseren Lebensqualität von Menschen mit Demenz leisten wird“, erklärte Prof. Dr. Siegfried Handschuh von der Universität Passau in einer älteren Mitteilung.
„In diesem Projekt wird an menschähnlichen Robotern gearbeitet, die das alltägliche Leben der Betroffenen einfacher gestalten“, so Prof. Handschuh.
Menschliche Zuwendung durch Maschinen?
Doch können Maschinen menschliche Zuwendung ersetzen? Die Deutschen sind da skeptisch. In Großbritannien, Irland und Italien stoßen Tests mit Pflegeroboter MARIO aus dem gleichnamigen EU-Projekt aber auf positive Resonanz.
„Um es ganz provokant zu sagen: Diese Roboter könnten sich in manchen Fällen um demenzkranke Patienten besser kümmern als eine überlastete Pflegekraft“, so Prof. Handschuh in einer aktuellen Pressemitteilung der Universität Passau, die vom „Informationsdienst Wissenschaft“ (idw) veröffentlicht wurde.
Das Forschungsteam hat die Roboter ein Jahr lang im Einsatz mit demenzkranken Patientinnen und Patienten getestet. In Großbritannien teilten sich die Menschen mit den Maschinen ihr zu Hause.
Handschuh ist Inhaber des Lehrstuhls für Informatik mit Schwerpunkt Digital Libraries and Web Information Systems an der Universität Passau. Gemeinsam mit seinem Team steuert er die Software bei, die dem Roboter MARIO Verständnis verleiht: für Sprache, aber auch für den Gemütszustand der jeweiligen Patientinnen und Patienten.
Durchwegs positive Rückmeldungen
Von August 2016 bis August 2017 begleiteten die Roboter Patientinnen und Patienten in Irland, Italien und Großbritannien.
Die Rückmeldungen seien durchwegs positiv gewesen: „Menschen mit Demenz mögen MARIO. Es bereitet ihnen Freude, mit dem Roboter zu interagieren. Wir hätten erwartet, dass der Roboter auf mehr Skepsis stoßen würde“, sagte Prof. Dr. Handschuh.
Dass Roboter als unterstützende Assistenten in der Pflege zum Einsatz kommen, beispielsweise für kräftezehrende Hebetätigkeiten, das können sich einer Umfrage zufolge noch viele Deutsche vorstellen.
Schwieriger wird es bei dem Gedanken, dass die Maschinen möglicherweise auch menschliche Zuwendung ersetzen könnten.
Das Leben von pflegebedürftigen Menschen erleichtern
Genau das kann MARIO. Zum Beispiel, indem er nicht müde wird, Fragen zu stellen, wie: „Hast Du heute schon Deine Medizin genommen?“ Oder, indem er auf den Gemütszustand des jeweiligen Patienten oder der Patientin reagiert.
„Wenn der Roboter gelernt hat, dass die Patientin möglicherweise jeden Tag morgens weint, weil sie sich an den verstorbenen Mann erinnert, dann kann der Roboter darauf reagieren. Indem er tröstet, indem er ablenkt. Beispielsweise, indem er Bilder von schönen Erlebnissen zeigt“, erklärte Projektmitarbeiter Dr. Adamantios Koumpis.
Das klingt kalt und banal. Doch manchen pflegebedürftigen Menschen kann dies das Leben erleichtern, bisweilen sogar retten. Denn der Roboter hätte deren Zustand stets im Blick und könnte das Pflegepersonal gezielt alarmieren, sobald er gravierende Änderungen feststellt.
Auch Änderungen, die auf den ersten Blick positiv erscheinen mögen: „Nehmen Sie die Frau, die jeden Morgen weint. Tut sie das eines Morgens nicht, kann dies durchaus ein Alarmsignal sein“, so Koumpis.
2018 sollen die Roboter auf den Markt kommen
Im Januar 2018 läuft das Projekt aus, dann sollen die Roboter auf den Markt kommen. Sie sollen durchaus erschwinglich sein.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten aus diesem Grund mit einem etwas älteren Modell, dem Kompai 2, den das französische Unternehmen Robosoft entwickelt hat. Dieses haben sie mit der Software aus Passau aufgerüstet.
Die Passauer sind Spezialistinnen und Spezialisten im Bereich des Natural Language Processing, einer Technologie, die es ermöglichen soll, dass Mensch und Maschine nicht nur miteinander kommunizieren können, sondern auch lernen, einander zu verstehen.
„MARIO versteht nicht alles, insbesondere, wenn jemand starken Dialekt spricht“, erklärte Koumpis. „Aber es bereitet den Menschen dennoch Freude, mit ihm zu kommunizieren.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.