Blinddarmentzündungen: Antibiotika reichen oft aus
Eine Blinddarmentzündung führt bei Betroffenen zunächst zu starken Bauchschmerzen, kann unbehandelt aber schlimme Folgen haben. In den meisten Fällen steht dann eine Operation an. Wie Forscher nun heraus fanden, können jedoch auch Medikamente eine Alternative zum Skalpell sein. Demnach kann ein Großteil der Patienten auch mit Antibiotika geheilt werden.
Patienten werden meist operiert
Eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) geht in der Regel mit starken Schmerzen im Unterbauch einher. Zudem treten häufig unspezifische Symptome, wie Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Fieber auf. Patienten werden in den meisten Fällen dann schnell operiert, doch diese Routine wäre möglicherweise gar nicht nötig, wie Wissenschaftler nun heraus fanden. Medikamente könnten demnach eine sinnvolle Alternative sein, denn bei einer unkomplizierten Appendizitis könne ein Großteil der erwachsenen Patienten auch ohne chirurgischen Eingriff geheilt werden. In vielen Fällen reiche die Gabe von Antibiotika aus.
Entzündung des Wurmfortsatzes muss behandelt werden
Zu diesem Ergebnis kamen finnische Forscher um Paulina Salminen vom Turku University Hospital, wie sie im Fachmagazin „Journal of the American Medical Association“ („Jama“) berichten. Die Wissenschaftler untersuchten für ihre Studie 530 Erwachsene, die mit akuten Beschwerden ins Krankenhaus gekommen waren und bei denen sich der Verdacht auf Blinddarmentzündung in der Computertomografie bestätigte. Die Bezeichnung „Blinddarmentzündung“ ist medizinisch eigentlich nicht korrekt, da sich vielmehr das Anhängsel des Blinddarms – der Wurmfortsatz – entzündet. Bereits ein festsitzender Kirschkern kann zu einer Entzündung führen. Wenn diese nicht behandelt wird, kann es zu einem Durchbruch des Blinddarms und infolge zu gefährlichen Infektionen im Bauchraum kommen.
Bei rund dreiviertel der Patienten keine Operation nötig
Die Studienteilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Die einen wurden operiert, die anderen mit Medikamenten behandelt. Bei den Patienten aus der OP-Gruppe wurde bei allen, bis auf einen, der Wurmfortsatz erfolgreich entfernt. Den Angaben zufolge waren bei dem Nicht-Operierten die Symptome vor dem Eingriff von selbst abgeklungen. Die Patienten, die zunächst drei Tage intravenös und dann für weitere sieben Tage oral ein Antibiotikum erhielten, profitierten überwiegend von dieser Therapie. So ließ die Entzündung bei 73 Prozent der Patienten während der Medikamentenbehandlung nach. Sie konnten die Klinik ohne OP verlassen, auch innerhalb des folgenden Jahres kam die Entzündung bei ihnen nicht zurück. Bei den verbliebenen 27 Prozent zeigte das Antibiotikum jedoch nicht die gewünschte Wirkung und sie mussten trotz der Behandlung operiert werden. Laut der „Süddeutschen Zeitung“ sagte Salminen: „Das zeigt klar, dass Patienten abwägen und sich zwischen der Operation und der medikamentösen Therapie entscheiden können.“
Ergebnisse gelten für Erwachsene
Die Forscher hoben hervor, dass ihre Ergebnisse zunächst für Erwachsene gelten und entsprechende Daten für Kinder noch nicht abgesichert sind. Allerdings tritt eine Appendizitis besonders häufig bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf. Bei einer komplizierten Blinddarmentzündung muss fast immer operiert werden. Wenn ein operativer Eingriff notwendig wird, bestehen im Wesentlichen zwei OP-Verfahren. Einerseits kann ein sogenannter Wechselschnitt angewendet werden, bei dem der Bauchraum des Patienten über dem Blinddarm geöffnet wird, so dass das entzündete Gewebe entfernt werden kann. Und andererseits besteht die Möglichkeit, eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) durchzuführen, bei der die Instrumente durch sehr kleine Schnitte in den Bauchraum geführt werden. Letztere Methode gilt als schonender.
Bisherige medizinische Routine überdenken
In einem begleitenden Kommentar („http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=2320296“) fordern Edward Livingston und Corrine Vons, die medizinische Routine zu überdenken, bei einer Appendizitis stets zu operieren. „Der chirurgische Eingriff hat vielen Patienten mehr als 100 Jahre lang sehr gut geholfen. Mit der Entwicklung besserer Diagnoseverfahren wie der Computertomografie und effektiven Breitbandantibiotika mag die Appendektomie aber in vielen Fällen unnötig sein“, erklärten die Mediziner. „Es zunächst mit Antibiotika zu versuchen und dann jene zu operieren, deren Zustand sich dadurch nicht verbessert hat, scheint ein vernünftiges Vorgehen zu sein.“ Wie es im Editorial heißt, seien weitere, größere Untersuchungen notwendig, um Nutzen und Risiken der beiden Behandlungen endgültig zu klären. Zwar behandeln heute auch schon manche deutsche Ärzte eine leichte Entzündung zunächst mit Antibiotika und Bettruhe, doch eine medikamentöse Behandlung kann Nebenwirkungen haben und birgt zudem das Risiko, dass sich resistente Krankheitserreger bilden. Eine Operation hingegen verläuft normalerweise ohne Komplikationen, bleibt jedoch ein größerer chirurgischer Eingriff. (ad)
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