Neue Studie belegt bahnbrechende Erfolge im Kampf gegen Epilepsie
Eine aktuelle Studie mit 10.000 untersuchten Patienten belegt den Erfolg von Gehirnoperationen, die bei Epilepsie-Patienten angewendet werden, welche durch Medikamente nicht anfallsfrei sind. Federführende deutsche Neuropathologen, Neurologen und Neurochirurgen berichten in der Studie über die Voraussetzungen und Erfolgschancen der vielversprechenden Operation.
Menschen, die unter epileptischen Anfällen leiden, haben starke Einschränkungen im Alltag. Die Anfälle kommen meisten völlig unerwartet. Viele Betroffene haben keine Erinnerung mehr an die Anfälle und sind komplett hilflos. Die Krankheit hat viele Gesichter. Sie äußert sich in Gefühlsstörungen oder Zuckungen eines Arms oder Beins ohne Einschränkung des Bewusstseins über Anfälle mit Bewusstseinstrübung und nicht steuerbaren Handlungen bis hin zu Verkrampfungen und Zuckungen des ganzen Körpers. Epilepsie gehört zu den häufigsten chronischen Krankheiten, die das Gehirn betreffen. Fünf bis zehn Prozent aller Menschen erleiden zumindest einen epileptischen Anfall in ihrem Leben. Treten diese Anfälle häufiger auf, spricht man von Epilepsie. Kann eine Gehirnoperation den Betroffenen dauerhaft helfen?
Der Schnitt für mehr Lebensqualität
Die renommierte Fachzeitschrift „The New England Journal of Medicine“ veröffentlichte die aktuelle Studie, welche die Daten von knapp 10.000 Patienten augewertet hat, die sich der besagten Gehirnoperation unterzogen. Die Ergebnisse sind vielversprechend. Im Schnitt wurde bei sechs von zehn Patienten durch den Eingriff eine Anfallsfreiheit erreicht, obwohl eine medikamentöse Behandlung im Vorfeld keine Erfolge erzielte. Voraussetzung für den Erfolg des Eingriffes sei, laut der Studie, eine sichere Identifikation der Hirnregion, von der die Anfälle ausgehen. Diese Hirnregion wird dann durch den chirurgischen Eingriff komplett entfernt.
Ein Umdenken in der herkömmlichen Behandlung ist gefragt
Aufgrund des Erfolges der Studie fordern die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) und die Deutsche Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie (DGNN) nun ein Umdenken bei der Behandlung von Epilepsien. „Man sollte Patienten, die eine hohe Heilungschance haben, so früh wie möglich identifizieren und operieren“, berichtet Professor Jörg Wellmer, Leiter der Ruhr-Epileptologie an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Knappschaftskrankenhaus Bochum und Vorsitzender der Kommission Bildgebung der DGfE.
Neue Chancen auch für Kinder, die an Epilepsie leiden
Durchschnittlich bekommen Patienten erstmal 16 Jahre lang Medikamente, bevor eine Operation in Betracht gezogen wird. Doch drei Viertel aller Epilepsien beginnen bereits im Kindesalter. Für diese Kinder gehen viele berufliche und soziale Perspektiven verloren, wenn eine Operation erst als letzte Behandlungsoption nach dem Scheitern jeder Arzneimitteltherapie betrachtet werde, berichtet die DGN. Die Ergebnisse der Studie zeigen hingegen andere Herangehensweisen auf, denn 65 Prozent der operierten Kinder waren nach dem Eingriff anfallsfrei. Bei Erwachsenen lag die Erfolgsquote bei 58 Prozent.
Letzter Ausweg Operation?
Laut der DGN leiden in Deutschland mehr als 600.000 Patienten unter Epilepsien. Nur bei etwas mehr als der Hälfte der Epilepsie-Patienten könne mit Medikamenten eine Anfallsfreiheit erreicht werden. Die restlichen Betroffenen seien pharmakoresistent. Für diese Patienten biete die Epilepsiechirurgie eine einzigartige Chance, die Epilepsie zu heilen. „Allerdings zögern viele Ärzte und Patienten, weil sie einen hirnchirurgischen Eingriff nur als letzten Ausweg betrachten“, erläutert Professor Holger Lerche, Koautor der Studie, Vorstand am Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung und Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie der Universität Tübingen. „Dabei machen moderne Operationstechniken die Epilepsiechirurgie in spezialisierten Zentren zu einem sehr sicheren Verfahren“, so der Experte weiter.
Experten fordern: Frühere Behandlung durch Gehirn-OP
Ein Patient, der nach Behandlungsversuchen mit mindestens zwei Medikamenten in ausreichender Dosierung nicht anfallsfrei wird, gilt nach der Definition der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) von 2010 als pharmakoresistent. „An dieser Stelle sollte eine Überweisung an ein Epilepsiezentrum erfolgen, um die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs zu prüfen“, folgert Professor Lerche. (fp)
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