US-Gesundheitsexperten senken Richtwert für Bluthochdruck
Bluthochdruck tut zwar nicht weh, er gefährdet jedoch akut die Gesundheit und erhöht unter anderem das Risiko für Herzerkrankungen. Doch schon seit längerem tobt unter Fachleuten ein Streit darüber, wie hoch der Blutdruck tatsächlich sein darf. In den USA wurden die Blutdruckrichtwerte nun gesenkt. Experten gehen davon aus, dass die Zielwerte voraussichtlich auch in Europa reduziert werden.
Blutdruckrichtwerte gesenkt
Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge leidet fast jeder dritte Erwachsene in Deutschland an Hypertonie. Viele ahnen nichts von ihrem Bluthochdruck. Das kann gefährliche Folgen haben, denn unbehandelter Bluthochdruck steigert das Risiko unter anderem für Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschwäche und Nierenversagen. Es ist also klar, dass man Hypertonie besser früh diagnostizieren und therapieren sollte. Doch darüber, welche Werte dabei anzustreben sind, ist unter Fachleuten ein Diskurs entstanden. Gesundheitsexperten aus den USA haben die Blutdruckrichtwerte nun gesenkt. Auch in Deutschland könnten die Zielwerte angepasst werden.
Jeder zweite US-Amerikaner hat nun Bluthochdruck
Nach Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt ein systolischer Blutdruck von mehr als 140 mmHg und/oder ein diastolischer Blutdruck von mehr als 90 mmHg als Hypertonie.
Doch nach Veröffentlichung der sogenannten SPRINT-Studie aus den USA vor zwei Jahren hieß es, 120 statt 140 soll das neue Blutdruckziel sein.
Das American College of Cardiology (ACC) und die American Heart Association (AHA) haben nun auf einem Kongress in Kalifornien ihre aktualisierte Hypertonie-Leitlinie vorgestellt.
Die auch im Fachmagazin „Hypertension“ veröffentlichte Leitlinie senkt den Grenzwert für eine arterielle Hypertonie von 140/80 mmHg auf 130/90 mmHg.
Damit haben nun fast die Hälfte aller erwachsenen US-Amerikaner einen zu hohen Blutdruck.
Leben retten und Geld sparen
„Ja, wir werden mehr Menschen als Bluthochdruckpatienten etikettieren und mehr Medikamente verschreiben, aber wir werden Leben retten und Geld sparen, indem wir mehr Schlaganfälle, kardiovaskuläre Ereignisse und Nierenversagen verhindern“, sagte Dr. med. Kenneth Jamerson von der Universität von Michigan in einer Mitteilung der AHA.
Der Mediziner ist einer von 21 Experten, die an der Erstellung der neuen Leitlinie beteiligt waren. Diese war den Angaben zufolge seit etwa drei Jahren in Arbeit und basiert auf Hunderten von Studien.
Wie es in der Mitteilung heißt, deutet die neue Leitlinie jedoch keine massive Zunahme der Anzahl an Patienten an, die Medikamente zum Blutdruck senken nehmen müssen.
Stattdessen wird betont, dass sich Ärzte stärker auf gesündere Veränderungen des Lebensstils der Patienten konzentrieren müssen.
In einer Mitteilung des ACC erklärte der Vorsitzende des Richtlinienkomitees, Paul Whelton:
„Wir wollen direkt zu den Menschen sein – wenn sie bereits eine Verdoppelung des Risikos haben, müssen sie darüber Bescheid wissen. Das bedeutet nicht, dass sie Medikamente brauchen, aber es ist ein Warnzeichen, das sie ihren Blutdruck senken müssen, hauptsächlich mit nicht-medikamentösen Ansätzen.“
„Ich behaupte nicht, dass es leicht ist, unsere Lebensweise zu ändern, aber darum geht es in erster Linie“, so der Wissenschaftler von der Tulane University in New Orleans.
Blutdruck natürlich senken
Es ist lange bekannt, dass sich Bluthochdruck in vielen Fällen auch ohne Medikamente senken lässt.
Neben einer Gewichtsreduktion, regelmäßiger Bewegung – idealerweise Ausdauersport – und Rauchverzicht kann vor allem auch eine ausgewogene, gesunde Ernährung dazu beitragen, den Blutdruck zu reduzieren.
Ganz wichtig hierbei ist: Salz nur in Maßen. Eine kochsalzreiche Kost kann den Blutdruck erhöhen. Pro Tag sollten nicht mehr als vier bis sechs Gramm Salz konsumiert werden. Zu beachten ist, dass auch in den meisten Fertigprodukten oft große Mengen Salz enthalten sind.
Der Speiseplan sollte allgemein viel Obst und Gemüse enthalten. Besonders empfehlenswert sind unter anderem Knoblauch, Rote-Beete-Säfte und Weißdorn.
Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge können auch scharfe Chilis, violette Kartoffeln und Natur-Joghurt Bluthochdruck lindern.
Auch eine Magnesium-Ergänzung hilft in vielen Fällen. Auf Alkohol sollte soweit wie möglich verzichtet werden.
Des Weiteren können Entspannungsübungen zum Stressabbau wie Yoga oder autogenes Training sehr wirkungsvoll sein und zu hohe Blutdruckwerte positiv beeinflussen.
Eine gute Unterstützung können manche Hausmittel gegen Bluthochdruck wie Kneipp´sche Anwendungen bieten.
Europäischen Leitlinien für Bluthochdruck
„Die neuen Richtlinien geben Patienten eine Stimme, weil sie ihnen die Möglichkeit geben, Gesundheitsdienstleister zu fragen: „Was ist mein Risiko?““, sagte Jamerson von der University of Michigan.
„Die Verbraucher sollten eine Erklärung bekommen. Ärzte sollten das Risiko berechnen, wenn sie darüber nachdenken, wie sie behandeln sollen.“
Auch hierzulande sollen die Blutdruckrichtwerte vermutlich angepasst werden. So erklärte Roland Schmieder vom Universitätsklinikum Erlangen laut „Spiegel Online“: „Auch in Europa und in Deutschland werden wir die Zielwerte voraussichtlich senken.“
„Aber wir werden versuchen, stärker zu differenzieren, um eine Übertherapie zu verhindern“, so der Experte, der an der Erstellung der Europäischen Leitlinien für Bluthochdruck mitwirkt.
Den Angaben zufolge werden die überarbeiteten Leitlinien im Sommer 2018 veröffentlicht und kurze Zeit später auch für Deutschland angepasst werden.
„Die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren haben deutlich gezeigt, dass es sinnvoll ist, niedrigere Zielwerte anzustreben als bislang“, so Schmieder laut dem Nachrichtenmagazin. „Ob die Werte auf 135/85 oder 130/80 gesenkt werden, ist aber noch unklar.“
Moderate Blutdruckziele
Die SPRINT-Studie war die wohl wichtigste wissenschaftliche Untersuchung, die zum Überdenken der bisherigen Blutdruckrichtwerte führte.
Allerdings ist vielen nicht klar, dass deren Ergebnisse nur für bestimmte Patienten gelten. Die Deutsche Hochdruckliga wies daher erst vor wenigen Wochen darauf hin, dass sie an „moderaten Zielwerten“ festhält.
„Aufgrund der erweiterten Datenlage nach SPRINT sowie darauf bezogener Publikationen und Metaanalysen empfehlen wir weiterhin einen generellen Zielwert von unter 140/90 mmHg“, erklärte Professor Dr.med. Bernhard Krämer, Vorstandsvorsitzender der Hochdruckliga, in einer Mitteilung.
Den Angaben zufolge werde der moderate Zielblutdruck von 140/90 mmHg derzeit bei weniger als 60 Prozent der Patienten erreicht. „Wichtigstes Behandlungsziel für alle Ärzte muss daher sein, dass dieses Blutdruckziel erreicht wird“, forderte der Experte. (ad)
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.