Neue Antibiotika sollen die Umweltbelastung reduzieren
Die Anreicherung von Antibiotika in der Umwelt ist ein massives Problem, vor allem, weil sie zur vermehrten Entwicklung resistenter Erregern führt. Wissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg haben jetzt ein Antibiotikum entwickelt, das sich nicht in der Umwelt anreichert und somit der Entwicklung von Resistenzen vorbeugen kann.
Die Wissenschaftler konzentrierten sich bei ihrer Forschung auf das Breitband-Antibiotikum Ciprofloxacin, welches häufig eingesetzt wird und nach medizinischer Verwendung – wie andere Antibiotika auch – weitgehend unverändert in die Umwelt gelangt. Dort bleiben die Arzneimittel weiter aktiv und bereits durch kleine Konzentrationen des Wirkstoffs werde die Entwicklung resistenter Krankheitserreger gefördert, berichtet das Team um Professor Dr. Klaus Kümmerer von der Leuphana Universität. Die Wissenschaftler haben daher ein Antibiotikum dieser Substanzklasse entwickelt, das durch natürliche Zerfallsprozesse in der Umwelt unwirksam wird.
Anreicherung von Antibiotika in der Umwelt
Den Angaben der Experten zufolge werden jährlich rund 33 Tonnen des Wirkstoffs Ciprofloxacin in Deutschland in der Human- und Tiermedizin eingesetzt – Tendenz steigend. Dabei zerfalle Ciprofloxacin nach dem Ausscheiden aus dem Körper allerdings nicht in der Umwelt und werde auch nicht biologisch abgebaut. Stattdessen reichere sich der aktive Wirkstoff in Gewässern, deren Sedimenten oder im Klärschlamm an. Mit dem Einsatz von Klärschlamm als Dünger gelange Ciprofloxacin auch in Böden. Zudem werde der Wirkstoff durch den Einsatz in der Tierhaltung direkt mit der Gülle in den Boden eingetragen.
Abbaubare Wirkstoffe gefragt
Bereits geringe Ciprofloxacin-Konzentrationen in Böden bzw. Sedimenten und Gewässern können laut Aussage der Forscher zur Ausbreitung von Resistenzen beitragen. Zudem werde Ciprofloxacin – ähnlich wie andere Arzneimittelwirkstoffe – von Nahrungspflanzen aufgenommen. Um die Umweltverschmutzung und -gefährdung durch Antibiotika zu reduzieren, müssen Wirkstoffe zum Einsatz kommen, die biologisch abbaubar sind und zerfallen. Hier lautet die Antwort der Lüneburger Wissenschaftler„Benign by Design“. Ein Ansatz, bei dem neue Moleküle so konstruiert werden, dass sie am Ende umweltverträglicher sind.
Fünf Jahre Forschung
Die Wissenschaftler konzentrierten ihre Arbeit auf den Wirkstoff Ciprofloxacin, da dieser häufig zum Einsatz kommt und besonders lange in der Umwelt verbleibt. Fünf Jahre haben sie ausgehend von Ciprofloxacin an der Entwicklung eines Antibiotikums geforscht, „das nach seiner medizinischen Verwendung zerfällt und nicht mehr aktiv ist“, so die Mitteilung der Universität. Dafür mussten wir zunächst „das Molekül sehr genau kennen lernen“, betont Dr. Christoph Leder von der Leuphana Universität.
Funktionierende Wirkstoffe jetzt verfügbar
Die Herausforderung war es, die chemischen Bindungen des Wirkstoffs so klug zu destabilisieren, dass sie beispielsweise im Blut ausreichend stabil bleiben, nach ihrer Passage durch den Körper aber zerfallen. Dies ist den Wissenschaftlern gelungen und die neu entwickelten Wirkstoffe wurden durch die Leuphana Universität bereits zum Patent angemeldet. Professor Kümmerer betont, dass jetzt Wirkstoffe zur Verfügung stehen, die im Reagenzglas funktionieren. Allerdings gebe es noch kein fertiges Medikament. Dies sei nun die Aufgabe von potentiellen Partnern in der Pharmaindustrie.
Klärprozess ein Inkubator für resistente Bakterien
Der Bedarf nach biologisch abbaubaren Antibiotika ist groß. Zur Verdeutlichung erläutert Dr. Leder, dass allein bei Ciprofloxacin das siebenfache Wasservolumen des Bodensees erforderlich wäre, „um die in Deutschland jährlich verwendete Menge auf eine unbedenkliche Konzentration zu verdünnen.“ Besonders problematisch sei die Wirkung von Antibiotika in Abwässern, so der Experte unter Verweis auf frühere Studienergebnisse. Denn die Bakterien des Wildtyps werden von den Medikamenten zwar angegriffen, doch die resistenten Mutanten reagieren nicht und können sich weiter teilen. So werde der gesamte Klärprozess zu einem „Inkubator für resistente Bakterien“, betont Dr. Leder. Nach neusten Erkenntnissen seien dabei schon deutlich geringere Konzentrationen als bisher angenommen ein Vorteil für die mutierten Bakterien.
Abbaubarkeit in der Umwelt als Zulassungskriterium
Professor Kümmerer und Kollegen hoffen angesichts ihrer aktuellen Studienergebnisse, dass in Zukunft die Abbaubarkeit von Antibiotika und anderen Arzneimittelwirkstoffen in der Umwelt ein Zulassungskriterium wird, da die Machbarkeit nun demonstriert wurde. Insgesamt könne der Erfolg zu einem „game changer“ werden, denn „neue Moleküle eröffnen auch neue Marktchancen, insbesondere, wenn sie wie in diesem Fall ihre Umweltverträglichkeit von Anfang an eingebaut bekommen haben“, betont Professor Kümmerer. (fp)
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