Hirnschrittmacher könnte nach Schlaganfall Gangstörungen verbessern
In Deutschland erleiden jedes Jahr mehr als eine Viertelmillion Menschen einen Schlaganfall. Viele der Patienten können nach einem Hirninfarkt kaum oder gar nicht mehr gehen. Forscher berichten nun, dass die Gangstörungen der Betroffenen womöglich mithilfe eines Hirnschrittmachers verbessert werden könnten.
Viele Schlaganfall-Patienten können kaum oder gar nicht gehen
Schlaganfälle stellen eine der häufigsten Todesursachen hierzulande dar. Zudem führt die Erkrankung in vielen Fällen zu bleibenden Behinderungen und zu Folgeerkrankungen. So kommt es innerhalb der ersten drei Monate nach einem Hirninfarkt bei 19 Prozent aller Patienten zu einem schweren kardialen Zwischenfall: einem Herzinfarkt oder zu einem plötzlichen Herztod. Und etwa ein Drittel der Überlebenden eines Schlaganfalls können kaum oder gar nicht mehr gehen. Diese Gangstörungen könnten womöglich mithilfe eines Hirnschrittmachers verbessert werden.
Bislang keine wirklich wirksamen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten
Eine neue Studie an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW) lässt hoffen, dass durch die elektrische Stimulation einer bestimmten Mittelhirnregion die Gangstörungen von Schlaganfallpatienten gebessert werden könnten.
Wie es in einer Mitteilung der Klinik heißt, können etwa ein Drittel der Überlebenden eines Schlaganfalls kaum oder gar nicht mehr gehen.
„Für diese chronischen Gangstörungen gibt es bisher keine wirklich wirksamen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten – und auch die Erfolge von übenden Therapien sind sehr beschränkt“, erläutert Prof. Dr. Jens Volkmann, Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW.
Jetzt haben Mitarbeiter seiner Klinik in einem seit dem Jahr 2015 laufenden Forschungsprojekt möglicherweise einen neuen, vielversprechenden Behandlungsansatz gefunden.
In der Fachzeitschrift „Annals of Neurology“ berichten sie über ihre Ergebnisse.
Gehfähigkeit wiederherstellen
In einem Tiermodell des Schlaganfalls bei Ratten konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die elektrische Stimulation einer bestimmten Mittelhirnregion die koordinierte Gehfähigkeit der Tiere wiederherstellen kann.
„Das mesencephale lokomotorische Zentrum ist schon länger als Koordinationszentrum des Gehens bekannt“, berichtet Dr. Felix Fluri. Der Oberarzt des UKW betreute maßgeblich die gemeinsam mit Prof. Volkmann und Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz konzipierte Studie.
Allerdings werde die fragliche Mittelhirnzone nach seinen Worten von einem typischen Schlaganfall im Bereich des Großhirns nicht betroffen.
Weshalb sie trotzdem in Folge des Schlaganfalls ihre Funktion in der Steuerung des Gehens nicht mehr korrekt ausübt, sei bislang nicht bekannt. Warum und wie wirkt dann ihre elektrische Stimulation?
Vermutung: Störende Signale werden abgeschirmt
„Wir vermuten, dass die elektrische Reizung die mesencephale Lokomotionsregion von störenden Signalen aus übergeordneten Hirnregionen abschirmt“, so Dr. Fluri.
„Dadurch wird das Mittelhirn wieder in die Lage versetzt, das Gehen über nachgeordnete Rückenmarkszentren normal zu kontrollieren und zu steuern.“
Dabei seien die positiven Effekte auf die Gehfähigkeit zeitlich streng an die elektrische Reizung gebunden.
„Das funktioniert wie mit einem Schalter: Strom an – die Ratten können sich normal bewegen, Strom aus – die Ratten haben massive motorische Einschränkungen“, erklärt der Mediziner.
Hoffnung: Tiefe Hirnstimulation auf Schlaganfall adaptierbar
„Diese Arbeit könnte von unmittelbarer Relevanz für Schlaganfallpatienten sein“, meint Prof. Volkmann.
„Mit der tiefen Hirnstimulation verfügen wir bereits über ein zugelassenes Verfahren, das in anderen Hirnregionen und bei anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel der Parkinson-Krankheit, sehr gute Erfolge erzielt“, so der Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik des UKW.
„Vor diesem Hintergrund streben wir eine klinische Prüfung der Übertragbarkeit des Verfahrens auf geeignete Schlaganfallpatienten in naher Zukunft an“, sagt Prof. Volkmann. (ad)
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Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.