Zuckeraustauschstoff fördert die Ausbreitung gefährlicher Durchfallerreger
In den vergangenen Jahren sind die Infektionen mit dem Darmkeim Clostridium difficile weltweit dramatisch gestiegen. Insbesondere bei den Krankenhausinfektionen spielt der Erreger eine Rolle, aber auch in der Allgemeinbevölkerung wird eine zunehmende Häufigkeit der Infektionen beobachtet. Wissenschaftler haben nun einen überraschenden Erklärungsansatz für die Zunahme der entsprechenden Infektionen präsentiert. Demnach könnte der Zuckeraustauschstoff Trehalose eine maßgebliche Rolle bei der Ausbreitung besonders aggressiver Stämme des Bakteriums Clostridium difficile spielen.
Das Forscherteam um Professor Dr. Robert Britton vom Baylor College of Medicine (USA) hat in seiner aktuellen Studie die zunehmende Anzahl und die steigende Schwere der Clostridium-difficile-Infektionen mit Trehalose in Verbindung gebracht. „C. Difficile-Infektionen waren schon immer ein Problem in Krankenhäusern, aber in den letzten 15 Jahren sind sie die häufigste Ursache von Krankenhaus-erworbenen Infektionen in entwickelten Ländern geworden“, so Prof. Britton. Der Zuckeraustauschstoff könnte hieran einen wesentlich Anteil haben. Ihre Studienergebnisse haben die Forscher in dem Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht.
Schwere Durchfallerkrankungen und lebensbedrohliche Dickdarmentzündungen
Die Bakterien der Gattung Clostridium difficile verursachen beim Menschen eine schlimmstenfalls lebensbedrohliche Entzündung des Dickdarms und starken Durchfall. Besonders gefährdet sind „Patienten im Alter von 65 Jahren und älter, und die meisten Infektionen treten bei Menschen auf, die medizinische Versorgung und Antibiotika erhalten haben“, berichten die Wissenschaftler. In den USA bilden Clostridium-difficile-Infektionen eine der Hauptursachen für den Tod durch Infektionskrankheiten und im Jahr 2015 seien laut Angaben der US-Gesundheitsbehörde (Center for Disease Control and Prevention; CDC) fast eine halbe Million Infektionen und 29.000 geschätzte Todesfälle zu verzeichnen gewesen, so die Mitteilung des Baylor College of Medicine.
Zwei Bakterienlinien haben sich zunehmend verbreitet
Die Wissenschaftler konnten nach eigenen Angaben feststellen, dass vor allem die „C. difficile-Linien RT027 und RT078 in jüngster Zeit auf der ganzen Welt dominant geworden sind.“ Zwar seien diese Linien schon seit Jahren in Menschen vorhanden, ohne größere Ausbrüche zu verursachen; und in den 1980er Jahren waren sie nicht epidemisch oder hypervirulent. „Aber nach dem Jahr 2000 begannen sie zu dominieren und große Ausbrüche zu verursachen“, so der Erstautor der Studie, Dr. James Collins. Die Forscher stellten sich daher die Frage, wieso diese Linien zu einem solchen Gesundheitsrisiko werden konnten.
Bakterien können auch bei geringer Trehalose-Konzentration wachsen
Die Wissenschaftler analysierten zunächst die Nahrungsquellen der beiden C. difficile-Linien und entdeckten dabei, dass diese auch bei geringer Zufuhr des Zuckeraustauschstoffs Trehalose wachsen können. Den Bakterienlinien habe eine etwa 1000-mal niedrigere Konzentration der Trehalose zum Wachsen ausgereicht, verglichen mit den übrigen Bakterien der gleichen Gattung, schreiben die Forscher. Dies erklärt allerdings noch nicht, warum die Infektionen zu schwereren Symptomen führen als früher. Hier ist laut Aussage der Forscher die erhöhte Toxizität der Bakterien verantwortlich, denn diese steigt ebenfalls bei Zufuhr des Zuckeraustauschstoffs Trehalose.
Erhöhte Mortalität im Mausmodell
Im Mausmodell überprüften die Wissenschaftler ihre Vermutungen. Sie verabreichten Mäusen, die mit einen Stamm der RT027-Linie von C. difficile besiedelt wurden, eine Diät mit oder ohne Trehalose. „Was die Mäuse aßen, wirkte sich auf die Virulenz der Infektion aus und die Mortalität war in der Trehalose-konsumierenden Gruppe höher“, berichtet Dr. Collins. Die erhöhte Krankheitsschwere in Gegenwart von Trehalose lasse sich hierbei nicht mit einer höheren Anzahl von Bakterien erklären, sondern sei auf die Erhöhung der Toxizität bei RT027 zurückzuführen.
Steigende Zahl der Ausbrüche seit Zulassung von Trehalose
Die gewonnen Erkenntnisse spiegeln sich laut Aussage der Forscher auch in der steigenden Anzahl der Clostridium-difficile-Infektionen seit rund 15 Jahren wieder. Denn „im Jahr 2000 wurde Trehalose als Lebensmittelzusatzstoff in den USA für eine Reihe von Lebensmitteln von Sushi und Gemüse bis hin zu Eiscreme zugelassen, und etwa drei Jahre später begannen die Berichte über Ausbrüche mit diesen Linien zuzunehmen“, erläutert Prof. Britton.
Unerwartete Folgen der Zuckeralternative
Zwar könnten andere Faktoren ebenfalls zu den vermehrten C. Difficile-Ausbrüchen beigetragen haben, „aber wir glauben, dass Trehalose ein wichtiger Auslöser ist“; so Britton weiter. Wichtig sei vor allem die Erkenntnis, dass das, was einst für eine vollkommen sichere Zuckeralternative gehalten wurde, unerwartete Folgen haben kann. Insbesondere die Wirkung von Trehalose in der Ernährung bei Patienten in Krankenhäusern mit RT027 und RT078 Ausbrüchen müsse nun weiter untersucht werden. (fp)
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