HZI: Artenvielfalt guter Darmbakterien hält uns gesund
Die Bedeutung der Darmflora für unsere Gesundheit ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den Fokus der Forschung gerückt. Vor allem die Stärkung der Immunabwehr durch gesunde Darmbakterien bietet dabei unter medizinischen Gesichtspunkten interessante Ansatzpunkte. Wie die nützlichen Darmbakterien das Immunsystem stärken blieb bislang allerdings weitgehend unklar. Die kurzkettige Fettsäure Butyrat, welche von Darmbakterien gebildet wird, scheint hier eine besondere Rolle zu spielen.
„Die kurzkettige Fettsäure Butyrat wird von Darmbakterien gebildet und ist die Hauptenergiequelle der Darmzellen“, berichtet das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Butyrat stelle einen wichtigen Faktor für die Gesunderhaltung des Menschen dar, weil sie das Darmepithelium stärkt und die lokale Immunabwehr stabilisiert. In einer aktuellen Studie haben die Forscher des HZI nun einen Weg entwickelt, um Butyrat-bildende Bakteriengruppen des Darmmikrobioms zu identifizieren. Ihre Ergebnisse haben sie in dem Fachmagazin „mSystems“ veröffentlicht.
Butyrat von entscheidender Bedeutung
„Die Forscher konnten zeigen, dass im Durchschnitt über 20 verschiedene Butyrat-bildende Arten im Darm einer Person zu finden sind, die sich unterschiedlichen Umweltbedingungen gezielt anpassen können, um in ihrer Gesamtheit die menschliche Gesundheit zu erhalten“, so die Mitteilung des HZI. Die spezielle kurzkettige Fettsäure Butyrat hat laut Aussage der Forscher weitreichende Wirkung auf die Gesundheit des Menschen. Ein chronischer Mangel an Butyrat stehe in Verbindung mit Erkrankungen wie Typ 2-Diabetes, Fettleibigkeit und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Welche Bakterien können Butyrat bilden?
Die Butyrat produzierenden Bakterien sind daher von besonderem Interesse in der aktuellen Mikrobiomforschung, welche sich bisher vor allem auf Untersuchungen einzelner Bakterienarten konzentrierte. Den HZI-Wissenschaftlern ist es jetzt allerdings nach eigenen Angaben gelungen, einen „Workflow“ zu entwickeln, „der es erlaubt, die große Vielfalt der Darmbakterien, welche Butyrat bilden können, aufzudecken und somit das gesamte Butyrat-produzierende Potenzial komplexer Bakteriengemeinschaften zu erforschen.“
Darmflora erschließt zusätzliche Energiequellen
Die Ballaststoffe, welche mit der Nahrung aufgenommen werden, werden im Dickdarm durch die dort heimische Bakteriengemeinschaft unter anderem in kurzkettige Fettsäuren abgebaut, erläutern die Wissenschaftler. Damit erschließe die Darmflora dem menschlichen Körper eine Energiequelle, die er mit eigenen Mitteln nicht zu nutzen vermag. Durch die gebildeten Fettsäuren werden über 70 Prozent des Energiestoffwechsels der Epithelzellen des Darms abgedeckt, so die HZI-Forscher weiter. Butyrat, das Salz der Buttersäure, stelle dabei die wichtigste Energiequelle für die Darmzellen dar.
Artenvielfalt der Darmbakterien verstehen
Den Angaben der Wissenschaftler zufolge ist von Mikroorganismen produziertes Butyrat essenziell für die Erhaltung der Gesundheit. Neben der Ernährung der Darmzellen steuere es auch die immunologischen Abwehrkräfte des Darms und beeinflusse zudem verschiedene Stoffwechselwege im ganzen Körper, zum Beispiel in der Leber oder im Gehirn. Angesichts ihrer gesundheitsfördernden Wirkung besteht ein großes medizinische Interesse daran, die Butyrat-bildenden Bakteriengemeinschaften zu identifizieren. „Die Forscher wollen ihre Artenvielfalt und Ökologie in den verschiedenen Bereichen des Darms besser verstehen“, berichtet das HZI.
Butyrat-Mangel erhöht das Erkrankungsrisiko
Laut Dr. Marius Vital, Wissenschaftler in der HZI-Arbeitsgruppe „Mikrobielle Interaktionen und Prozesse“, wurde ein chronischer Mangel an Butyrat in verschiedenen früheren Studien in Zusammenhang „mit dem Auftreten von Krankheiten wie Typ 2-Diabetes, Fettleibigkeit oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen gebracht.“ Auch erhöhe sich bei chronischem Butyrat-Mangel das Risiko von Infektionskrankheiten im Darm.
Leistungsfähigkeit der gesamten Bakteriengemeinschaft betrachten
Dem Experten zufolge besteht die Butyrat-produzierende Gemeinschaft im Darm aus vielen Bakterienstämmen und bildet eine biochemisch diverse Gruppe. Etliche Bakterienarten seien dabei involviert, „vor allem verschiedene Firmicutes und auch einige Bacteriodetes.“ Häufig werde allerdings „die funktionelle Leistungsfähigkeit der gesamten Bakteriengemeinschaft im Darm vernachlässigt, was eine umfassende Analyse zur Butyratbildung erschwert.“
Funktionelle Bakterienarten identifizieren
Die Wissenschaftler haben jetzt eine Methode entwickelt, um die Zusammensetzung der Butyrat-Bildner im Detail zu quantifizieren und zu identifizieren sowie deren biochemische und taxonomische Vielfalt zu analysieren, berichtet das HZI. Anhand der Informationen aus verschiedenen öffentlich verfügbaren Datensätzen von Patienten mit unterschiedlichen Erkrankungen wie Diabetes, Fettleibigkeit oder Leberzirrhose konnten die Forscher ökologische Schlüsselmerkmale der funktionellen Bakteriengemeinschaft identifizieren und gewannen wichtige Informationen zu deren Rolle für die Gesundheit des Menschen.
Durchschnittlich 20 Butyrat-bildende Bakterienarten in der Darmflora
Jeder Mensch verfügt laut Angaben dert Forscher im Durchschnitt über 20 Bakterienarten in der Darmflora, die in der Lage sind, Butyrat zu bilden. Die Untersuchungen haben gezeigt, „dass viele Bakterien die für uns so wichtige Fettsäure produzieren“, betont Dr. Vital. Die große Artenvielfalt an Butyrat-bildenden Bakterien helfe, eine funktionelle Stabilität des Darmmikrobioms im Alltag zu erhalten und auch grobe Störungen wie eine Antibiotikabehandlung zu reduzieren.
Die Ernährung beeinflusst die Darmflora erheblich
Den Angaben der Forscher zufolge hat die Ernährung ebenfalls einen Einfluss auf das Vorhandensein von Butyrat-bildenden Bakterien. So zeige sich eine höhere Präsenz der Bakterien bei pflanzenhaltiger Ernährung als bei übermäßigen Verzehr von fleischhaltigen Nahrungsmitteln. Auch habe die Auswertung der Daten bestätigt, „dass ein Mangel an Butyrat-bildenden Bakterien mit diversen Volkskrankheiten wie Diabetes, Atherosklerose oder Fettleibigkeit in Verbindung steht, so die Mitteilung des HZI. Die aktuellen Erkenntnisse könnten dabei helfen, individuell angepasste Medikamente zu entwickeln, um eine sogenannte funktionelle Dysbiose (Mangel der gesundheitsfördernden Funktion, welche den verschiedenen Bakterienarten ausgeht) zu unterbinden und damit das Auftreten von Krankheiten zu verringern, so die Hoffnung der Forscher. (fp)
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