Schon 500.000 Fälle von multiresistenten Keimen nachgewiesen
Kürzlich veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation WHO einen erschreckenden Bericht über die erste Auswertung ihres neuen antimikrobiellen Überwachungssystems „GLASS“. Aus diesem Bericht geht hervor, dass die weltweite Verbreitung von Antibiotikaresistenzen rasant ansteigt und bereits bei 500.000 Menschen in 22 verschiedenen Ländern auftrat. „Der Bericht bestätigt die ernste Situation der Antibiotikaresistenz weltweit“, warnt Dr. Marc Sprenger, Direktor des WHO-Sekretariats für Antibiotikaresistenz. Auch in Deutschland breiten sich die resistenten Keime immer weiter aus.
So schätzt das Nationale Referenzzentrum für die Überwachung multiresistenter Keime, dass in Deutschland jährlich 15.000 Patienten an den Folgen durch multiresistente Bakterien ausgelöster Krankheiten sterben, insbesondere in Krankenhäuser. Auch das Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) stellt fest, „dass fast jeder zehnte Patient mit multiresistenten Keimen besiedelt ist, wenn er in der Klinik ankommt“, berichtet Dr. Axel Hamprecht in einer Pressemitteilung des Instituts. Laut dem WHO-Bericht sind bereits zahlreiche Erreger zum Teil immun. Dazu zählen auch die Erreger der Lungenentzündung und das Kolibakterium (Escherichia coli). Hoch- und Niedrigeinkommensländern sind von hohen Resistenzen gegen eine Reihe schwerer bakterieller Infektionen betroffen.
Multiresistente Krankheitserreger kennen keine Grenzen
„Einige der weltweit häufigsten – und möglicherweise gefährlichsten – Infektionen erweisen sich als resistent gegen Medikamente”, erläutert Sprenger. Und am beunruhigendsten sei, dass Krankheitserreger die nationalen Grenzen nicht respektieren. Aus diesem Grund motiviert die WHO alle Länder, gute Überwachungssysteme zur Erkennung von Arzneimittelresistenzen einzurichten und die daraus gewonnen Daten für ein globales System zu teilen. Bisher beteiligen sich erst 22 Länder an der Dokumentation solcher Keime.
Eine der größten Bedrohungen für die globale öffentliche Gesundheit
„Der Bericht ist ein wichtiger erster Schritt, um unser Verständnis des Ausmaßes antimikrobieller Resistenz zu verbessern“, so Sprenger. Die Überwachung stecke aber noch in den Kinderschuhen. Auch Dr. Carmem Pessoa-Silva, der das neue Überwachungssystem bei der WHO koordiniert, betont die Bedeutung der Überwachung, denn es gehe darum, eine der größten Bedrohungen für die globale öffentliche Gesundheit vorwegzunehmen und zu bekämpfen.
Welche Bakterienstämme weisen Resistenzen auf?
Laut dem WHO Bericht sind die am häufigsten beschriebenen resistenten Bakterien Escherichia coli (Infektionen der Harnwege, Gastroenteritis und Meningitis), Klebsiella pneumoniae (unter anderem Auslöser verschiedener Formen der Lungenentzündung), Staphylococcus aureus (unter anderem Infektionen der Haut und Wundinfektionen) und Streptococcus pneumoniae (kann beispielsweise Lungenentzündungen und Blutvergiftungen verursachen), gefolgt von Salmonella spp. (Magen-Darm-Infektionen). Zur Zeit enthält das System keine Daten zur Resistenz des Mycobacteriums tuberculosis, das Tuberkulose verursacht. Dies soll künftig noch erweitert werden. Das DZIF konnte aber bereits multiresistente Tuberkulose-Erreger in Deutschland nachweisen.
Bedrohlich hohe Anteile an Multiresistenzen
Der Bericht der WHO zeigt, dass der Anteil an multiresistenten Bakterien in manchen Ländern enorm ist. Bei Patienten mit Verdacht auf eine Blutvergiftung lag der Anteil der Bakterien, die gegen mindestens eines der am häufigsten verwendeten Antibiotika resistent waren, bei bis zu 82 Prozent. Dieser Wert schwankt sehr stark von Land zu Land und betrug in manchen Ländern noch null Prozent. Die Resistenz gegen Penicillin, welches häufig zur Behandlung von Lungenentzündungen verwendete wird, lag in den Meldeländern zwischen null bis 51 Prozent. Und acht bis 65 Prozent des Kolibakteriums zeigten eine Resistenz gegen Ciprofloxacin, ein Antibiotikum, das üblicherweise zur Behandlung gegen diese Bakterien eingesetzt wird.
Die WHO hilft beim Aufbau eines globalen Überwachungssystems
Laut dem WHO Bericht muss die Qualität der Daten in manchen Ländern noch verbessert werden. Einige Länder stehen vor großen Herausforderungen beim Aufbau ihrer nationalen Überwachungssysteme, einschließlich Personal-, Finanz- und Infrastrukturmangel. Die WHO möchte nun mehr Ländern bei der Einrichtung nationaler Überwachungssysteme für Antibiotikaresistenzen helfen, um mehr zuverlässige und aussagekräftige Daten erhalten zu können. (vb)
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.