Suchtgefahr der Social-Media-Portale untersucht
Heranwachsenden verbringen oftmals viel Zeit online in sozialen Netzwerken. Die DAK-Gesundheit und das Deutsche Zentrum für Suchtfragen haben nun die Social-Media-Abhängigkeit bei 12- bis 17-Jährigen untersucht und weitreichende Auswirkungen festgestellt. „ Es gibt sogar einen Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depressionen“, so die Mitteilung der DAK zu den Untersuchungsergebnissen. Auch seien vielfältige weitere soziale und gesundheitliche Probleme festzustellen.
WhatsApp, Instagram oder Snapchat können süchtig machen, warnen die Experten. „Viele Kinder und Jugendliche chatten, posten und liken von früh bis in die Nacht“, betont Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit. Dies habe mitunter weitreichende gesundheitliche und soziale Folgen – von Streit in der Familie bis hin zu drohenden Depressionen. Klare Regeln zum Umgang mit den sozialen Medien seien hier erforderlich, um die Entwicklung einer Social-Media-Sucht bei den Heranwachsenden zu vermeiden.
Wann liegt eine Social-Media-Sucht vor?
Für die Studie „WhatsApp, Instagram und Co. – so süchtig macht Social Media“ wurden durch das Forsa-Institut 1.001 Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 17 Jahren befragt. Dies sei hierzulande die erste repräsentative Analyse der Häufigkeit einer Social-Media-Abhängigkeit bei Heranwachsenden, berichtet die DAK. Auf Grundlage der Kriterien der sogenannten Social Media Disorder Scale wurde das Vorliegen einer Social-Media-Sucht in der Studie bewertet. Wenn mindestens fünf von neun Standardfragen mit „ja“ beantwortet wurden, galt die Sucht als bestätigt.
100.000 Betroffene Heranwachsende
Die gemeinsame Untersuchung der DAK-Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ergab, dass nach der Social Media Disorder Scale 2,6 Prozent der Befragten als abhängig einzustufen sind – Mädchen mit 3,4 Prozent etwas häufiger als Jungen (1,9 Prozent). Hochgerechnet auf alle 12- bis 17-Jährigen in Deutschland entspreche dieser Prozentsatz etwa 100.000 Betroffenen deutschlandweit, so die Mitteilung der DAK.
Zweieinhalb Stunden pro Tagen Social-Media-Nutzung
Durchschnittlich verbringen Jungen und Mädchen im Alter zwischen zwölf und 17 Jahre rund zweieinhalb Stunden täglich mit sozialen Medien, berichtet die Krankenkasse. „Einige rutschen in die Abhängigkeit. Darauf müssen wir reagieren, damit Betroffene und ihre Familien Hilfe bekommen“; betont der Vorstandsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Andreas Storm. Mädchen seien im Schnitt mit knapp über drei Stunden pro Tag länger in sozialen Medien unterwegs als Jungen (2,5 Stunden pro Tag).
Mit der Online-Zeit steigt das Suchtrisiko
Auch stellten die Wissenschaftler fest, dass mit zunehmendem Alter der Befragten die Zeit, die sie bei WhatsApp, Instagram und Co. verbringen, steigt. So seien Mädchen im Alter zwischen 16 und 17 Jahren fast 3,5 Stunden pro Tag mit sozialen Medien befasst und gleichaltrige Jungen 2,75 Stunden. Die höchste Beliebtheit bei den Anwendung erreichte WhatsApp, gefolgt von Instagram und Snapchat. Professor Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter Deutsches Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE, betont, dass das Suchtrisiko umso höher ausfalle, je länger und häufiger die Kinder und Jugendlichen online sind.
Social-Media-Abhängigkeit und Depressionen
Besonders kritisch war laut Professor Thomasius der festgestellt Zusammenhang zwischen Social-Media-Sucht und Depressionen. Wer von sozialen Medien abhängig ist, habe ein um 4,6 Prozent höheres Risiko, an einer Depression zu erkranken als Nicht-Süchtige. Und jeder dritte Jugendliche mit einer Social Media Disorder habe über Symptome einer Depression berichtet. Allerdings sei der Ursache-Wirkung-Zusammenhang noch unklar. „Natürlich kann es auch sein, dass sich depressive Kinder und Jugendliche häufiger in die virtuelle Welt zurückziehen und deshalb ein Suchtverhalten entwickeln“, so Prof. Thomasius.
Welche Konsequenzen hat die Sucht?
In Bezug auf die Depressionen lässt sich laut Aussage des Experten in jedem Fall festhalten, dass sich die beiden Faktoren verstärken und ernste gesundheitliche Probleme drohen. Weitere Probleme durch soziale Medien bei den befragten Kindern und Jugendlichen seien vor allem soziale Auswirkungen in verschiedenen Bereichen. Diese betreffen auch Heranwachsende, die nicht als süchtig gelten.
Weitere Folgen der Social-Media-Abhängigkeit:
- Realitätsflucht – Jeder dritte Befragte nutzt soziale Medien, um nicht an unangenehme Dinge denken zu müssen. Bei den Mädchen trifft dies sogar auf vier von zehn Befragten zu.
- Schlafdefizit – Knapp ein Viertel der Befragten bekommt wegen der Nutzung sozialer Medien manchmal, häufig oder sogar sehr häufig zu wenig Schlaf.
- Streit in der Familie – 22 Prozent streiten manchmal, häufig oder sehr häufig mit den Eltern über die Nutzung sozialer Medien; verstärkt betroffen sind hier die 12- bis 13-Jährigen (32 Prozent).
- Heimliche Nutzung – 14 Prozent gaben an, soziale Medien oft heimlich zu nutzen. Ebenso viele können die Nutzung nicht stoppen, obwohl andere ihnen sagten, dass sie dies dringend tun müssen.
- Unzufriedenheit bei Verzicht – 13 Prozent sind unglücklich, wenn sie keine sozialen Medien nutzen können.
- Veränderte Freundschaften – Acht Prozent der Befragten sind mit allen Freunden ausschließlich über soziale Medien in Kontakt.
- Verlust an Interessen – Fünf Prozent der Befragten haben regelmäßig kein Interesse mehr an Hobbys oder anderen Beschäftigungen, weil sie lieber Social Media nutzen.
Medienkompetenz vermitteln und klare Regeln festlegen
Zur Eindämmung der Suchtgefahr der sozialen Medien sind laut Professor Dr. Rainer Thomasius mehr Aufklärung und ein verstärkter Jugendschutz erforderlich. „Eltern, Lehrer und Erzieher brauchen Unterstützung, damit sie Kinder auf ihrem Weg zu medienkompetenten Anwendern begleiten“, betont der Experte. Allerdings sei zu beobachten, „dass Eltern häufig keine klaren Regeln zum Umgang mit sozialen Medien aufstellen.“ Diese sind jedoch dringend erforderlich, damit Kinder nicht unbemerkt in die Abhängigkeit rutschen, betont der Experte.
Strenger Jugendschutz gefordert
Des Weiteren muss laut Aussage von Professor Dr. Rainer Thomasius der Jugendschutz durch strenge Regeln für die Anbieter sozialer Medien gestärkt werden. Auch technische Lösungen zur Selbstbeschränkung seien sinnvolle Instrumente, um das Konsumverhalten besser zu kontrollieren. „Ich stelle immer wieder fest, dass Eltern, wenn es um die Onlinenutzung ihrer Kinder geht, Orientierung suchen, und zwar von kompetenter Hand“, ergänzt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler in der Pressemitteilung der DAK. Kinder müssen lernen, mit digitalen Medien umzugehen, und sie sollten nicht nur die Technik beherrschen, sondern auch die Chancen und Risiken dieser Medien erkennen, so Mortler weiter.
Online-offline-Balance entscheiden
„Klar ist zudem, dass auch der Jugendschutz noch besser auf die Angebote im Netz antworten muss als es bisher gelingt, gerade mit Blick auf die Suchtpotenziale“, betont die Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Die Studie habe bestätigt, „was wir schon lange ahnten: Ein Zuviel an Smartphone und Co. schaden der Gesundheit und dem Familienleben.“ Hier sei eine vernünftige Online-offline-Balance dringend erforderlich. Allerdings bleibt auch klar, dass Soziale Medien aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind, so Mortler. „Soziale Medien sind wichtige Kommunikationskanäle für Kinder und Jugendliche“, doch die Studie zeigt, dass der intensive Gebrauch von sozialen Medien zu gesundheitlichen und sozialen Problemen führen kann, ergänzt der DAK-Vorstandsvorsitzende Andreas Storm. (fp)
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