Verschreibungen steigen und Patientenversorgung verbessert sich
Das erste Jahr nach dem „Cannabisgesetz“, dass am 10. März 2017 in Kraft trat, geht zu Ende. Ärzte können seit fast einem Jahr Cannabisblüten als rezeptpflichtiges Arzneimittel verschreiben. Nach Angaben der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) wurden im Jahr 2017 rund 44.000 Einheiten Cannabis von den gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen – mit durchgehend steigender Tendenz.
„Die Tendenz war von Quartal zu Quartal steigend, sowohl bei Rezepten als auch bei den Abgabeeinheiten“, fasst Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer in einer Pressemitteilung der ABDA zusammen. Das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut (DAPI) hat die Krankenkassendaten ausgewertet. Demnach waren es im zweiten Quartal 2017 noch 4615 Rezepte mit 10.055 Abgabeeinheiten, die bis zum vierten Quartal auf 12.717 Rezepte mit 18.828 Abgabeeinheiten anstiegen. Privatrezepte wurden hier nicht erfasst.
Die Versorgung verbessert sich
„Vor allem für Patienten, die zuvor Cannabis über eine Ausnahmegenehmigung bezogen haben, hat sich seitdem viel verbessert“, so Kiefer. Patienten würden mit der Dosierung und Anwendung nicht mehr allein gelassen werden. Die Apothekerschaft habe im Deutschen Arzneimittel-Codex einheitliche Qualitätskriterien für Cannabis-Blüten definiert.
Die Preise für die Patienten sinken
Laut Kiefer ist Cannabis für viele Patienten deutlich preiswerter geworden. Bei einer Genehmigung der Krankenkasse falle nur noch die Zuzahlung an, die auf maximal 10 Euro pro Medikament begrenzt ist. Die Patienten können ihre Cannabis-Verordnungen nun bundesweit in jeder Apotheke einlösen.
Wie viele Patienten erhalten Cannabis?
Vor dem März 2017 war medizinisches Cannabis noch ein Nischenprodukt. Etwa 1000 Patienten hatten eine Ausnahmegenehmigung. „Das DAPI ermittelt aus Datenschutzgründen nicht, wie viele Patienten Cannabisblüten erhalten haben“, erläutert Kiefer. Anhand der vorliegenden Anzahl der Rezepte vermutet er aber, dass es inzwischen deutlich mehr als die erwarteten 1000 Patienten seien. Cannabisrezepturen seien also zumindest teilweise im Versorgungsalltag angekommen.
Nicht nur Patienten profitieren
Professor Dr. Michael A. Popp, Inhaber und Vorstandsvorsitzende der Bionorica SE, begrüßt die positive Entwicklung bei der Verschreibung des Wirkstoffs Dronabinol, besser bekannt als Tetrahydrocannabinol (THC), der Wirkstoff aus der Gruppe der Cannabinoide, der im Hanf vorkommt. Laut Popp wurden 2017 11.000 Patienten mit Dronabinol versorgt. Das seien fast drei Mal mehr Menschen als noch 2016. Entsprechend entwickeln sich auch die weltweiten Umsatzzahlen für Dronabinol. Mit rund 13,6 Millionen Euro liege der Umsatz 2017 über dem Doppelten des Vorjahres.
Genehmigungsrate liegt bei circa 60 Prozent
„Dank der Gesetzesnovellierung können wir mehr schwerstkranken Menschen mit Dronabinol helfen und die Therapiesituation verbessern“, betont Popp. Laut Popps Prognosen ist ein weiterer Anstieg im Jahr 2018 zu erwarten. „Die aktuelle Genehmigungsrate seitens der gesetzlichen Krankenkassen liegt laut Medienberichten bei zirka 60 Prozent“, berichtet Popp. Er hofft auf eine weiterhin positiv Entwicklung in der Genehmigungssituation. „Dies würde die Lebensqualität vieler darauf angewiesener Patienten deutlich verbessern“, so Popp.
Cannabis – Ein neuer Milliarden-Markt?
Bisher wurde das benötigte Cannabis aus den Niederlanden und Kanada importiert. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat nun eine Cannabisagentur eingerichtet, die den Anbau von Cannabis für medizinische Zwecke in Deutschland steuern und kontrollieren soll. Viele Firmen wittern hohe Margen, da Cannabis günstig produziert werden kann. Erfahrungen im Anbau sind jedoch Voraussetzung für den staatlichen Anbau, denn das BfArM setzt einen gewissen Qualitätsstandard voraus, den die Cannabisagentur festgelegt hat.
Cannabis Anbau in Deutschland
Die erste deutsche Cannabisernte soll im Jahr 2019 eingefahren werden. Das angebaute Cannabis darf ausschließlich zu medizinischen Zwecken verwendet werden. Der deutsche Anbau soll die Verfügbarkeit von Cannabis für medizinische Zwecke in reproduzierbarer Qualität nach arzneimittelrechtlichen Vorgaben sichern.
Wie teuer wird medizinisches Cannabis
Die Cannabisagentur des BfArM wird einen Herstellerabgabepreis festlegen. Zu diesem Preis wird das Cannabis dann an Hersteller von Arzneimitteln, Großhändler oder Apotheken verkauft. Die Cannabisagentur selber wird dabei keine Gewinne oder Überschüsse erzielen, sondern nur die anfallenden Personal- und Sachkosten decken. Für den tatsächlichen Abgabepreis in der Apotheke ist die Cannabisagentur nicht verantwortlich. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.