Ärzte-Projekt: Ärzte demonstrieren Schülern die schweren Folgen von Verkehrsunfällen im Schockraum
3.368 Menschen verunglückten im Jahr 2014 bei Verkehrsunfällen in Deutschland tödlich, 389.000 Unfallopfer wurden verletzt. Das höchste Unfall- und Sterberisiko haben Verkehrsteilnehmer im Alter von 18 bis 24 Jahren. Überhöhte Geschwindigkeit, Handynutzung am Steuer, Fahren unter Alkoholeinfluss oder mangelnde Fahrpraxis sind nur einige der Gründe für die vielen junge Menschen, die jedes Jahr im Straßenverkehr zum Risiko für sich und andere werden. Ein Ärzte-Projekt soll Schüler zu vernünftigem Verhalten im Straßenverkehr animieren: Bei „Party“ werden Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren hautnah mit den Gefahren und vor allem den Folgen von Verkehrsunfällen konfrontiert.
Unfallpräventionsprogramm soll Jugendliche von Leichtsinn im Straßenverkehr abhalten
Ein 16-jähriger Schüler liegt auf der Straße, während ein Sanitäter ihm eine Halskrause anlegt. Dann wird der Junge auf der Trage in einen Rettungswagen gebracht. Im Schockraum des Klinikums rechts der Isar in München untersucht ein Arzt per Ultraschall den Bauchraum auf mögliche innere Verletzungen, denn häufig reißen Organe bei Verkehrsunfällen.
Der 16-Jährige nimmt gemeinsam mit der 10. Klasse des Münchner Asam-Gymnasiums am Unfallpräventionsprogramm „Party” der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) teil. Hautnah konnten der Junge und seine Mitschüler miterleben, was nach einem Verkehrsunfall passiert. „Party” steht für „Prevent Alcohol and Risk Related Trauma in Youth” (sinngemäß „Präventionsprojekt gegen Unfälle von Jugendlichen, die durch Alkoholkonsum oder riskantes Verhalten verursacht werden“).
Der Junge ist froh, als im die Halskrause wieder abgenommen wird. „Man kann die Umgebung gar nicht wahrnehmen mit der Halskrause, man sieht die Menschen drum herum nicht, nur den Himmel, das ist ein komisches Gefühl”, berichtet er gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“.
Schülern sollen Unfallfolgen so realitätsnah wie möglich aufgezeigt werden
Das Programm hat das Ziel, Schülern so realitätsnah wie möglich die dramatischen Folgen von schweren Verkehrsunfällen aufzuzeigen, um sie zu vernünftigem Handeln im Straßenverkehr zu animieren. Dabei soll es bei „Party“ nicht darum gehen, den Jugendlichen mit erhobenem Zeigefinger zu begegnen. „Das geht sonst hier rein und da wieder raus”, erläutert Uli Schmucker von der Akademie der Unfallchirurgie, die zur DGU gehört, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur. Bundesweit finden mittlerweile an etwa 30 Kliniken solche Aktionstage für Schüler statt.
„Als überregionales Traumazentrum behandeln wir viele Schwerverletzte. Deshalb ist es uns ein Anliegen, einen Beitrag zur Unfallprävention bei jugendlichen Patienten zu leisten“, erklärt Prof. Peter Biberthaler, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum rechts der Isar. Im Rahmen des „Party“-Projekttages erhielt die Klinik für Unfallchirurgie ein Zertifikat als nationales Ausbildungszentrum, so dass zukünftig Ärzte deutscher Unfallkliniken dort zu „Party“-Instruktoren ausgebildet werden können. „Wir sehen es als wichtige Aufgabe, junge und interessierte Ärztinnen und Ärzte aus ganz Deutschland für das ‘Party’-Programm als Instruktoren auszubilden“, betont Priv.-Doz. Stefan Huber-Wagner, leitender Oberarzt der Klinik und Mitinitiator des Projektes. Vor der Zertifizierung des Münchner Klinikums war das in Deutschland nur an der Unfallklinik in Köln-Merheim möglich.
Schülern sollen den Ernstfall sehen und begreifen, wie dramatisch die Folgen von Verkehrsunfällen sind
In Bayern sind 2014 mehr als 17.000 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 24 Jahren verunglückt, wie aus Zahlen des bayerischen Landesamts für Statistik hervorgeht. Häufig haben Alkohol, Drogen oder Selbstüberschätzung zu leichtsinnigem Verhalten im Straßenverkehr geführt. Mit dem Projekt sollen solche Unfälle verhindert werden. „Schon eine kleine Unaufmerksamkeit genügt, das eigene oder das Leben anderer zu zerstören”, erläutert Marc Beirer, Assistenzarzt im Uniklinikum, gegenüber der Nachrichtenagentur.
Innerhalb weniger Stunden lernen die Schüler den Ablauf der medizinischen Versorgung nach einem Verkehrsunfall – vom Rettungswagen in den Schockraum, auf die Intensivstation und später auf die Krankenstation – kennen. „Sie sollen das nicht nur sehen und wieder vergessen, sondern sich wirklich gut vorstellen können, wie es im Ernstfall abläuft”, so Beirer.
Die Schüler haben zudem die Möglichkeit mit einem Betroffenen zu sprechen. Der 17-jähriger Marold berichtet von seinem schweren Unfall, bei dem er sich einen Oberschenkelbruch zugezogen hat. Nach der einstündigen Operation waren seine ersten Worte: „Wie viel Uhr ist es und wo bin ich?” An die Zeit zwischen dem Unfall bis zur OP kann er sich nicht mehr erinnern.
Er erzählt den Schülern, dass er mit einem Kumpel auf dem Weg zur Berufsschule war, als das Auto auf nasser Fahrbahn wegrutschte und gegen einen Baum prallte. Die Feuerwehr musste den schwer verletzten Schüler aus dem Wrack holen. Das ist erst eineinhalb Wochen her. Marold sitzt noch im Rollstuhl, sein Kreislauf ist von dem großen Blutverlust, der OP und dem langen Liegen geschwächt. Das Laufen muss er langsam wieder üben. Der Muskelaufbau erfolgt nach dem Krankenhaus in der Reha.
„Das sind Sekunden, die so einen Unfall verursachen, und der Weg, der danach kommt, ist ein ganz langer Weg”, zitiert die Nachrichtenagentur Moritz Crönlein, Marolds behandelnden Arzt. „Bis alles wieder hergestellt ist, wird es wahrscheinlich drei Monate dauern.” Dabei sei der Junge noch mit einem „blauen Auge” davongekommen. (ag)
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