Spezieller Mechanismus schützt Herpesviren vor dem Immunsystem
Nach einer Infektion mit Herpesviren verbleiben die Viren im menschlichen Körper und können sich bei Schwächungen des Immunsystems erneut ausbreiten. Es drohen weitere gesundheitliche Probleme, die von einer Gürtelrose bis hin zu Krebserkrankungen reichen. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben nun entschlüsselt, wie sich das krebserregende Kaposi-Sarkom-assoziierte Herpesvirus (KSHV) vor Angriffen des Immunsystems schützt.
„Die Familie der Herpesviren hat sich dem Immunsystem hervorragend angepasst: Ihre Mitglieder schaffen es, nach der Infektion lebenslang im Körper ihres Wirtes zu verbleiben“, erläutern die Wissenschaftler. Wird das Immunsystem der Betroffenen geschwächt, können sich die Viren jedoch wieder vermehren und so „schwerwiegende Komplikationen, unter anderem Krebserkrankungen, verursachen“, berichten die Forscher des HZI. Wie es den krebserregenden Herpesviren des KSHV-Typs gelingt, das Immunsystem zu überlisten, konnten das Forschungsteam um Prof. Melanie Brinkmann vom Braunschweiger HZI in einer aktuellen Studie nachweisen. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in dem Fachmagazin „PLOS Pathogens“ veröffentlicht.
Jeder Mensch infiziert sich im Lebensverlauf mit Herpesviren
Bei den meisten Infektionskrankheiten werden die Erreger von dem Immunsystem im Zuge der Heilung vollständig eliminiert, doch Herpesviren schaffen es, nach der Infektion lebenslang im Körper ihres Wirtes zu verbleiben. Und „jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens mit mindestens einem der neun Vertreter der humanen Herpesviren infiziert“, berichtet das HZI. Dabei gelinge es dem Immunsystem gesunder Menschen in den meisten Fällen, die Viren im Zaum zu halten, und nur selten sei die Entwicklung schwerer Krankheitssymptome festzustellen.
Herpesviren manipulieren das körpereigene Immunsystem
Den Angaben des Forschungsteams um Prof. Melanie Brinkmann, Leiterin der Arbeitsgruppe „Virale Immunmodulation“ am Braunschweiger HZI und Professorin an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), zufolge manipulieren Herpesviren das Immunsystem ihres Wirts „auf vielfältigste Weise“, um lebenslang im Wirt verbleiben zu können. Bei Schwächungen des Immunsystems drohe eine erneute Vermehrung der Herpesviren, was schwerwiegende Komplikationen bis hin zu Krebserkrankungen zur Folge haben könne.
Krebserregende Herpesviren
Dies gilt beispielsweise bei dem Kaposi-Sarkom-assoziierten Herpesvirus – einem Tumorvirus, das drei verschiedene Krebsarten auslösen kann, erläutern die Experten. Die Viren gelten als Auslöser des Kaposi-Sarkoms (Krebs der Blutgefäße), des primären Effusionslymphoms (Krebs der weißen Blutzellen) und der Castlemann’schen Krankheit (Erkrankung der Lymphknoten). Das Kaposi-Sarkom trete vermehrt bei AIDS-Patienten auf, „deren Immunsystem durch die Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus 1 (HIV-1) stark geschwächt ist“, berichten die Forscher weiter.
Protein ORF20 mit besonderer Bedeutung
Bisher gibt es keinen Impfstoff gegen KSHV und auch die Mechanismen, mit denen dieses Virus seinen Wirt manipuliert und zur Entstehung von Krebs führt, bleiben unklar, so die Mitteilung des HZI. Das Team um Prof. Brinkmann hat jetzt ein bislang wenig charakterisiertes Protein dieses Virus untersucht (das Protein ORF20), um besser zu verstehen, wie sich KSHV der Immunkontrolle entziehen. „Um Infektionen mit diesem Herpesvirus erfolgreich behandeln zu können, müssen wir im Detail verstehen, wie es unser Immunsystem steuert“, betont Prof. Melanie Brinkmann.
Herpesviren nutzen das Immunsystem für eigene Zwecke
Anhand massenspektrometrischer Analyseverfahren konnten die Forscher nachweisen, „dass ORF20 mit einem speziellen Wirtsprotein der angeborenen Immunabwehr einen Komplex bildet.“ Die Herpesviren nutzen praktisch eine Komponente des Immunsystems für die eigenen Zwecke. „Eigentlich dient dieses Wirtsprotein, OASL genannt, der Wirtsabwehr, es hat also eine antivirale Funktion“, erläutert die Erstautorin der Studie, Dr. Kendra Bussey in einer Pressemitteilung des HZI. Nun konnten die Forscher nach eigenen Angaben „jedoch erstmalig zeigen, dass OASL im Kontext der KSHV-Infektion eine provirale Funktion hat – es begünstigt also den Infektionsverlauf anstatt ihn aufzuhalten.“
Einblicke in das Zusammenspiel zwischen dem Virus und Wirt
Die Wissenschaftler konnten in ihren Versuchen mit genetisch veränderter Viren zudem feststellen, dass OASL nur dann proviral wirkt, wenn auch das Virusprotein ORF20 vorhanden ist. Dies zeigt laut Dr. Bussey, „dass das KSHV seinen Wirt geschickt zu seinen Gunsten manipulieren kann, ihn sozusagen mit seinen eigenen Mitteln schlägt.“ In weiteren Studien sei nun zu klären, welche „Schalthebel der zellulären Immunabwehr“ das KSHV außerdem bedient, um das Immunsystem zu überlisten. „Dadurch werden wir neue Einblicke in das Zusammenspiel zwischen dem Virus und seinem Wirt erhalten und hoffentlich nachvollziehen können, wie dieses Virus durch die Manipulation der Immunantwort zur Entstehung von Krebs beiträgt“, so die Hoffnung von Prof. Brinkmann. (fp)
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