Vergessenes Wissen trifft auf moderne Medizin
Die Fiebertherapie wurde vor mehr als 150 Jahren gegen Krebs eingesetzt. Damals sorgte diese Methode für Aufsehen durch erstaunliche Heilungserfolge, aber auch Misserfolge waren zu verzeichnen. Durch Bestrahlung und Chemotherapie geriet diese Behandlungsmethode in Vergessenheit. Bis vor kurzem war unklar, was hinter dieser Therapie steckt. Handelt es sich um vergessenes Wissen oder Scharlatanerie? Wissenschaftler untersuchten diese alte Behandlungsmethode – mit erstaunlichen Ergebnissen.
Da es auch 150 Jahre später noch nicht gelungen ist, den Krebs in den Griff zu bekommen, wendeten sich Forscher wieder mehr der Rolle des Immunsystems bei Krebs zu. Eine modifizierte Form der Fiebertherapie, die sogenannte PAMP-Therapie, soll nun an die Erfolge der „vergessenen“ Fiebertherapie anknüpfen und deren Misserfolge ausmerzen. In einer Studie konnten die Wissenschaftler um Professor Dr. Uwe Hobohm von der TH Mittelhessenum kürzlich zeigen, dass diese Therapie sehr sicher ist. Die Studienergebnisse wurden auf der wissenschaftlichen Plattform „Translational Oncology“ publiziert.
Die Leute wollen das kaum glauben
„Wenn die Leute von einer Krebstherapie hören, die wirksam und billig zugleich ist, wollen sie das kaum glauben“, berichtet Professor Dr. Uwe Hobohm von der TH Mittelhessen in einer Pressemitteilung. Er wirkte maßgeblich an der Studie mit. Die Behandlung mit Fieber habe schon vor über 100 Jahren zu spektakulären Heilungen geführt. Durch die Strahlen- und Chemotherapie sei sie weitgehend in Vergessenheit geraten. Er erprobte zusammen mit weiteren Ärzten und Kliniken die PAMP-Therapie erneut und diese lieferte gute Erfolge.
Krebs durch Infekte heilen
Hobohm zufolge stehen die seltenen Spontanheilungen bei Krebs fast immer im Zusammenhang mit einem vorausgegangenen heftigen Infekt. Diesem Phänomen wollte der Naturwissenschaftler auf den Grund gehen. Als Grundlage dienten hunderte von dokumentierten Fällen aus der Vergangenheit, die von den Heilerfolgen der Therapie berichteten. Bei Sarkomen (Bindegewebskrebs) zeigte sich beispielsweise eine Fünfjahres-Überlebensrate von 80 Prozent. Auch von Komplettheilungen bei Bauchspeicheldrüsenkrebs wurde berichtet.
Altes Wissen neu überarbeitet
Hobohm überarbeitete die Fieberbehandlung nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und brachte so die PAMP-Therapie (pathogen-associated molecular pattern) wieder ins Gespräch. Die zugrunde liegenden Substanzen werden im menschlichen Körper ausschließlich von pathogenen Keimen produziert. Diese treten bei Krebspatienten jedoch normalerweise nicht auf. Diese PAMP-Substanzen lösen im Immunsystem den höchsten Alarm aus. Hobohm erkannte, dass die durch Infekte mobilisierten Substanzen zu einer Spontanheilung beitragen und auch das Krebsrisiko senken können.
PAMP-Hypothese von wissenschaftlichen Studien gestützt
Die Forscher konnten ihre Erkenntnisse auf publizierte Studien stützen. So konnten in Tierversuchen Mäuse mit Tumoren geheilt werden, indem den Tieren ein PAMP-Cocktail verabreicht wurde. Nach Hobohms Hypothese verstärken die PAMP-Substanzen eine vorhandene, aber zu schwache Immunantwort gegen Krebszellen. Laut dem Naturwissenschaftler leitet sich die Schutzwirkung daraus ab, dass durch den PAMP-Effekt Krebsvorläuferzellen zerstört werden.
Behandlung damals und heute
Bei der damaligen Fiebertherapie wurden dem Patienten einige Wochen lang Bakterienextrakte verabreicht, die Fieber auslösten. Diese Extrakte sind allerdings nicht mehr als Medikament zugelassen. Anstelle von Bakterienextrakten wurden in den aktuellen Studien zugelassene Medikamente verwendet, die bakterielle oder virale Bestandteile enthalten und als häufige Nebenwirkung Fieber auslösen. Diese müssen über einen Zeitraum von mindestens fünf Wochen eingenommen werden. So soll eine lang anhaltende Immunstimulation erzeugt werden.
Einfache und kostengünstige Durchführung
Sollte sich dieses Behandlungskonzept als alternative Krebstherapie etablieren, könnte jede Hausarztpraxis mit einem Ruheraum die Therapie durchführen. Die Patienten bekommen eine einstündige Infusion und werden dann bis zum Abklingen des Fiebers überwacht. Für eine zusätzliche Durchführung während oder nach einer Bestrahlung oder Chemotherapie ist die PAMP-Behandlung nicht geeignet. Die Wissenschaftler der Studie sehen eine gleichzeitige Hormongabe bei Brustkrebs oder Prostatakrebs dagegen unkritisch. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.