HTLV-1: Ein Virus breitet sich unbemerkt immer weiter aus
Millionen Menschen weltweit sind bereits mit HTLV-1 infiziert, einem humanen Virus, das vor allem beim Sex übertragen wird und eine spezielle Form der Leukämie (Blutkrebs) verursacht. Zudem wird das Virus mit verschiedenen weiteren Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. Doch kaum jemand kennt HTLV-1 (humanes T-lymphotropes Virus 1) und die Gefahren, die von ihm ausgehen. Obwohl das Virus bereits vor Jahrzehnten entdeckt wurde, hat die Forschung sich erst in jüngerer Vergangenheit wieder verstärkt dieses Themas angenommen. Eine Impfung oder Heilung ist bislang jedoch nicht möglich.
In einem Schreiben an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben Wissenschaftler nun eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Infektionen mit HTLV-1 gefordert. Mehr als als zehn Millionen Menschen auf der ganzen Welt seien bereits mit dem Virus infiziert und den meisten sei ihre Infektion nicht bewusst, berichtet auch das Forschungsteam um Charles Bangham vom Imperial College London. Die britischen Experten waren in einer aktuellen Studie den Auswirkungen von HTLV-1 auf das menschliche Genome nachgegangen, mit besorgniserregendem Ergebnis. Veröffentlicht wurde die Studie in dem Fachmagazin „eLife“.
90 Prozent der Betroffenen wissen nichts von ihrer Infektion
Die Tatsache, dass Millionen Menschen nichtsahnend mit einem Virus infiziert sind, welches schlimmstenfalls tödliche Erkrankungen auslösen kann und beim Geschlechtsverkehr übertragen wird, erinnert stark an die anfängliche Situation bei HIV. „Menschen können das Virus seit Jahrzehnten ohne Symptome in sich tragen, und 90 Prozent der Betroffenen wissen nicht, dass sie es in sich tragen“, berichten die Wissenschaftler des Imperial College London. Übertragen werden könne das Virus auch durch Bluttransfusionen und über die Muttermilch, aber meist erfolge die Infektion durch ungeschützten Geschlechtsverkehr. Bei schätzungsweise fünf bis zehn Prozent der Infizierten entwickele sich infolge der Infektion eine aggressive Form von Leukämie oder eine progressive paralytische Erkrankung.
Forschung zu HTLV-1 jahrelang vernachlässigt
Die Entdeckung von HTLV-1 im Jahr 1980 durch eine Arbeitsgruppe um Robert Gallo am NIH war seinerzeit eine Sensation. Denn jahrzehntelange hatten Forscher nach Retroviren beim Menschen gesucht und nun war endlich der Nachweis gelungen, dass diese existieren. Allerdings wurde kurz danach auch das AIDS-Virus HIV entdeckt und angesichts der enormen gesundheitlichen Bedrohung, die von HIV ausging, widmete sich die Forschung in den kommenden Jahrzehnten vor allem dieser Art der Retroviren. HTLV-1 wurde vernachlässigt. Ein Fehler, so die Einschätzung der Mediziner heute.
Erhebliche Eingriffe in das Genom
Welche weitreichenden Folgen die Viren auf das Genom der Infizierten haben können, haben die britischen Wissenschaftler des Imperial College London in ihrer aktuellen Studie nachgewiesen. Die Forscher erklären, dass Viren wie HTLV-1 aufgrund der großen Anzahl von sogenannten CTCF-Stellen im menschlichen Genom das Potenzial haben, Zehntausende von Genen zu zerstören. Die neuen Erkenntnisse seien auch eine mögliche Erklärung für den Zusammenhang mit Leukämie und anderen Erkrankungen.
Zusammenhang mit Lungenerkrankungen
Zu den Erkrankungen, die HTLV-1 auslösen kann zählt auch die Bronchiektasie (Aussackung der Bronchien), so das Ergebnis einer australischen Studie aus dem März dieses Jahres. Die Studie wurde an Ureinwohnern Australiens durchgeführt, bei denen in einer früheren Untersuchung bereits relativ hohe Infektionsraten mit HTLV-1 festgestellt wurden. Die Wissenschaftler überprüften mögliche Zusammenhänge der Viren mit Lungenerkrankung wie der Bronchiektasie, Bronchitis und Bronchiolitis. Auch wurde der Einfluss der Viren auf das Todesrisiko ermittelt.
Risiko bislang unterschätzt?
Die Viren sind laut Aussage der Studienautoren mit Atemwegsentzündungen und mit einem frühzeitigen Tod durch Komplikationen der Bronchiektasie assoziiert. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die mit der HTLV-1c-Infektion verbundene Mortalität höher sein könnte als bisher angenommen“, warnen die Forscher. Weitere Studien zu den Risiken der HTLV-1-Infektionen seien nun erforderlich.(fp)
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