Glück kann nicht auf einen Botenstoff reduziert werden
Bislang ging man in der Wissenschaft davon aus, dass der Botenstoff Dopamin eine zentrale Rolle für empfundenes Glück spielt, da dieser immer dann vom Belohnungssystem ausgeschüttet wird, wenn man einen Erfolg verzeichnet oder sich über etwas freut. Die neusten Forschungsergebnisse zeigen nun, dass der Vorgang des Glücks offenbar komplexer ist, als bislang angenommen. In Versuchsreihen konnten Wissenschaftler aufzeigen, dass Dopamin nur eine kleinere Rolle beim Glück zu spielen scheint.
Ein Forscherteam um Dr. Michael Lippert und Doktorandin Marta Brocka hat am Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) in Magdeburg untersucht, wie gut sich Glück messen lässt. Sie gingen davon aus, dass man über die Dopaminausschüttung während eines bildgebenden Verfahrens im Kernspintomografen Glück sichbar machen kann. Während der Versuchsreihen kamen sie zu überraschenden Ergebnissen, die kürzlich im Fachjournal „Neurolmage“ publiziert wurden.
Was ist Glück und was ist es nicht?
Aus philosophischer Sicht ist dies die Hauptthematik unzähliger Bücher und Filme. Die Magdeburger Wissenschaftler möchten die Mechanismen verstehen, die im Gehirn ablaufen, wenn man Glück empfindet. Bislang wird die Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin als grundlegend für Glücksgefühle betrachtet. Die Ergebnisse der Studie deuten jedoch darauf hin, dass ein Umdenken in diesem Bereich erforderlich ist.
Die Sichtbarkeit des Glücks
Von Patienten mit Depression oder mit Suchterkrankungen weiß man, dass es zu Veränderungen im hirneigenen Belohnungssystem kommt. Bislang nutzen Neurowissenschaftler und Ärzte eine funktionelle Kernspintomografie (fMRI), um solche Veränderungen sichtbar zu machen. Lippert und sein Team überprüften, ob sich diese Methode tatsächlich für solche Zwecke eignet und ob man Glück im Kernspintomografen sichtbar machen kann.
Ratten, die ihres „Glückes“ Schmied sind
Im Tiermodell führten die LIN-Forscher Versuche an genetisch veränderten Ratten durch. Die Nager konnten ihre Dopaminausschüttung im Gehirn gezielt steuern. Indem sie selbstständig einen Hebel betätigten, bekamen sie eine sogenannte optogenetische Stimulation, bei der durch Lichtimpulse im Gehirn eine Dopaminausschüttung angeregt wird. „Dabei wird ein extrem starker Belohnungsreiz ausgelöst“, berichtet Doktorandin Marta Brocka in einer Pressemitteilung zu den Studienergebnissen.
Bildgebende Verfahren sollen Aufschluss bringen
Die Tiere wurden währenddessen mit einem Kleintierscanner untersucht, um zu dokumentieren, welche Hirnareale wie stark infolge der Ausschüttung aktiviert wurden. Nach Angaben der Forscher können die Hirnareale mit Hilfe von Bildgebungsverfahren in einer hohen räumlichen Auflösung sichtbar gemacht werden. „Durch Aufnahmen im Tomografen sehen wir Durchblutungsänderungen von Hirnarealen“, erklärt Lippert. Diese würden auf Stoffwechselvorgängen beruhen, die wiederum mit neuronaler Aktivität zusammenhängen würden, so der Hirnexperte.
Ist die Essenz des Glückes unsichtbar?
Im Zuge der Experimente stellte das Team verwundert fest, dass „die messbaren Effekte des Dopamins trotz des hohen Belohnungswertes der Stimulation sehr klein“ waren. Dagegen zeigte eine Vergleichsgruppe, bei der zusätzlich noch weitere Hirnareale stimuliert wurden, deutlichere Ergebnisse. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss: „Die den Glücksgefühlen zugrundeliegende Freisetzung des Dopamins ist nicht direkt im Kernspintomografen messbar.“ Stattdessen sei die Gesamtaktivierung des Hirnareals ausschlaggebend. Die Essenz des Glücks bleibe also mit dieser Methode unsichtbar.
Für wen sind die Ergebnisse relevant?
Laut den Autoren der Studie könnten die Ergebnisse entscheidenden Einfluss auf weitere Forschungsprojekte haben, da man bislang davon ausging, dass das Dopamin bei Tieren und Menschen einen großen Einfluss auf die gemessenen Signale im Gehirn haben. „Wir müssen uns von der Annahme verabschieden, dass die Aktivitätsänderungen im Gehirn, die wir infolge einer Belohnung sehen, direkt durch Dopamin ausgelöst werden“, resümiert Studienleiter Lippert.
Die Rolle des Dopamins im Wandel
Auch für den klinischen Bereich könnten die Forschungsergebnisse von Bedeutung sein, da ein Ungleichgewicht im Dopaminspiegel auch als mögliche Ursache für Krankheiten wie Parkinson, Sucht oder Depression gesehen wird. Erst kürzlich erschien eine weitere Studie, die Dopamin als zentrales Thema hatte. Dabei zeigte sich, dass auch das Angst-Gedächtnis durch das Glückshormon reguliert wird. (vb)
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