Neue Medikamente heilen auch komplizierte Hepatitis-C-Infektionen
Hepatitis C galt lange Zeit als schwer therapierbare Erkrankung, doch neue Medikamente heilen auch schwierige Hepatitis C-Fälle, so die Mitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Laut Professor Dr. Michael Manns, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der MHH, haben sich die Therapiemöglichkeiten in atemberaubender Geschwindigkeit weiterentwickelt. Im Jahr 2014 seien zahlreiche neue Medikamente zur Behandlung der Hepatitis C vorgestellt worden. Nun sei „Hepatitis die erste chronische Virusinfektion, die heilbar ist.“ Das sei eine unglaublich seltene Erfolgsgeschichte, welche die Medizin verändern werde, so Manns.
Vor Entwicklung der neuen Arzneien bestand die übliche Therapie der chronischen Hepatitis C aus der kombinierten Verwendung von Interferon und Ribavirin mit einem Protease- oder einem Polymerase-Hemmer, berichtet die MHH. Die Therapie dauerte bis zu ein Jahr und basierte auf regelmäßigen Injektionen der genannten Arzneien. Häufig zeigten sich im Rahmen der Behandlung jedoch starke Nebenwirkungen wie beispielsweise eine Blutarmut, so dass die Medikamente gegebenenfalls abgesetzt werden mussten. Dank der neuen Hepatitis-C-Arzneien sei nun eine sehr effektive, kurze und nebenwirkungsarme Therapie der Virusinfektion möglich.
74-Jährige beschreibt die Schwierigkeiten beim Leben mit Hepatitis C
Welche Vorteile die neuen Hepatitis-Medikamente für die Betroffenen mit sich bringen, erläutert die Nachrichtenagentur „dpa“ anhand des Beispiels der 74-jährigen Eva-Christa Aurich. Im Jahr 2002 sei bei der Frau aus der Nähe von Berlin im Rahmen einer Blutuntersuchung das Hepatitis-C-Virus nachgewiesen worden. Die Infektion erfolgte vermutlich in den 1980er Jahren über verunreinigte Blutkonserven. Seit der Diagnose „lebte ich mit der Angst vor Leberkrebs. Ich war mir sicher, das geht nicht gut aus“, wird Aurich von der „dpa“ zitiert. Auch hätten sich vermehrt Probleme in ihrem sozialen Umfeld ergeben. Diese seien ein regelrechter Spießrutenlauf gewesen. Zum Beispiel hätten Verwandte nicht mehr bei ihr essen wollen und ein Zahnarzt habe die Behandlung verweigert, obwohl Hepatitis C hauptsächlich durch Blut übertragen wird und eine Ansteckung durch andere Körperflüssigkeiten sehr unwahrscheinlich ist.
Neue Behandlungsmöglichkeit in Studien bewährt
Nach Jahren mit zunehmenden Schwierigkeiten erhielt die Patientin vor zwei Jahren die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Studie am Berliner Virchow-Klinikum, bei der sie 24 Wochen mit dem damals noch nicht zugelassenen Präparat Harvoni behandelt wurde. „Mir waren alle Mittel recht, um die Krankheit loszuwerden“, zitiert die „dpa“ die Patientin. Die Behandlung der 74-Jährigen war erfolgreich und schon bald konnten bei ihr keine Hepatitis-Viren mehr nachgewiesen werden. Aurich betont, sie könne „das Glück der Heilung ich nicht beschreiben“ und sei „tränenüberströmt vor Freude“ gewesen. Ihre Geschichte sollte nach Auffassung der Rentnerin anderen Betroffenen Mut machen. Im Rahmen des Welt-Hepatitis-Tag am 28. Juli widmet sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den neuen Behandlungsmöglichkeiten der Hepatitis C und wirbt für eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber den Virusinfektionen. Bundesweit sind nach Einschätzung der Experten bis zu eine Million Menschen mit Hepatitis-Viren infiziert, allerdings ist die Infektion lediglich jedem fünften Betroffenen bewusst.
Viele Betroffene leben Jahrzehnte mit unentdeckter Hepatitis C
Viele Infizierte bemerken die Erkrankung zunächst nicht, weil diese über längere Zeit ohne auffällige Symptome verlaufen kann. Die vermeintlich typische Gelbsucht entwickeln beispielsweise nur ein Drittel der Hepatitis-Infizierten, bei einem weiteren Drittel zeigen sich lediglich grippeähnliche Symptome und ein weiteres Drittel leidet unter keinerlei Beschwerden, so die Mitteilung der „dpa“. Bei der 74-jährigen Eva-Christa Aurich sei ebenfalls davon auszugehen, dass sie vermutlich schon länger als ein Jahrzehnt mit der infektiösen Leberentzündung lebte. Im späteren Krankheitsverlauf droht bei der chronischen Virushepatitis die Entwicklung potenziell tödlicher Erkrankungen wie beispielsweise einer Leberzirrhose und Leberkrebs. Mögliche Hinweise auf die Infektion sollten daher unbedingt ernst genommen werden. „Jeder Patient mit erhöhten Leberwerten sollte sich testen lassen“, wird der Leberspezialist Michael Manns von Nachrichtenagentur „dpa“ zitiert.
Über 90 Prozent der Patienten können geheilt werden
Zwar konnte vor Entwicklung der neuen Arzneien nur rund die Hälfte der Hepatitis-C-Patienten mit Hilfe der Standardthearpie geheilt werden und wegen der starken Nebenwirkungen waren die Arzneien nicht für alle Betroffenen geeignet. Doch binnen eines Jahres wurden bis zum Januar 2015 sieben neue Mittel gegen Hepatitis C zugelassen, die laut Angaben der MHH bei 90 Prozent und mehr der Patienten eine Befreiung von den Viren ermöglichten. Zudem seien die neuen Arzneien mit wesentlich weniger Nebenwirkungen verbunden, die Therapie habe sich deutlich verkürzt und bestehe ausschließlich aus Tabletten. Die MHH war laut Angaben von Professor Manns an der Entwicklung aller sieben neuen Arzneien beteiligt. Den Forschern sei es gelungen, den Lebenszyklus des Virus in der Leberzelle aufzuschlüsseln. So konnten sie die Schlüsselstellen identifizieren, an denen sich der Lebenszyklus des Virus mit kleinen Molekülen unterbrechen lasse. Hierfür seien drei Stellen geeignet: „Die Protease, die Polymerase und das NS5A-Protein.“
Reduzierung der Lebertransplantationen möglich
Durch die neuen Behandlungsmöglichkeiten lassen sich laut Professor Manns künftig auch zahlreiche Transplantationen vermeiden. Denn heute geschehe „jede vierte bis fünfte Lebertransplantation der westlichen Welt wegen einer Hepatitis C-Virusinfektion bedingten Lebererkrankung.“ Dank der neuen Therapien werde in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren eine deutliche Reduzierung der Lebertransplantationen möglich. Die Therapie auf Basis der neuen Arzneien dauert laut Angaben des Experten acht bis 24 Wochen und die Kosten liegen bei 44.000 bis 60.000 Euro. Derzeit seien die Kostenträger noch in Verhandlungen mit den Herstellern über Kostenreduktionen und Rabattverträge. Anfänglich hatten die Krankenkassen wegen der hohen Kosten für die neuen Mittel massive Kritik an den Herstellern geäußert. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.