Proteintrend bei Lebensmitteln: Ist die Extraportion Eiweiß tatsächlich sinnvoll?
Die menschlichen Körperzellen werden ständig erneuert und sind deshalb auf eine regelmäßige Proteinzufuhr angewiesen. Doch wie viel Eiweiß benötigen wir pro Tag? Manche Menschen meinen, man können kaum genug davon essen und greifen auf „proteinreiche“ Lebensmittel zurück. Bringen diese Trendprodukte aber wirklich etwas?
Eiweißreiche Lebensmittel liegen im Trend
Ob Brot, Müsli oder Milchdrinks: Lebensmittel mit der Extraportion Eiweiß liegen schon länger im Trend. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) erzielten solche Produkte in den vergangenen vier Jahren durchschnittlich ein Umsatzplus von mehr als 60 Prozent. Die Hersteller sprechen damit nicht nur gesundheits- und fitnessorientierte Käufer, sondern auch „die breite Masse“ an. Denn eiweißreiche Lebensmittel sollen angeblich schnell satt und dadurch schlank machen und beim Muskelaufbau helfen. Doch stimmt das tatsächlich?
Ernährung mit viel Proteinen hilft bei der Gewichtsreduktion
Gesundheitsexperten zufolge kann eine eiweißreiche Ernährung beim Abnehmen helfen.
Denn Proteine werden langsamer vom Körper verwertet und der Bauch sendet schneller Sättigungsgefühle aus. Zudem können eiweißreiche Speisen Heißhungerattacken reduzieren und den Fettstoffwechsel ankurbeln.
Sie halten auch länger satt. Einige Eiweiße enthalten Aminosäuren (Tryptophan und Tyrosin), die an der Entsendung sättigender Botenstoffe an das Gehirn beteiligt sind.
Doch wie viel Eiweiß sollte man zu sich nehmen? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für erwachsene Männer und Frauen die tägliche Aufnahme von 0,8 Gramm pro ein Kilo Körpergewicht.
Eine Person mit einem Gewicht von 70 Kilo benötigt also 56 Gramm Eiweiß täglich. Für Erwachsene über 65 Jahre gibt die DGE einen Schätzwert von ein Gramm pro Kilogramm Körpergewicht an.
Benötigte Eiweißmenge durch ausgewogene Mischkost
Fitness-Experten raten meist zu einem höheren Eiweißverzehr. Kraftsportlern wird oft eine Menge von 1,3 bis 1,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen. Im Einzelfall könnten die Mengen aber auch höher sein.
Der Griff zu Protein-Riegeln und -Shakes ist normalerweise nicht nötig. In den meisten Fällen reicht eine natürliche Eiweißversorgung aus.
Auch das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) erklärt auf seiner Webseite, dass die benötigte Eiweißmenge spielend leicht mit einer normalen, ausgewogenen Mischkost erreicht werden kann.
Die Experten habe einige Beispiele für proteinreiche Lebensmittel herausgesucht und beschreiben, was wirklich in ihnen steckt.
Eiweißbrot enthält mehr Kalorien
Den meisten Verbrauchern wird beim Bäcker oder im Supermarkt aufgefallen sein, dass häufig Eiweißbrot angeboten wird.
Bei diesem wird ein Teil des Mehls durch pflanzliches Protein, vor allem aus Weizen und Hülsenfrüchten wie Erbsen, Ackerbohnen oder Soja ersetzt. Doch auch tierisches Eiweiß wie Molkenprotein kann enthalten sein.
Laut BZfE enthält Eiweißbrot mit 20 bis 22 Gramm pro 100 Gramm (ca. zwei Scheiben) etwa dreimal so viel Eiweiß wie ein klassisches Vollkornbrot.
Zudem liefert es mit neun bis 13 Gramm ein Vielfaches an Fett, im Vergleich mit einem herkömmlichen Vollkornbrot (ein bis drei Gramm). Kein Wunder also, dass ein Eiweißbrot je nach Sorte 20 Prozent mehr Kalorien enthält.
Wie bereits erwähnt tragen Proteine zur Sättigung bei. Abnehmen tut man damit nicht automatisch. Letztendlich entscheidet das Verhältnis zwischen Energiezufuhr und Energieverbrauch darüber, ob man Gewicht verliert.
Produkte können viel Zucker enthalten
Beim Protein-Müsli sorgen beispielsweise Sojaflocken für den hohen Eiweißgehalt, mitunter auch Molkenproteinkonzentrat, Magermilchpulver, Weizen-, Erbsen-, Sojaprotein oder isolierte Proteine. Letztere werden durch chemische Prozesse aus ihren ursprünglichen Quellen „herausgelöst“.
Zugesetzter Zucker, Zusatzstoffe wie Stabilisatoren sowie Aromen können in dem Müsli ebenfalls verwendet werden.
Und auch Proteinriegel, für die unter anderem Milch-, Soja- und Molkeneiweiß sowie Getreide, häufig in Kombination mit Nüssen und Schokolade verwendet wird, können jede Menge Zucker enthalten.
Teure Spezialprodukte enthalten manchmal weniger Eiweiß
Im Kühlregal haben sich auch Milchprodukte wie Quarks, Joghurts, Drinks und Desserts etabliert, die als „proteinreich“ beworben werden. Diesen wurden beispielsweise zusätzliches Milcheiweiß oder Molkenpulver beigemischt.
Dem BZfE zufolge kann es jedoch sein, dass die teuren Spezialprodukte weniger Eiweiß enthalten, als ein ganz normaler Magerquark:
Während letzterer zwölf Prozent Eiweiß liefert, können in den Nährwertangaben eines Fruchtquarks mit der Aufschrift „hoher Proteingehalt“ mitunter „nur“ sechs bis zehn Gramm Eiweiß enthalten sein.
Proteinangereicherte Nudeln
Klassische Nudeln werden in der Regel aus Hartweizengrieß und Wasser hergestellt, manche Sorten enthalten zusätzlich Eier. In 100 Gramm ungekochten Nudeln stecken bereits zehn bis 14 Gramm Eiweiß.
Mit etwa doppelt so viel können neuartige Nudeln aus gemahlenen Hülsenfrüchten wie Kichererbsen, Linsen, Soja- oder Mungobohnen aufwarten.
Außerdem sind im Online-Handel sowie in manchen Fitness-Studios sogar proteinangereicherte Nudeln mit 40 bis 60 Prozent Eiweiß erhältlich.
Die gemahlenen Hülsenfrüchte, wie sie für die Produktion proteinreicher Nudeln verwendet werden, gibt es auch als Mehl zu kaufen.
Die Mehle aus Sojabohnen, Kichererbsen oder roten Linsen liefern zwischen 20 und 40 Prozent Eiweiß. Ein Weizenmehl Type 405 hingegen enthält nur zehn Gramm Eiweiß pro 100 Gramm.
Mehle aus roh verarbeiteten Hülsenfrüchten wie Kichererbsen- und Rote Linsen-Mehl sind wegen ihres Phasin-Gehaltes allerdings nicht zum Rohverzehr geeignet. Sojamehl hingegen ist auch für kalte Speisen geeignet.
In Bio- oder Naturkostläden sind auch Mehl aus Süßlupinensamen sowie Mandel-, Kokos-, Hanf-, Sesam-, Erdnuss- und Kürbiskernmehl zu finden. Sie alle sind von Natur aus glutenfrei.
Das BZfE weist aber auch darauf hin, dass solche Produkte nicht ganz preiswert sind.
Konzentrierte Nährstoffe
Selbst manche Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren bieten inzwischen Protein-Würste aus geräuchertem Rind-, Schweine oder Putenfleisch nach Landjäger-Art an – als Snack für zwischendurch.
Für solche Produkte werden eiweißreiche Fleischstücke geräuchert und getrocknet, sodass alle Nährstoffe aufgrund des Wasserverlustes „konzentriert“ vorliegen.
So beträgt der Eiweißanteil rund 40 Prozent, Proteinzusätze sind nicht nötig. Relativ neu auf dem Markt sind zudem Chips aus luft- oder gefriergetrocknetem Fleisch – ein Snackartikel ohne „fremde“ Proteinzusätze.
Eiweißversorgung in Deutschland
Das große Angebot an proteinreichen Lebensmitteln erweckt den Eindruck, dass die Bevölkerung hierzulande ein Problem mit der Eiweißversorgung hat. Laut BZfE stimmt das aber nicht.
Im Gegenteil: Laut der Nationalen Verzehrsstudie, einer großen Ernährungserhebung, nehmen sowohl Männer als auch Frauen in Deutschland mit ihrem Essen mehr Protein auf, als von Wissenschaftlern empfohlen wird.
Für die meisten gesunden Menschen macht es also wenig Sinn, mit Proteinen angereicherte Produkte zu essen, da sie ausreichend mit Eiweiß versorgt sind.
Außerdem sind Nahrungsmittel mit zugesetztem Eiweiß nicht automatisch gesünder. Sie enthalten häufig viel Fett oder Zucker und/oder diverse Zusatzstoffe. Daher empfiehlt es sich, ganz genau auf der Zutatenliste zu schauen, was in dem Produkt steckt.
Zu viel Eiweiß kann der Gesundheit schaden
Wer dennoch auf solche Trendlebensmittel zurückgreift, sollte im Auge behalten, dass zu viel Eiweiß für manche Menschen gesundheitsschädlich sein kann.
Nach Informationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) kann bei Erwachsenen, die eine eingeschränkte Nierenfunktion haben, eine erhöhte Proteinzufuhr die Nierenfunktion weiter verschlechtern.
Ob eine erhöhte Proteinzufuhr die Nierenfunktion von gesunden Erwachsenen beeinträchtigen kann, darüber liegen laut DGE bisher keine ausreichenden Daten vor.
Fachleuten zufolge gilt zudem, dass Personen deren Proteinzufuhr deutlich über dem Bedarf liegt, besonders auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten sollten. Der Grund: Beim Abbau von Eiweiß entsteht Harnstoff, der mit dem Urin ausgeschieden werden muss. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.