Ernährungsexperte räumt mit häufigen Ernährungsmythen auf
Kann man von Obst so viel essen, wie man will? Macht Essen am Abend schneller dick? Sind Übergewichtige selber schuld an ihrem Gewicht? Über die richtigen Ernährung existieren zahlreiche Mythen und Behauptungen. Das Projekt „Adipositas verstehen“ der Universität Leipzig beschäftigt sich genau mit solchen Fragen und möchte die bestmögliche Antwort auf diese finden. Der Ernährungsexperte und Leiter des Projektes Professor Dr. Matthias Blüher berichtet über die sieben gängigsten Ernährungsmythen.
Professor Blüher ist Leiter der Adipositas-Ambulanz für Erwachsene am Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum für Adipositas-Erkrankungen der Leipziger Universitätsmedizin. Er räumt in einer Pressemitteilung zu dem Projekt „Adipositas verstehen“ mit den gängigsten Mythen auf, die zum Thema Ernährung immer wieder aufgetischt werden.
Brauchen wir im Sommer weniger Kalorien als im Winter?
Viele Menschen denken, dass unser Körper im Sommer weniger Kalorien benötigt als im Winter, da er weniger Energie verbraucht. „Das stimmt nicht“, erläutert der Ernährungsexperte. Der Körper verbrauche sowohl in Situationen mit extremer Hitze als auch bei starker Kälte generell mehr Energie. Sowohl beim Frieren als auch beim Schwitzen sei der Energieverbrauch erhöht.
Im Sommer nimmt man leichter ab als im Winter
„Es ist nicht davon auszugehen, dass man im Sommer oder im Winter unterschiedlich gute Chancen hat, abzunehmen“, erklärt Professor Blüher. Tatsächlich scheinen aber viele Menschen im Sommer eher gewillt zu sein, leichtere und kalorienärmere Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Dagegen würden viele Personen im Winter üppigere Mahlzeiten essen und eher den klassischen Winterspeck anlegen. Dies ist laut dem Experten der einzige Unterschied.
Darf man von Obst so viel essen, wie man will?
Eine gängige Behauptung in Sachen Ernährung ist, dass Obst immer gesund ist und man davon so viel essen kann, wie man will. „Leider ist das nicht ganz richtig“, so das Urteil von Dr. Blüher. Auch bei Obst entscheide die Dosis über das Gift. „Früchte können auch eine ganze Menge an Kalorien und Kohlenhydraten enthalten“, klärt der Ernährungsspezialist auf. So habe sich beispielsweise in Forschungen gezeigt, dass die Fructose aus Obst einen wesentlichen Beitrag bei der Entstehung einer Fettleber leisten könne.
Macht abends essen schneller dick?
Immer wieder wird berichtet, dass Essen am Abend schneller dick macht, als zu anderen Tageszeiten. Stimmt das? „Das stimmt und stimmt auch nicht“, so das Urteil des Professors. Hier komme es darauf an, wie viel zum Abendessen auf den Tisch kommt. In der Theorie gehe man davon aus, dass Kalorien am Abend nicht mehr so effektiv verbraucht werden, da man nach dem Essen bald ins Bett geht. Letztendlich gebe es aber keinen Beweis dafür, zu welcher Tageszeit Kalorien schneller ansetzen. Es zähle unterm Strich nur die Gesamtmenge, die man über den gesamten Tag aufnimmt.
Wer aufs Abendbrot verzichtet nimmt ab
Auch hier zählt natürlich die Gesamtmenge des Tages. Wie Professor Dr. Matthias Blüher aber berichtet, fällt es vielen Menschen beim Abnehmen leichter, auf das Abendessen zu verzichten. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten bewiesen, dass Menschen, die regelmäßig frühstücken, eine höhere Chance haben, Gewicht abzubauen.
Helfen Light-Produkte beim Abnehmen?
Auch bei diesem Mythos gibt es ein „Nein“ vom Experten. „In Light-Produkten wird Zucker oft durch Zuckerersatzstoffe ausgetauscht“, so Blüher. Daraus resultiere oft ein erhöhter Appetit, da die Zuckerersatzstoffe auf die Darmbakterien einwirken. Der erhöhte Appetit verhindere dann in vielen Fällen das Abnehmen oder erschwere es zumindest.
Sind Dicke selber schuld an ihrem Gewicht?
Diese Frage beantwortet der Professor ganz klar mit einem „Nein“. Adipositas sei eine Krankheit, bei der viele Faktoren eine Rolle spielen. „Wir wissen heute zum Beispiel, dass genetische Faktoren eine ganz große Rolle bei der Ausprägung von Übergewicht und Adipositas spielen“, berichtet der Spezialist. Auch hormonelle Aspekte sowie das gesellschaftliche Umfeld seien an der Entstehung von Übergewicht beteiligt Diese Faktoren könnten nicht aktiv von den Betroffenen kontrolliert oder beeinflusst werden. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO definiere Adipositas mittlerweile als eine anerkannte Erkrankung.
Wer Sport treibt und weniger isst, nimmt immer ab
Der häufigste Rat an Übergewichtige lautet wohl, man müsse einfach weniger essen und mehr Sport treiben, dann kriege man auch das Übergewicht in den Griff. „Theoretisch stimmt das“, so das Urteil von Blüher. Allerdings hätten Abhnehmkonzepte, die sich lediglich auf weniger essen und mehr Bewegung konzentrieren, immer wieder langfristig versagt. Die Gründe hierfür seien noch nicht ganz geklärt. Es sei aber sehr wahrscheinlich, dass unser Körper dazu neige, ein einmal erreichtes Gewicht verteidigen zu wollen.
Der berühmte Jo-Jo-Effekt holt sich den Speck zurück
Hier greifen dem Experten zufolge verschiedene Mechanismen ineinander, die dazu führen, dass unser Körper immer wieder zu seinem maximal erreichten Gewicht zurückkehren möchte. „Zu diesen Faktoren gehören beispielsweise die Ausschöpfung der aufgenommenen Kalorien aus der Nahrung sowie die Regulation von Grundumsatz, Appetit und Sättigung“, resümiert der Professor. Auch über diese Faktoren hätten wir keine bewusste Kontrolle.
Die Mechanismen hinter der Zunahme von Gewicht sind bekannt
Auch diese Behauptung ist ein Mythos. „Wir sind immer noch bemüht, die Ursachen der Adipositas-Entstehung für den einzelnen Menschen und auf gesellschaftlicher Ebene komplett zu verstehen“, erläutert Blüher. Nur in wenigen, einzelnen Fällen könne die Wissenschaft bislang klare Zusammenhänge herstellen. Als Beispiel nennt der Professor einen Gendefekt, der das Risiko auf Adipositas erhöht.
Adipositas verstehen
Das Projekt „Adipositas verstehen“ soll mehr Licht ins Dunkel der Ernährungsmythen bringen. Es verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der die Medizin mit den Sozial- und Geisteswissenschaften verbindet. „Die Ursachen und Folgen von Adipositas sind kein rein medizinisches Thema, sondern eingebettet in unsere Kultur und Gesellschaft“, schreiben die Ernährungsexperten zu ihrem Projekt. Wirksame Präventions- und Therapiestrategien müssten daher auch in diesem Kontext entwickelt und gedacht werden. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.