Sag ich’s oder nicht? Entscheidungsunterstützung für chronisch Erkrankte
Viele Menschen im Berufsleben gehen trotz chronischen Erkrankungen zur Arbeit. Die Anzahl der Beschäftigten mit chronischen Leiden und Behinderungen wird aufgrund der demographischen Entwicklungen in Zukunft noch ansteigen, so die Einschätzung des Lehrstuhls für Arbeit und berufliche Rehabilitation der Universität zu Köln. Für Betroffene stellt sich häufig die Frage, ob sie ihre Krankheit verschweigen oder Vorgesetzte und Kollegen einweihen sollten. Das Projekt „Sag ich’s?“ soll chronisch Kranken bei der Entscheidungsfindung helfen.
Für viele immer noch ein Tabuthema: Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen wie chronische Schmerzen verschweigen häufig ihre Leiden bei der Arbeit – aus Angst vor Ausgrenzung und Diskriminierung. Die Universität zu Köln arbeitet derzeit gemeinsam mit dem forschenden BioPharma-Unternehmen AbbVie, der BAG Selbsthilfe und dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.V. (VDBW) an einer interaktiven Hilfe für Betroffene. Bei dem Projekt „Sag ich’s?“ können Interessierte demnächst eine Online-Reflexionshilfe verwenden, die bei der Entscheidungsfindung helfen soll.
Chronische Erkrankungen im Job – mehr Regel als Ausnahme
„Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird das Arbeiten mit einer chronischen Erkrankung immer mehr zur Regel als zur Ausnahme“, schreiben die Experten der Universität zu Köln in einer Pressemitteilung zu dem Projekt. Aus Angst vor Diskriminierung würden viele Betroffene davon absehen, Vorgesetzte, Kolleginnen und Kollegen über ihre Leiden aufzuklären.
Schon der erste Schritt ist eine Hürde
„Der Schritt zu einer persönlichen Beratung in Selbsthilfeorganisationen oder durch den Betriebsarzt ist ebenfalls eine hohe Hürde“, erläutert Dr. Wolfang Panter, Präsident des VDBW. Dabei könne ein offener Umgang zahlreiche Vorteile haben. Die Aufklärung könne zu mehr Unterstützung am Arbeitsplatz führen sowie Druck und Stress mindern, da die Erkrankung nicht länger versteckt werden muss. Die Online-Hilfe biete eine anonyme Unterstützung und stelle für Betroffene nur eine geringe Schwelle dar, so Dr. Panter.
Wie funktioniert das Projekt?
„Wir arbeiten mit einer Mischung aus Erklärvideos und Fragen, die zum Nachdenken anregen sollen“, berichtet Professorin Dr. Mathilde Niehaus, Leiterin des Lehrstuhls für Arbeit und berufliche Rehabilitation der Universität zu Köln. So sollen chronisch Erkrankte darin unterstützen werden, für ihre individuelle Situation die bestmögliche Entscheidung zu treffen. „Und dabei bleibt natürlich alles anonym“, so die Professorin.
Keine Patentlösungen, sondern eine Entscheidungshilfe
Ziel des Projektes sei nicht, eine Patentlösung für diese Fragestellung zu liefern, sondern eine interaktive Reflexionshilfe anzubieten. Das so erworbene Feedback zur individuellen Situation könne dabei helfen, die möglichen Konsequenzen der Entscheidung besser einschätzen zu können.
Gleichberechtigung am Arbeitsplatz
„Gemeinsam mit unseren Partnern setzen wir uns weiter für eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit chronischen Erkrankungen im Arbeitsleben ein“, ergänzt Dr. Patrick Horber, Geschäftsführer von AbbVie Deutschland. Um das Online-Angebot zu einer sinnvollen Unterstützung zu machen, werden in den Entwicklungsprozess Betriebsärzte, Selbsthilfe-Organisationen, Betriebsräte und Schwerbehindertenvertretungen einbezogen.
Arbeitsklima spielt eine entscheidende Rolle
In einer Pilotstudie mit 250 Probandinnen und Probanden mit chronischen Erkrankungen konnten bereits erste Erkenntnisse zu wichtigen Rahmenbedingungen gewonnen werden. Dabei zeigte sich, dass insbesondere das Arbeitsklima eine Rolle dabei spielt, ob ein offener Umgang positive oder negative Konsequenzen nach sich zieht. „Die Vermutung, dass das Klima beziehungsweise die Kultur am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle dafür spielen, ob ein offener Umgang positive Konsequenzen für die Betroffenen hat, wird durch die Studie empirisch bestätigt“, resümiert Dr. Martin Danner, Geschäftsführer der BAG Selbsthilfe.
Unterstützt vom Bundesministerium
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat ebenfalls einen Förderbescheid erteilt. Nun beginnt die 30-monatige Projektphase, in der die Online-Hilfe entstehen soll. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.