Depressive Verstimmungen nach der Geburt? Ursache kann eine Schilddrüsenstörung sein
Bei vielen Müttern stellen sich nach der Entbindung starke Stimmungsschwankungen ein. Der sogenannte „Baby-Blues“ kann sich zu einer ernstzunehmenden Wochenbettdepression, auch postnatale Depression genannt, entwickeln. Allerdings können die depressiven Verstimmungen und Reizbarkeit nach der Geburt auch eine andere Ursache haben.
Gegebenenfalls Schilddrüse überprüfen lassen
Zwar können depressive Verstimmungen oder Reizbarkeit nach der Geburt Anzeichen einer Wochenbettdepression sein. Allerdings ist möglicherweise auch eine Störung der Schilddrüsenfunktion die Ursache, die sogenannte nachgeburtliche Hashimoto-Thyreoiditis. Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE) rät daher Frauen, die bis zu einem Jahr nach der Entbindung an diesen neu aufgetretenen Symptomen leiden, ihre Schilddrüse überprüfen lassen zu lassen. Dies gilt besonders für Frauen, die schon vor der Schwangerschaft Auffälligkeiten ihrer Schilddrüse gezeigt haben. Die Erkrankung lässt sich gut therapieren.
Symptome werden oft fehlinterpretiert
Wie die DGE in einer Mitteilung schreibt, erkranken etwa sieben Prozent aller Frauen nach der Entbindung an einer autoimmun bedingten Funktionsstörung ihrer Schilddrüse.
„Oft dauert es lange, bis die Diagnose gestellt wird. Die Symptome wie anhaltende Erschöpfung, Reizbarkeit oder Schlaflosigkeit werden häufig mit der neuen Belastungssituation in Verbindung gebracht und als „Baby-Blues“ fehlinterpretiert“, erklärt Privatdozent Dr. med. Joachim Feldkamp, Chefarzt der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Bielefeld.
Zudem bleibe die Erkrankung häufig lange unentdeckt, da sie keine Schmerzen verursache.
Erkrankung verläuft häufig in verschiedenen Phasen
Laut den Experten entwickelt sich eine nachgeburtliche Hashimoto-Thyreoiditis aus bisher nicht vollständig geklärten Gründen in einem Zeitraum von etwa sechs bis 52 Wochen nach der Entbindung.
„Besonders gefährdet sind Frauen, bei denen schon vor oder während der Schwangerschaft erhöhte Schilddrüsen-Antikörper – sogenannte TPO-Antikörper – festgestellt wurden, also Frauen mit einer Neigung zu Hashimoto oder Morbus Basedow sowie Diabetikerinnen“, so der Endokrinologe.
„Ein besonderes Risiko haben auch junge Mütter mit Schilddrüsenerkrankungen in der Familie.“
Die Erkrankung verläuft oft in verschiedenen Phasen. Dabei kommt es zunächst zu einer Schilddrüsenüberfunktion mit Nervosität, beschleunigtem Herzschlag und verstärktem Schwitzen. Daran schließt sich häufig eine Phase der Schilddrüsenunterfunktion an, in der die Frauen an Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit, unerklärlichen Tränenausbrüchen oder Ängsten leiden.
„Ein Bluttest klärt, ob eine Schilddrüsenentzündung vorliegt. Für jede Phase stehen wirksame Medikamente bereit, so dass es den Patientinnen in der Regel schnell besser geht“, erklärt Feldkamp.
Bei einem Teil der betroffenen Frauen bildet sich die Erkrankung nach einem Jahr von ganz allein zurück.
Gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind
„Junge Mütter mit Symptomen einer Wochenbettdepression sollten grundsätzlich hinsichtlich einer Störung ihrer Schilddrüsenfunktion untersucht werden“, rät Professor Dr. med. Sven Diederich, Ärztlicher Leiter Medicover Deutschland und Vizepräsident der DGE aus Berlin.
„Leider wird die Störanfälligkeit der Schilddrüse in der Schwangerschaft gerade bei Risikopatientinnen oft unterschätzt und die Funktion des Organs in dieser besonderen Lebensphase nicht routinemäßig überprüft – dies muss sich ändern“, so Diederich.
„Eine Schwangerschaft stellt höchste Anforderungen an die Schilddrüse, sowohl was den Jodstoffwechsel als auch die Hormonproduktion betrifft.“ Abweichungen können sich gravierend auf die Gesundheit von Mutter und Kind auswirken. (ad)
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Wichtiger Hinweis:
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