Können Anti-Aging-Hormone halten, was der Name verspricht?
Frei verkäufliche Hormonersatzpräparate erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit als Anti-Aging-Mittel. Durch die Zuführung der Hormone soll ihr natürlicher Rückgang im Zuge der Alterung ausgeglichen und die Alterung gebremst werden, so das Versprechen der Hersteller. Doch können die Präparate das Versprechen halten? Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie hat eine Bewertung vorgenommen.
Die Abnahme verschiedener körpereigener Hormone im Zuge des Alterns ist ein natürlicher Vorgang. Durch die Einnahme von Hormonersatzpräparaten wie Testosteron, Wachstumshormonen, dem Zirbeldrüsenhormon Melatonin oder Dehydroepiandrosteron (DHEA) versuchen viele diesem Rückgang entgegenzuwirken. So ist ein großer Markt für Hormonersatzpräparate entstanden, obwohl substantielle Anti-Aging-Effekte bezüglich dieser Hormongaben nicht belegt sind, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).
Im Alter geht die Hormonproduktion zurück
„Das Altern ist ein biologischer Vorgang, der mit der Geburt beginnt und nicht umkehrbar ist“, betonen die Experten der DGE. So werde die Haut mit zunehmendem Lebensalter dünner, faltig und trocken, die Augen und Ohren verlieren an Leistungsfähigkeit, die Knochen werden porös und die Gefäße verengen sich mehr und mehr. Auch die Hormonproduktion beispielsweise von Dehydroepiandrosteron (DHEA), Melatonin und dem Wachstumshormon (GH) gehe zurück. Hier setzen die Hormonersatzpräparate an.
Fehlende Belege zur Wirksamkeit
„Auch wenn es heute einen großen Markt an Hormonprodukten und Therapien gibt, die versprechen, den natürlichen Alterungsprozess hinauszuzögern, die Leistungsfähigkeit, das jugendliche Aussehen und die Lebensqualität auf hohem Niveau zu erhalten sowie gar das Leben insgesamt zu verlängern, gibt es hierfür keinen wissenschaftlichen Beleg“, mahnt Professor Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE und Leiter der Endokrinologie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Zudem sei der Abfall der Hormone „nicht die Ursache, sondern die Folge des natürlichen Alterungsprozesses.“
Wie wirksam sind Dehydroepiandrosteron-Präparate?
Laut Angaben der DGE ist Dehydroepiandrosteron (DHEA), ein Nebennierenhormon, eines der vielfach eingesetzten, frei verkäuflichen und nicht als Arzneimittel zugelassenen Hormonersatzpräparate. Das körpereigene Steroid und Vorläuferhormon werde im Organismus sowohl zu Östrogenen als auch zu Androgenen biotransformiert. Die wissenschaftlichen Belege zur Wirkung bleiben jedoch dürftig. So hätten hochwertige Studien keine signifikanten Effekte auf wichtige metabolische Parameter oder das Wohlbefindens ergeben. „Langzeitdaten zu Krankheitshäufigkeit und Mortalität fehlen ganz und bezüglich der Risiken und Nebenwirkungen kann man nur verlässlich sagen, dass sie im Beobachtungszeitraum bis maximal zwei Jahren nicht besorgniserregend waren“, so Professor Dr. med. Sven Diederich, Vizepräsident der DGE.
Melatonin als Anti-Aging-Mittel?
Auch bei der Melatoningabe seien die Versprechungen der Anbieter als „Wundermittel“ groß, so die Experten der DGE weiter. Das frei verkäufliche Hormon der Zirbeldrüse werde häufig zum Anti-Aging und als antioxidativer Radikalfänger angepriesen, doch placebo-kontrollierte klinische Studien beim Menschen seien schwer zu finden und positive Effekte beim Menschen allenfalls für das Schlafverhalten dokumentiert. Die versprochene Anti-Aging-Wirkung sei lediglich in Tierexperimenten mit zum Teil hohen Dosierungen feststellbar gewesen. Zumindest drohen bei Einnahme jedoch keine Nebenwirkungen. „Bezüglich möglicher negativer Effekte und Nebenwirkungen kann Entwarnung gegeben werden“, so Prof. Diederich.
Besondere Vorsicht bei Wachstumshormonen
Bei dem verschreibungspflichtigen Wachstumshormon (Growth Hormon, GH abgekürzt) ist einen Anwendung bei hochgradigem Mangel, beispielsweise aufgrund einer Hypophysen-Vorderlappeninsuffizienz, vorgesehen. So könne Minderwuchs beim Kind ausgeglichen werden und bei Erwachsenen sollen die Präparate gegen Stoffwechselstörungen, Veränderungen der Körperkomposition (Fett- und Muskelverteilung) und entsprechende Verschlechterungen der Lebensqualität helfen. Doch haben Placebo-kontrollierte Studien zur GH-Gabe bei älteren Menschen nur einen minimalen günstigen Effekt auf die Fettverteilung gezeigt, wobei gleichzeitig „durchaus negative Effekte bezüglich des Zuckerstoffwechsels, der Wassereinlagerungen und der Gelenkschmerzen dokumentiert wurden“, berichtet Diederich. Auch mögliche Effekte auf eine Krebsförderung werden vermutet, weshalb auf GH-Gabe ganz verzichtet werden sollte, warnt der DGE-Experte.
Testosteron-Präparate für Männer
Die Hormonersatzpräparaten mit Testosteron richten sich gezielt an Männer, da deren Testosteronspiegel ab dem 40. Lebensjahr um rund ein bis zwei Prozent jährlich sinkt. Ein tatsächlicher Testosteronmangel mit Folgen wie Libidomangel und anderen Symptomen wie erektiler Dysfunktion betrifft laut Aussage der Experten in Deutschland jedoch nur drei bis fünf Prozent der 60- bis 79-jährigen Männer. Ihnen könne die Ergänzungstherapie mit dem männlichen Sexualhormon helfen, doch dies gelte nicht für diejenigen, die darauf hoffen, durch Testosteron depressiven Verstimmungen, Gewichtszunahme, Müdigkeit, Nervosität und nachlassender sexueller Potenz entgegenzutreten. Die Forschungsergebnisse seien auch hier ernüchternd.
Placebo-kontrollierte klinische Studien zur Testosterongabe bei älteren Männern hätten nur sehr wenige positive Effekte ergeben und diese bezogen sich lediglich auf die Libido. Da zudem Langzeitdaten bezüglich der Sicherheit fehlen und „Hinweise für einen möglichen negativen Effekt auf das Herzinfarktrisiko bestehen, sollte auch hier sehr vorsichtig und mit guter Aufklärung der Patienten vorgegangen werden“, so Diederich.
Sport und Gewichtsreduktion bessere Anti-Aging-Mittel
Die DGE-Experten kommen zu dem Schluss, dass Anti-Aging-Effekte bezüglich der Hormongaben im Alter nicht belegt seien und die Präparate unnötige Kosten verursachen. Zudem sollte aufgrund potentieller Risiken die Anwendung nicht außerhalb klinischer Studien durchgeführt werden, betonen Prof. Diederich und Kollegen. Bei manchen Wirkstoffen seien die Risiken und Nebenwirkungen bereits bekannt, doch insgesamt fehlen oft Langzeitdaten, die Sicherheit und Unbedenklichkeit der Hormongabe belegen, berichtet die DGE weiter. Um den Alterungsprozess positiv zu beeinflussen und eine hohe Lebensqualität zu erhalten, seien andere Maßnahmen zudem deutlich besser geeignet. Eine Gewichtsreduktion in der zweiten Lebenshälfte und regelmäßiger moderater Sport haben hier nachweislich eine positive Wirkung und können zum Teil auch positive Effekte auf die eigene Hormonproduktion im Alter haben, betonen die Experten. (fp)
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