Sozialverband warnt vor Trend zu digitaler Selbstvermessung
Nach Ansicht des Sozialverbands SoVD birgt der Trend zur Erfassung der eigenen Körperdaten erhebliche Gefahren. Der Präsident des Verbands, Adolf Bauer, warnte vor einem „arglosen Umgang mit Gesundheitsdaten“.
Kurioser Trend zur digitalen Selbstüberwachung
Es gibt Apps, die messen Herzfrequenz und Stoffwechsel, andere dienen als Blutdruckmesser, Schmerztagebuch, Pillenwecker oder Ernährungsratgeber. Der Trend zur Selbstüberwachung mit Hilfe von Gesundheits- und Fitness-Apps und technischen Gadgets wie Armbändern nimmt ständig zu. Unter anderem werden sie zur Trainingskontrolle oder Steigerung der Motivation eingesetzt oder um das Schlafverhalten, die Kalorienaufnahme oder die tägliche Schrittzahl zu dokumentieren.
Kritik an dem Trend zur digitalen Selbstvermessung kommt nun vom Sozialverband SoVD. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, warnte Verbandspräsident Adolf Bauer vor einem „arglosen Umgang mit Gesundheitsdaten“. Zudem kritisierten Gesundheitspolitiker Überlegungen gesetzlicher Krankenkassen, den Kauf von Fitnessmessern wie beispielsweise der Apple Watch zu bezuschussen.
Viele Kassenmitglieder könnten benachteiligt werden
SoVD-Präsident Bauer sagte gegenüber der AFP, dass das Potential der digitalen Selbstvermessung von den Krankenkassen erkannt werde, die um junge und gesunde Versicherte wetteiferten. Diese Entwicklung werde von dem Sozialverband sehr kritisch bewertet. Der SoVD warne vor einem „Effizienz-Wahn“, an dessen Ende höhere Versicherungsbeiträge für benachteiligte Menschen stehen könnten. Chronisch Kranke zum Beispiel hätten kaum Chancen, sich an Fitness-Programmen zu beteiligen.
Ökonomisch schlechter Gestellte sind häufig nicht in der Lage, den Anforderungen des modernen Lifestyles zu entsprechen. So wäre es für viele nicht im gleichen Maße möglich, sich so gesund zu ernähren wie finanziell besser gestellte Personen.
Versicherte nicht gegeneinander ausspielen
„Zweifellos ist es in vielen Fällen durchaus sinnvoll, Lebensdaten zu protokollieren und damit verantwortlich auf die eigene Gesundheit zu achten“, meinte Bauer. „Dies darf aber nicht dazu führen, den Grundgedanken der Solidargemeinschaft aufzugeben.“ Vorbeugender Gesundheitsschutz dürfe keinesfalls ein privates Risiko sein. Der SoVD-Präsident mahnte: „Im schlimmsten Fall entsteht ein Strafsystem für diejenigen, die nicht mithalten können.“ Die Entwicklung werde von seinem Verband „sehr genau“ beobachtet, private sowie gesetzliche Kassen werden davor gewarnt, „die Versicherten gegeneinander auszuspielen“.
„Marketingmaßnahmen der Kassen“
Bei verschiedenen Gesundheitspolitikern stoßen Überlegungen gesetzlicher Krankenkassen, den Kauf von Geräten zur Messung von Fitnessdaten zu bezuschussen, auf Ablehnung. So sagte Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) gegenüber dem „Spiegel“: „Ich unterstütze gute Präventionsprogramme, aber ich halte nichts von Marketingmaßnahmen der Kassen auf Kosten der Beitragszahler.“ Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält einen solchen Bonus ebenfalls für „fragwürdig“. Dem Magazin sagte er, dass die Kassen damit gut gebildete, junge und gesunde Mitglieder abwerben wollten.
Bis zu 50 Euro Zuschuss für Apple Watch
Die Diskussion wurde ausgelöst durch Meldungen über die AOK Nordost, die den Kauf einer Apple Watch bezuschusst. Die Gesundheitskasse zahlt den Angaben zufolge bis zu 50 Euro dazu. Wie es heißt, sollen die von der Uhr erhobenen Daten jedoch nicht an die Kasse übertragen werden. Die Daten-Weitergabe wird seit langem sehr kritisch bewertet, erst vor kurzem wurden Fitness-Apps der Krankenkassen von der Datenschutzbeauftragten kritisiert.
Die sensiblen Daten könnten womöglich später verwendet werden, um Risikozuschläge zu berechnen. Nachdem der Zuschuss der AOK Nordost bekannt wurde, hatten Konkurrenten der Kasse angekündigt, ähnliche Angebote zu prüfen. Als eine „äußerst fragwürdige Blüte des Krankenkassenwettbewerbs“ wurden die Überlegungen von der Linken-Gesundheitsexpertin Kathrin Vogler im „Spiegel“ kritisiert. (ad)
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