Studie zeigt: In nicht mal einer Sekunde fällt die Entscheidung über Attraktivität
Zwar ist die sprichwörtliche Liebe auf den ersten Blick eher selten, doch oft dauert es tatsächlich nicht lange, bis wir wissen, ob wir den anderen mögen, wenn wir ihn oder sie das erste mal treffen. Wie schnell die Entscheidung über Attraktivität tatsächlich fällt, hat sich nun in einer neurowissenschaftlichen Studie gezeigt.
Der erste Eindruck des Gegenübers
Wissenschaftler der renommierten Havard University (USA) berichteten vor einigen Jahren über eine Studie, die zeigte, dass zwei Fragen eine zentrale Rolle spielen, die sich jeder unterbewusst stelle, wenn er zum ersten Mal einen bislang fremden Menschen trifft: „Wie vertrauenswürdig wirkt mein Gegenüber?“ und „Wie kompetent schätze ich den anderen ein?“ Um sich ein erstes Urteil über den anderen zu bilden, braucht es nicht viel Zeit. Nicht mal eine Sekunde, wie Forscher aus Deutschland und Österreich nun berichten.
Rasend schnelle Einschätzung der Attraktivität
Viele Menschen haben kein Problem damit, ihre Porträts bereitwillig auf Facebook, Instagram, Twitter, Tinder und weiteren sozialen Netzwerken zu veröffentlichen.
Dass andere Menschen dabei auch das Aussehen der gezeigten Person beurteilen, wird zumindest billigend in Kauf genommen, manchmal sogar bewusst provoziert, weil man auf viele Klicks oder Likes hofft.
Wie genau es zu Attraktivitätseinschätzungen und den darauffolgenden Likes kommt, ist allerdings kaum erforscht.
Psychologinnen und Psychologen aus Bamberg, München, Jena, Wien und Salzburg haben nun im Wissenschaftsmagazin „Neuroscience Letters“ eine neue Studie dazu veröffentlicht.
Darin zeigen die Experten, dass die Einschätzung der Attraktivität weit weniger als eine Sekunde dauert. Noch schneller wird geschätzt, welches Geschlecht eine Person hat.
Neurowissenschaftliches Experiment mit Portraitfotos
„Für das Abgeben eines Likes benötigen wir gerade einmal eine Sekunde“, erklärte Prof. Dr. Claus-Christian Carbon, Erstautor der Studie und Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie und Methodenlehre an der Universität Bamberg in einer Mitteilung.
Doch wie lange brauchen Menschen, um das Geschlecht einer Person einzustufen und deren Attraktivität einzuschätzen?
Wie es in der Mitteilung der Uni heißt, beurteilten 25 Versuchspersonen in einem neurowissenschaftlichen Experiment insgesamt 100 Portraitfotos hinsichtlich Geschlecht und Attraktivität.
Die abgebildeten Personen waren je zur Hälfte männlich beziehungsweise weiblich. Währenddessen maßen die Forscher die elektrischen Gehirnströme mithilfe einer Elektroenzephalografie (EEG).
Dabei bringt man Elektroden auf der Kopfhaut an und kann somit indirekt die Aktivität des Gehirns messen.
Bei dem EEG-Experiment stand die Auswirkung von spezifischen Präsentationen von Gesichtsdarstellungen im Fokus, sodass bereits 25 Versuchspersonen genügten, um gesicherte Ergebnisse zu erhalten.
Bewertung von Geschlecht und Attraktivität miteinander verschachtelt
„Das Besondere an unserer Herangehensweise ist, dass wir zwei Aufgabentypen miteinander verschachtelt haben, nämlich die Bewertung von Geschlecht und Attraktivität“, erläuterte Claus-Christian Carbon.
„Dadurch konnten wir sogenannte Inhibitions- und Motorvorbereitungsprozesse analysieren.“ Vereinfacht gesagt testeten sie, ab welchem Zeitpunkt Attraktivitäts- und Geschlechtsinformationen im Gehirn für eine Entscheidung bereitstehen.
„Tatsächlich zeigte sich, dass Gesichtsinformationen nach etwa 200 Millisekunden weit genug verarbeitet wurden, um eine Entscheidung über die Attraktivität zu fällen“, so der neurokognitive Psychologe Prof. Dr. Florian Hutzler von der Universität Salzburg und Mitautor der Studie.
„Geschlechtsinformationen werden sogar noch früher verarbeitet, nämlich bereits nach ungefähr 150 Millisekunden. Das heißt, zuerst wird das Geschlecht und dann erst die Attraktivität eines Gesichts verarbeitet.“
Geschlechtsspezifische Attraktivitätseinschätzungen
„Wir können zwar keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden Prozessen nachweisen, aber es liegt nahe, dass die frühe Attraktivitätseinschätzung auf den bereits verarbeiteten Geschlechtsinformationen aufbaut“, ergänzte Claus-Christian Carbon.
Dies könne auch erklären, weshalb es häufig zu geschlechtsspezifischen Attraktivitätseinschätzungen kommt; weshalb also bestimmte Merkmale bei Frauen als attraktiv angesehen werden, bei Männern aber nicht, und umgekehrt.
Kommt es auf den „ersten Blick“, das „spontane Gefallen“ an, so könne man davon ausgehen, dass Menschen sehr stark von geschlechtsspezifischen Stereotypen in ihren Attraktivitätseinschätzungen geleitet werden – unter Umständen ein Grund dafür, dass diese frühen Urteile in hohem Maß von verschiedenen Personen geteilt werden. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.