Schmerz und Psyche: Die schmerzlindernde Wirkung von Fremden
Britische Wissenschaftler berichteten vor kurzem über eine Studie, die Hinweise darauf lieferte, dass gezeigte Empathie von Ärzten bei der Schmerzlinderung helfen kann. Doch auch, wenn Patienten von Fremden behandelt werden, kann sich das positiv auf die Behandlung von Schmerzen auswirken, wie ein internationales Forscherteam nun festgestellt hat.
Es müssen nicht immer Medikamente sein
Die meisten Menschen versuchen zunächst, sich selbst zu therapieren, wenn sie Schmerzen haben. Die einen greifen dann schnell zu Medikamenten, andere setzen eher auf alternative Schmerztherapien. Diese helfen oft genauso gut oder gar besser als Arzneien, wie sich in Untersuchungen gezeigt hat. So kann beispielsweise eine Aromatherapie Schmerzen lindern. Doch häufig reicht die Eigenbehandlung nicht aus und man braucht Hilfe von anderen. Dann können offenbar Personen, die einem „fremd“ sind, besonders gut helfen.
Enger Zusammenhang zwischen Schmerz und Psyche
Es ist bekannt, dass Schmerz und Psyche eng zusammenhängen und soziale Faktoren eine wesentliche Rolle dabei spielen, wie Menschen Schmerzen empfinden.
Wie einer der wichtigsten sozialen Faktoren – die Gruppenzugehörigkeit – das Schmerzempfinden verändert, hat jetzt ein Team von Forschern der Universitäten Würzburg, Zürich und Amsterdam untersucht.
Das überraschende Ergebnis: Wenn die Probanden von einer Person Hilfe bekamen, die ihnen fremd war, empfanden sie den Schmerz deutlich geringer, verglichen mit den Teilnehmern, die Schmerzlinderung von Menschen aus der gleichen sozialen Gruppe erhielten.
Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift „Proceedings of the Royal Society of London B: Biological Sciences“ veröffentlicht.
Untersuchung von Schmerzen
„Wir haben in unserer Studie einerseits subjektive Schmerzurteile und andererseits die Gehirnaktivierungen in bestimmten Arealen bei Teilnehmern vor und nach einer Schmerzbehandlung gemessen“, erklärte Studienleiterin Prof. Dr. Grit Hein von der Universität Würzburg in einer Mitteilung.
Dafür erhielten die Studienteilnehmer Stromschläge am Handrücken, die sie als schmerzhaft beurteilten, und mussten deren Intensität bewerten.
Währenddessen lagen die Probanden in einem funktionellen Magnetresonanz-Tomographen, mit dem ihre Gehirnaktivität gemessen wurde.
Um den Effekt der Gruppenzugehörigkeit auf das Schmerzempfinden zu untersuchen, wurden die Studienteilnehmer – 40 Schweizer Männer – in zwei Gruppen aufgeteilt:
Eine Gruppe erhielt Schmerzlinderung von Personen, die derselben Nationalität wie die Probanden und damit deren Gruppe angehören.
Die andere Gruppe wurde von Personen einer anderen Nationalität behandelt, die sie als „fremd“ eingeschätzten: Menschen aus einem der Balkanländer.
Geringere Aktivierung im Gehirn
Das Ergebnis: „Vor der Behandlung zeigten die Teilnehmer beider Gruppen eine ähnlich stark ausgeprägte negative Reaktion auf Schmerzen“, erläuterte Prof. Dr. Hein.
Nach der Behandlung durch den aus ihrer Sicht „Fremden“ berichteten hingegen die Teilnehmer dieser Gruppe über weniger Schmerzen, verglichen mit der anderen Gruppe. Dieser Effekt war nicht nur auf das subjektive Empfinden beschränkt:
„Wir sahen auch eine Verringerung der schmerzbezogenen Aktivierung in den entsprechenden Bereichen des Gehirns“, so die Wissenschaftlerin.
Der Befund, der für den Laien überraschend sein mag, geht konform mit einer zentralen Aussage aus der Lerntheorie. Diese besagt, dass Menschen dann besonders gut lernen, wenn die Ergebnisse ganz anders ausfallen, als sie das erwartet hatten.
Vom „Vorhersagefehler-Lernen“ sprechen Psychologen in diesem Fall. Die Überraschung trägt dann dazu bei, dass sich die neue Erfahrung, das neue Wissen besser im Gehirn „verankert“.
Überraschung sorgt für Linderung
Auf das Schmerzexperiment bezogen, bedeutet dies: „Die Studienteilnehmer, die schmerzlindernde Maßnahmen von einem Fremden erhielten, hatten nicht damit gerechnet, dass sie von diesem tatsächlich effektiv Hilfe bekommen würden“, erklärte die Neurowissenschaftler.
Und je weniger die Teilnehmer positive Erfahrungen erwartet hatten, desto größer war ihre Überraschung, als der Schmerz tatsächlich nachließ – und umso stärker war die Reduktion ihrer Schmerzreaktionen.
Auch wenn die Zahl der Studienteilnehmer mit 40 nicht besonders groß war, sind die Forscher von ihren Ergebnissen überzeugt.
„Die Befunde sind auf vielen Ebenen abgesichert – von den Bewertungen der Patienten über die neuronale Antwort im Gehirn bis zu den Effektstärken“, sagte Grit Hein.
Trotzdem handele es sich um eine erste Studie auf diesem Gebiet, die nun außerhalb des Labors getestet werden müsse.
Schließlich könnten die Ergebnisse für den klinischen Bereich relevant sein, in dem eine Behandlung durch Pflegekräfte und Ärzte aus anderen Kulturen heute üblich ist. (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.